Darum gehts
- Nunu Kaller verzichtete ein Jahr lang aufs Shoppen und veränderte ihr Leben
- Sie entdeckte neue Kreativität und das Shoppen im eigenen Kleiderschrank
- Kaller besass 70 Stofftaschen, reduzierte sie auf 5-6 in Dauernutzung
Nunu Kaller, Sie sind ein Jahr lang nicht shoppen gegangen, warum?
Nunu Kaller: Früher ging ich ständig shoppen, um mich von Problemen abzulenken oder nach einer grossen Arbeit zu belohnen. Das Nachhaltigkeitsargument kam erst später dazu. Erst einmal wollte ich meinem damaligen Freund beweisen, dass ich konsequent sein kann.
Was waren Ihre Erfahrungen mit dem Shoppingverzicht?
Es war gar nicht so schwer. Irgendwann war es befreiend, bei der immer schneller drehenden Trendspirale nicht mitzumachen.
Sie hielten sich wirklich an den Verzicht?
Ja. Ein paar Mal schützten mich nur die Ladenöffnungszeiten davor, etwas zu kaufen. Einmal stand ich mitten in der Nacht vor einem Schaufenster und bewunderte braune Stiefel, die ich unfassbar schön fand. Braune Stiefel waren dann auch der erste Kauf nach dem Jahr ohne Shopping. Ich habe sie heute noch und liess sie schon zweimal neu besohlen.
Was hat der Shoppingverzicht bei Ihnen bewirkt?
Er hat eine neue Kreativität gefördert: Ich habe mehr selber genäht und gestrickt – und zwar Teile, mit denen ich mich auch auf die Strasse traue (lacht). Den damals entstandenen Pullover trage ich immer noch sehr gerne. Den musste ich für drei Freundinnen nachstricken. Und ich entdeckte das Shoppen im eigenen Kleiderschrank.
Wie geht das?
Ich lasse mich von coolen Outfits inspirieren, die ich auf der Strasse gesehen habe und schaue, wie ich diese Outfits mit den Kleidern zusammenstellen kann, die ich schon im Schrank habe. Es geht darum, einen Stil nachzuempfinden, der mir gefällt. Das macht riesigen Spass.
Sie haben das Buch «Ich kauf nix!» geschrieben – wie hat jenes Jahr Ihr Leben sonst noch beeinflusst?
Es hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Denn ich begann, mich zu informieren, wo die Sachen, die ich zuvor kaufte, eigentlich herkamen. Es hat mir so sehr die Augen geöffnet, dass ich mittlerweile in dem Bereich Nachhaltigkeit und Mode arbeite.
Nunu Kaller (44) ist eine österreichische Umweltaktivistin, Autorin und Bloggerin. 2013 erschien ihr erstes Buch «Ich kauf nix». Im März 2021 veröffentlichte sie das Buch «Kauf mich! Auf der Suche nach dem guten Konsum». Im selben Jahr machte Nunu Kaller sich mit ihrer Nachhaltigkeits- und Kommunikationsberatungsagentur «Think Kallerful!» In ihrem Wohn- und Arbeitsort Wien selbstständig.
Nunu Kaller (44) ist eine österreichische Umweltaktivistin, Autorin und Bloggerin. 2013 erschien ihr erstes Buch «Ich kauf nix». Im März 2021 veröffentlichte sie das Buch «Kauf mich! Auf der Suche nach dem guten Konsum». Im selben Jahr machte Nunu Kaller sich mit ihrer Nachhaltigkeits- und Kommunikationsberatungsagentur «Think Kallerful!» In ihrem Wohn- und Arbeitsort Wien selbstständig.
Kaufen Sie seither bedeutend weniger?
Ich kaufe schon wieder, aber praktisch keine Fast-Fashion mehr. Ein Grossteil meiner Kleidung ist fair produziert und stammt aus Österreich, der Schweiz oder Deutschland. Nur bei der Sportbekleidung war es lange schwierig. Das kommt erst langsam auf ein Level, das ich als nachhaltig empfinde. Recyceltes Polyester empfinde ich nicht als nachhaltig, sondern als Greenwashing.
Was machen Sie sonst anders?
Ich kaufe besonders gerne Secondhand oder tausche Kleider mit meinen Freundinnen. Es sind schöne und qualitativ hochwertige Teile. Heute trage ich einen Pullover von Marion. Das freut mich, dass ich sie «dabei» habe.
Ihr Experiment ist schon mehr als zehn Jahre her. Seither ist Fast-Fashion noch populärer geworden. Kann man das Steuer noch herumreissen?
Die Ultra-Fast-Fashion ist noch schneller geworden, mit noch schlechterer Qualität, bei der mehr Polyester verwendet wird. Der Schlüssel liegt bei der Politik. Die Frage ist, wie wir grüne Massnahmen einführen können, ohne dass es zulasten der eigenen Wirtschaft geht. Die Produktion in der Schweiz oder in Österreich ist natürlich teurer, weil es bei uns Umwelt- und Arbeitsgesetze gibt, die wir erkämpft haben. Wenn wir die Produkte woanders kaufen, nehmen wir unsere Verantwortung nicht wahr.
Sie haben nach Ihrem Buch über das Jahr ohne Shoppen auch eines über guten Konsum geschrieben. Was ist guter Konsum?
Bei Lebensmitteln und Kleidern haben wir als Konsumenten einen starken Hebel. Immer mehr Unternehmen bieten nachhaltige Dinge an, aber wenn wir immer mehr kaufen, ist niemandem geholfen. Ein Kollege von mir hat den schlauen Satz gesagt: Wir müssen aufhören, das Thema Verzicht negativ zu besetzen. Der Grossteil unserer Gesellschaft hier steckt im Überkonsum. Ihnen würde es nicht wehtun, weniger zu konsumieren.
Die Wirtschaft muss am Laufen gehalten werden.
Da fragt sich, welche Wirtschaft? Es ist etwas anderes, zum Schreiner zu gehen, um sich etwas Hochwertiges anfertigen zu lassen oder beim Billiganbieter etwas zu kaufen, wofür rumänische Wälder abgeholzt wurden.
Viele Menschen wollen bewusst leben, sind vegan und fahren Velo, aber beim Shoppen werden sie schwach. Wie gelingt der Einstieg ins bewusste Shoppen?
Bei jedem liegt der Schalter zum Umlegen woanders, bei mir waren es die Kleider. Wenn man sich überlegt, was man besser machen kann, sind Mobilität, Ernährung und das Wohnen die grossen Hebel. Man muss nicht gleich alles richtig machen. Wichtig ist, dass es in die richtige Richtung geht.
Ihr letztes Projekt drehte sich um das Thema «Verbrauchen». Worum geht es?
Ich habe mir vorgenommen, Dinge aufzubrauchen, die ich besitze. Viele Verpackungen sind so designt, dass ich einen Rest nicht rauskriege und dann Neues kaufen muss. Wir haben auch viele Dinge im Haushalt, die wir nicht nutzen: Küchengeräte zum Beispiel. Oder Stofftaschen. Ich besass 70 dieser Taschen! Jetzt sind noch fünf oder sechs in Dauernutzung, die andern habe ich an gute Orte weitergegeben.