Vor fast 53 Jahren betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond. Seitdem richtete sich der Fokus der Raumfahrtindustrie vor allem auf den Mars. Doch das uralte Interesse am Erdtrabanten ist nicht erloschen: Eine bewohnte Mondstation soll schon im nächsten Jahrzehnt den Betrieb aufnehmen.
Da es unvorstellbar teuer ist, Materialien dorthin zu schiessen, setzt die Forschung darauf, die nötigen Ressourcen für Bau und Betrieb der lunaren Station gleich vor Ort zu nutzen. Die Europäische Weltraumorganisation (Esa) hat einen Wettbewerb lanciert, bei dem Teams aus Europa und Kanada einen Roboter entwickeln sollen, der auf dem Mond autonom nach Rohstoffen suchen kann.
Der Roboterhund von ETH und Universität Zürich (UZH) hat es bis in die Schlussrunde geschafft. Sein Name: Glimpse, englisch für «Blick».
Die Wissenschaftler Florian Kehl (38) vom UZH Space Hub, Dozent an der Hochschule Luzern (HSLU), und Philip Arm (27), Doktorand am ETH Robotic Systems Lab, arbeiten als Teil des Glimpse-Teams aus circa einem Dutzend Forschenden für den Sieg im Finale in Luxemburg.
Im September soll sich der Glimpse dort autonom in einer künstlichen Mondlandschaft zurechtfinden und Gesteinsproben analysieren. Das Terrain ist anspruchsvoll, doch die vier Beine des Zürcher Wettbewerbers bedeuten laut seinen Erbauern einen grossen Vorteil gegenüber den Rädern oder Raupen der Konkurrenz.
Bald Esa-Partner?
Dem Gewinner des Esa-Wettbewerbs winken eine Partnerschaft und ein Auftrag im Wert von 550'000 Euro. Ziel ist es, den Roboter so weiterzuentwickeln, dass er in der klimatisch extremen Mondlandschaft auch wirklich funktioniert.
Mit seinem Arsenal an hochsensiblen Messinstrumenten kann der Schweizer Roboter die Beschaffenheit von Gesteinen aus der Distanz mit Mikroskop und Laser analysieren und entscheiden, ob es sich um eine interessante Ressource handelt. Gerätschaften wie der Glimpse sind sehr teuer. Die 75'000 Euro Preisgeld, die Florian Kehl und Philip Arm bereits für den Einzug ins Finale erhalten haben, sind da nicht besonders viel. Zudem ist die Forschung zeitintensiv. «Wir investieren grosse Teile unserer Freizeit, Begeisterung und Herzblut in dieses Projekt», sagen die beiden.
Das agile Gerät, zu 100 Prozent «Swiss made», basiert auf einer Version des Roboters Anymal von Anybotics. ETH und Uni Zürich haben das Projekt auch nicht alleine gestemmt. Sie erhielten Unterstützung von einem Konsortium, bestehend aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universitäten Basel und Luzern sowie den Firmen Maxon, Anybotics und Metrohm.
Kehl und Arm betrachten Mondmissionen vor allem als Gelegenheit für Horizonterweiterung und Erkenntnisgewinn. Viele alltägliche Gebrauchsgegenstände haben ihren Ursprung in der Raumfahrt. So entstammen Digitalkameras und Infrarotthermometer ursprünglich den Laboren der Nasa, ebenso wie unzählige Materialien, die mittlerweile nicht nur ausserhalb der Erdatmosphäre Verwendung finden.
Der Mond als Testgelände
Arm betont, dass dem Mond eine wichtige Rolle als Zwischenstation für Marsmissionen zukommt: «Wenn die Menschheit wirklich den Mars erkunden will, kann der Mond als Zwischenstation dienen, um Ressourcen zu gewinnen und die Marsbesiedelung zu üben. Der Mond dient somit auch als Testplatz.»
Und doch, der Mond ist eine menschenfeindliche Umgebung: Temperaturen zwischen 130 Grad im Sonnenlicht und minus 160 Grad im Schatten, ein Vakuum anstelle von Atmosphäre – und dazu noch tödliche Strahlung aus dem Weltall. Eine solche Mission ist wahrlich kein Spaziergang. Doch auf die Frage, ob sie denn auch selbst auf den Mond reisen würden, wenn die Möglichkeit dazu bestünde, antworten die beiden Forscher wie aus der Pistole geschossen: «Absolut, ich würde sofort meinen Koffer packen.»
Bis es so weit ist, wünschen sie sich vor allem eine verstärkte Förderung der Schweizer Raumfahrtforschung. «Wir haben die perfekte Umgebung, um in der Raumfahrt etwas zu bewegen und mitzureden.Aber das muss man mit entsprechenden Geldern fördern, denn es ist keine billige Forschung», meint Philip Arm. «Die Schweiz ist prädestiniert, um zum globalen Leader zu werden. In der Raumfahrt entsteht so viel Innovation und die Schweiz als eines der innovativsten Länder der Welt kann da nur profitieren», ergänzt Florian Kehl.
Ein Sieg beim Esa-Wettbewerb wäre für die beiden mit Sicherheit mehr als nur «ein kleiner Schritt für einen Menschen», sondern auch ein gewaltiger Sprung für die Schweiz.