Das hörte Tibits-Mitgründer Reto Frei (46) oft
«Du siehst gar nicht aus wie ein Vegetarier»

Vor zwanzig Jahren war es fast ein Highlight für Vegetarierer, wenn es im Restaurant zum Essen Gemüse gab. Dann wurde das Gemüse von der Beilage zum Star. Das freut Tibits-Mitgründer Reto Frei (46) besonders: Denn er isst, seit er sieben Jahre alt ist, nur Gemüse.
Publiziert: 30.12.2020 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2021 um 17:13 Uhr
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Beim Fischen: Reto Frei (46) mit seinem Sohn Dimitri und dessen erster – selbstgemachter – Angel.
Foto: Zvg
Barbara Ehrensperger

«Du siehst gar nicht aus wie ein Vegetarier – das höre ich nun seit bald 40 Jahren», erzählt Tibits-Mitgründer Reto Frei (46) BLICK. Vor zwanzig Jahren, als er gemeinsam mit seinen Brüdern Christian (57) und Daniel (51) sowie Rolf Hiltl (Betreiber des ältesten vegetarischen Restaurants der Welt, dem Hiltl) die Tibits-Restaurants gründete, wurde vegetarisches Essen als «komisch» angesehen.

Vegetarier seit seit fast vierzig Jahren

«Meine Mutter hat ein ganzes Poulet gemacht. Da wurde mir auf einmal sehr bewusst, dass das mal ein Tier war. Während für mich klar war, dass ich nichts davon essen würde, haben sich meine Brüder um die Flügeli gestritten», erzählt Frei. Da war er sieben Jahre alt. Seither ass er nur noch Fleisch, wenn er keine andere Wahl hatte. «Wenn ich die Tiere töten könnte, würde ich es auch essen – aber das kann ich nicht. Mir tun die Tiere leid», sagt er. Auch seine Brüder Christian und Daniel begannen sich später vegetarisch zu ernähren.

Männer brauchen Fleisch?

Noch heute muss er schmunzeln, wenn er erzählt, was für Fragen damals bei der Eröffnung des Tibits im Jahr 2000 man sich stellte. Kann man gesund leben ohne Fleisch? Bekomme ich genügend Nährstoffe? «Vor allem die Männer stellten immer die Frage: Bekomme ich genügend Proteine?», sagt Frei. Heute weiss man, dass man sich bestens abwechslungsreich vegetarisch ernähren kann – ohne Mangelerscheinungen zu haben.

«Früher war Vegetarier-Sein quasi eine Glaubenssache. Heute zählen die Umwelt-und Gesundheitsgründe mehr», meint Frei. Zudem sei man heute experimentierfreudiger. «Viele Männer sagen heute zu mir: Ich wusste gar nicht, dass vegi so fein ist». So sei es nicht mehr ausschliesslich so, dass die Frauen die Männer ins Tibits schleppen, sagt er lachend.

Früher exotischer

Zu Beginn des Tibits sei vieles für die Gäste sehr exotisch gewesen, erzählt er. «Damals hat man Kichererbsen nur in speziellen Läden bekommen, heute kann man die in jedem Laden kaufen», sagt er. Da ihnen wichtig sei, möglichst Gemüse aus der Nähe zu beziehen, gibt es im Tibits Süsskartoffeln und Quinoa aus der Schweiz und Sojabohnen aus dem Rheintal.

Etwa 60 bis 70 Prozent der Zutaten kommen laut Frei aus der Schweiz. Im Winter sei dies allerdings schwieriger, aber da legen sie den Schwerpunkt auf Wurzelgemüse und auf Tomaten verzichten sie bewusst.

«Und wir erfüllen nicht jeden Wunsch der Gäste», stellt er klar. So sei frischer Minzetee im Winter gewünscht worden, aber den hätten sie aus Marokko beziehen müssen. «Das gibt es nicht.» Getrockneter Bio-Tee aus dem Puschlav mache einfach mehr Sinn, da regional und geschmacklich genauso gut. «Wenn man es erklärt, verstehen dies die Gäste», sagt er.

Genuss ist das Wichtigste

Heute sei die Kundschaft anspruchsvoller und spezifischer geworden. Kein Gluten, keine Laktose, kein Knoblauch, keine Zwiebeln, kein Essig oder kein Rapsöl, zählt Frei die oft genannten Wünsche auf. Da sei es ein grosser Vorteil, dass sie die Buffet-Idee hatten. Heute seien beispielsweise 80 bis 90 Prozent aller Gerichte vegan.

«Das Wichtigste für uns ist jedoch, dass das Essen ein Genuss ist. Gesunde Ernährung soll nicht aus Verzicht bestehen, es soll einem gut tun!», sagt Frei . Er erwartet aber, dass der Trend noch mehr in Richtung Selbst-Optimierung geht und dass es eine gewisse Bereinigung bei den veganen Produkten gibt: «Nicht nur weil etwas vegan ist, schmeckt es und ist natürlich hergestellt».

Sohn ist Teilzeit-Vegetarier

«Mein neunjähriger Sohn ist zu 90 Prozent Vegetarier», erzählt Frei. Er probiere fast alles und sei offen für neue Geschmäcker. Das sei zu Hause natürlich vegetarisch, aber im Hort sei er nicht als Vegetarier angemeldet. Dort wähle er aus, was er möge. «Kinder sollen selber entscheiden können», ist er überzeugt. Die Eltern könnten auch in Sachen Ernährung nur vorleben.

Und erzählt dabei ganz gelassen, dass sein Sohn dafür Dinge kann, die er nicht könne: «Mein Sohn liebt das Fischen und die Natur. Er kann auch einen Fisch töten, ausnehmen und essen. Er soll diese Erfahrungen machen. Natürlich hoffe ich, dass auch er einmal einen Poulet-Moment wie ich haben wird».

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