Auf einen Blick
- Frauen trinken mehr, Junge konsumieren mehr Medikamente
- Alkoholindustrie zielt auf Frauen als Zielgruppe ab
- 26 Prozent der Jungen ab 15 Jahren nahmen Schmerzmittel in der Vorwoche
Wir werden immer älter, doch gesünder leben tun wir nicht unbedingt. Das zeigt das neue «Suchtpanorama» von Sucht Schweiz mit seinem Überblick über das Suchtmittelverhalten. Dabei stechen die Frauen heraus. Sie holen beim Trinkverhalten auf. Und die Jungen. Sie konsumieren mehr Medikamente.
Laut der aktuellsten Schweizerischen Gesundheitsbefragung trinken sich Frauen häufiger einen Rausch an. 11 Prozent von ihnen haben mindestens einmal pro Monat vier Gläser Alkohol und mehr zu sich genommen – etwas mehr als die Hälfte der Männer (19 Prozent). 2007 waren es bei den Frauen erst 6 Prozent. Die rauschtrinkende Frau ist gebildet, jung (24 Prozent) und stammt aus der Westschweiz (mit 14 bis 15 Prozent).
Markus Meury von Sucht Schweiz erklärt: «Frauen sind zu einer Zielgruppe für die Alkoholindustrie geworden.» Heute gibt es Weinmarken, die «Girls' Night Out» heissen, oder Spirituosen, die in pinken Flaschen daherkommen. Und ein Weinhändler aus dem Kanton Zürich bewirbt unter dem Titel «Ladies Night» eine Degustation für «Weingeniesserinnen und ihre Freundinnen». Ein anderer Grund ist laut Meury die Emanzipation. Die fortschreitende Gleichstellung. «Früher durften Frauen nicht betrunken sein, das war unanständig.» Abhilfe gegen das Rauschtrinken würde laut Meury ein Mindestpreis für Billigalkohol schaffen.
Medis sind bei den Jungen stark verbreitet
Sorgen macht den Fachleuten auch, dass die Jungen mehr zu (opioidhaltigen) Schmerz-, Schlaf- und Beruhigungsmitteln greifen. Verschiedene Schweizer Studien zeigen: 12 Prozent der 15-Jährigen haben schon Medikamente «zur Berauschung» oder mit anderen Substanzen gemischt eingenommen. 26 Prozent der Jungen ab 15 Jahren hatten in der Woche vor der Befragung mindestens einmal Schmerzmittel eingeworfen – 14 Prozent waren es 20 Jahre zuvor. Und die Zahl der ambulanten Behandlungen wegen problematischem Schlaf- und Beruhigungsmittelkonsum ist bei den unter 25-Jährigen gestiegen. Lag das Durchschnittsalter der Behandelten 2016 noch bei 47 Jahren, war es 2023 nur noch 38 Jahre.
Über die Motive sagt Markus Meury: «Die einen dröhnen sich zu, weil sie es anders nicht mehr aushalten. Die anderen probieren gerne aus und sind sich der Risiken nicht bewusst.» Gründe sind laut dem Experten: Die verschlechterte psychische Verfassung vieler Jugendlicher seit Covid-Ausbruch. Die sozialen Medien, die dem Selbstwertgefühl schaden und Einsamkeit fördern. Der Leistungsdruck in der Schule. Und die düstere Weltlage. Wichtig, so Meury, ist die Beziehung zwischen Eltern und Kind. Eine Broschüre von Sucht Schweiz zeigt deshalb, wie man mit Kindern sprechen kann, die in eine Sucht rutschen.