Warm und strukturiert, so fühlt sich der Ananas-Textil-Einband an. Kühl und glatt, derjenige aus Weintrauben. Und quasi lauwarm der Kakteen-Buchdeckel. Das sind die drei Materialien, aus denen die beiden Schwestern ihre in der Schweiz handgefertigten Notizbücher herstellen lassen.
«Obwohl ich sehr digital unterwegs bin – ich habe soeben meine Multimedia-Ausbildung abgeschlossen – schätze ich mein Notizbuch ungemein. Da kann ich mir Notizen, Skizzen oder einfach Gedanken aufschreiben, ohne Blaulicht vom Laptop», erzählt Sophie Jungo (27) in ihrem gemütlichen Atelier in einem Bieler Aussenquartier.
Ihre Schwester Valérie Jungo (29), die gerade im Master Psychologie studiert, schliesst sich ihr an: «Handschriftlich etwas notieren hat einfach eine andere Bedeutung. Ziele sind so verbindlicher notiert, und zum Lernen ist es oft auch wirksamer, sich Notizen von Hand zu machen.»
So entstand vor zwei Jahren die Idee, gemeinsam eine «nachhaltige, aber edle Variante» eines Notizbuches zu entwickeln, erzählen die beiden.
Wie es zu Ananas und Kakteen kam
«Die Reste von Äpfeln, Trauben, Kaffee, Kork oder Pilzen – das sind nur einige Materialien, die wir uns angeschaut haben», erzählen sie lachend. Die beiden haben sich durch die verschiedenen Materialien getestet, die oft als «veganes Leder» angepriesen werden. «Veganes Leder gibt es nicht, es ist einfach eine Art Textil, das aus Abfällen hergestellt werden», stellt Valérie klar.
Am liebsten hätten sie von Beginn weg mit dem glatten Trauben-Material gearbeitet. Aber das klappte erst jetzt. «Wir sind so kleine Fische, dass wir sehr, sehr hartnäckig sein mussten, dass wir bei den Hersteller-Firmen auch angehört wurden», erzählen die Schwestern.
So starteten sie mit dem Ananas- und Kakteen-Einband, weil diese Lieferanten bereit waren, ihnen auch kleine Mengen zu schicken. «Wir haben eine tolle Buchbinderei in Bern gefunden, die bereit war, mit uns das Abenteuer zu wagen», sagt Sophie. Denn ob aus Pflanzenresten gute Einbände werden, musste zuerst getestet werden.
«Irgendwann mal ein Lohn»
Es klappte – und im August 2021 lancierten sie ihrem Onlineshop. Über 1000 Notizbücher haben sie seither verkauft, auch via Papeterien, die ihre Notizbücher ins Sortiment aufgenommen haben. «Andere haben Hobbys, wir unsere Notizbücher», sagen die beiden schmunzelnd. Denn sie stecken ihre Freizeit in das Projekt und seit kurzem auch etwas Arbeitszeit, denn Sophie hat ihr Arbeitspensum reduziert.
«Klar, es wäre schön, wenn wir uns irgendwann mal einen Lohn bezahlen könnten», wünschen sich die Schwestern. Es soll auch nicht nur bei Notizbüchern bleiben. Ein Bullet Journal möchten sie machen, Kurse geben und vieles mehr.
Vom Abfall zum Rohstoff
Doch zuerst wollen sie zeigen, dass nachhaltige Notizbücher, die in der Schweiz hergestellt werden, ihren Preis wert sind. So sieht die Produktion eines Notizbuches aus Ananasblättern aus: Auf den Philippinen werden die Blätter der Ananasbäume «geerntet». Früher wurden diese schlicht verbrannt, da sie nicht weiterverwertet werden konnten. Aus diesen Blättern webt eine spanische Start-up-Firma dann das Textil. Dieses ist sehr fasrig und wird oben mit Wärme veredelt.
Die beiden Schwestern beziehen von der Firma direkt das Material und liefern es der Berner Buchbinderei. Diese hat inzwischen mit CO₂-neutralem Papier aus Schweden die Buchblöcke maschinell hergestellt. «Der Rest zum fertigen Buch ist dann alles Handarbeit der drei Frauen in der Buchbinderei: Den Einband zuschneiden, die Blöcke einbinden und das Notizbuch fertigstellen», sagt Valérie Jungo.
Und den letzten Schliff verpassen die beiden dem Buch in ihrem Atelier: «Wir prägen jedes Notizbuch mit der Pflanze, aus der der Einband hergestellt wird», sagt Sophie Jungo und zeigt auf die kleine Prägemaschine in der Ecke. Und natürlich verpacken wir auch selber und manchmal liefern wir auch persönlich aus.
Hergestellt in Bern und Biel
Dass die Bücher in der Umgebung hergestellt werden, ist für die beiden Unternehmerinnen auch aus ökologischen Gründen sehr wichtig. Daher haben sie noch weitere Ideen für die Zukunft: «Wäre doch ideal, wenn die Weinbauern aus Biel nicht mehr nur Würste aus dem Trester herstellen würden, sondern der Trester auch für unsere Notizbücher verwendet werden könnte.»