«Wenn man den Regenwald mit einem Solarstrom-betriebenen Bulldozer abholzt, hilft das zwar, CO2 zu sparen. Aber das Ökosystem wird weiterhin ruiniert», erklärt Sofia de Meyer (46). Sie ist der Meinung, dass man das ganze System ändern muss.
De Meyer weiss genau, wovon sie spricht. Als ehemalige Wirtschaftsanwältin und heutige nachhaltige Unternehmerin kennt sie viele Seiten der Wirtschaft.
Aufgewachsen ist sie in Villars-sur-Ollon VD mit vier Schwestern und vier Brüdern. «Wir haben oft im Wald gespielt, mit Dingen, die der Wald hergab. Wir mussten vieles teilen und so habe ich gelernt, an andere zu denken», erzählt sie.
Ihre Eltern leiteten eine internationale Privatschule. De Meyer gefiel diese Vielfältigkeit der unterschiedlichen Kulturen; sie zog deshalb später zum Studieren nach London.
Umweltschutz als Vollzeitjob
Mit erst 23 Jahren stand sie als Anwältin bei einer renommierten Londoner Kanzlei unter Vertrag. «Ich war ambitioniert und arbeitete viel und überall. Am Wochenende war ich aber immer in der Natur», erzählt sie.
Als sie 30 Jahre alt wurde, merkte sie: «Viele Konzernchefs und Mitarbeitenden kümmerten sich am Wochenende um die Natur oder engagierte sich für die Mitmenschen.»
«Aber warum nur am Wochenende oder nach der Pensionierung, also erst nach dem Geschäftsleben?», fragte sie sich. Da wurde ihr klar: Sie möchte ein Geschäftsmodell aufbauen, in dem Menschen einander unterstützen und die Umwelt schützen.
Vom Iglu-Hotel zur Fruchtsaftproduktion
So zog de Meyer zurück in die Schweiz und realisierte ein ökologisches Hotelkonzept oberhalb von Monthey im Wallis: Die Gäste übernachten in Iglu-Zelten, möglichst nahe an der Natur – aber doch bequem und warm.
«Wie mein E-Bike», erklärt de Meyer. «Weil ich so viel Freude am Fahren mit dem Elektrovelo habe, nutze ich es dauernd. So macht umweltfreundlich Sein Spass – und man wird mit Freude nachhaltiger.»
2008 verkaufte sie das Unternehmen und gründete ein Jahr später eine neue Firma. Aus der Hotel-Zeit nahm sie ihre neue Geschäftsidee mit: «Für das Hotel war ich auf der Suche nach Getränken aus der Region – und fand keine», sagt sie. So stellt sie sich mit einer Saftpresse in die Küche und produzierte die ersten Opalin-Fruchtsäfte.
Obwohl sie noch keine konkreten Vorstellungen der Säfte hatte, wusste Sofia de Meyer genau, wie sie die Firma führen wollte: «Die Kunden sollen keine Marketing-Ziele sein, sondern zur Firma gehören. So auch die Zulieferer. Wir wollen die Menschen, die mit uns arbeiten, wertschätzen.»
«Wir produzieren weniger, dafür sind wir und der Planet noch lange da»
2019 hat sie eine Million Flaschen von Opalin-Säften an die Gastronomie verkauft. «Wir kaufen die Früchte ganz lokal ein und verkaufen auch lokal, so halten wir die Transportwege kurz», erklärt sie. «Wir arbeiten mit den Früchten, die unsere Region offeriert.»
Mit «wir» meint sie das ganze Unternehmen. Denn alle Mitarbeitenden erhalten kompletten Einblick in die Finanzen und können damit so handeln, wie es für sie und das Unternehmen am besten ist.
Die Firma sei wie eine Familie – das sei ihr sehr wichtig, betont sie de Meyer. «Ja, wir produzieren weniger, als wenn wir voll industriell arbeiten würden. Aber dafür sind wir und der Planet auch noch in 50 Jahren da.»
«Unsere Kunden sind keine Marketing-Ziele, sondern Teil der Idee»
«Wir machen keine teuren Werbekampagnen», so die Unternehmerin mit Nachdruck. Denn sie will Konsumenten, die ihre Idee teilen, und sieht «Kunden nicht als Marketing-Ziele». Darum verkauft das Unternehmen Getränke auch direkt und lokal an Unternehmen und Gastronomiebetriebe, die sich von der Qualität und Philosophie von Opaline überzeugt haben.
Kaum bekannt ist, dass de Meyer auch das alkoholfreie Getränk Grapillon wiederbelebt hat. Dies wird nun zum ersten Mal in seiner 77-jährigen Geschichte ausschliesslich aus Schweizer Trauben hergestellt: Chasselas für den Weissen und Gamay für den Rosé, geerntet auf dafür ausgewiesenen Parzellen in den Kantonen Waadt, Wallis und Genf.
Natur sollte Rechte haben
Obwohl sie sich heute weniger mehr als Pragmatikerin sieht und weniger als Utopistin, würde Sofia de Meyer, wenn sie könnte, der Natur Rechte geben. Dies würde konkret etwa bedeuten, dass ein Fluss ein Rechtssubjekt wird und dafür sauber gehalten werden muss. Die französische Anwältin Valérie Cabanes (52) setzt sich bereits stark für dieses Anliegen ein.
Pragmatischer ist eines der nächsten Ziele von Sofia de Meyer. Sie will Kleinunternehmen helfen, die ähnliche Wertvorstellungen haben wie sie: Wachstum erreichen, ohne die eigenen Werte aufgeben zu müssen.