Auf dem Teller statt im Abfall
Hier werden Tonnen von Essen gerettet

Statt im Abfallcontainer von Detailhändlern landen die Esswaren in Lenzburg AG auf Festbänken. Alle zwei Wochen dürfen sich Menschen mit wenig Einkommen bei «Aufgetischt statt weggeworfen» bedienen.
Publiziert: 07.11.2021 um 16:17 Uhr
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So sieht es bei einer Verteilaktion von «Aufgetischt statt weggeworfen» in Lenzburg AG aus.
Foto: zVg
Barbara Ehrensperger

Die fünf Festbank-Tische im Innenhof der katholischen Kirche in Lenzburg AG sind vollgepackt mit Essen. Für die Menschen, die sich hier bedienen, ist es der Überlebensproviant für zwei Wochen.

Freiwillige Helferinnen und Helfer vom Verein «Aufgetischt statt weggeworfen» haben die Lebensmittel kurz zuvor bei Detailhändlern in der Region abgeholt und kontrolliert, ob die Kühlvorschriften eingehalten wurden.

Sandra Vombach (43), Co-Leiterin der Organisation, muss fast nichts mehr koordinieren, die Helferinnen und Helfer kennen sich bestens aus. Schliesslich findet die Lebensmittelabgabe seit gut sechs Jahren alle zwei Wochen statt.

«Der Lohn reicht nicht für die ganze Familie»

«Ich habe drei Kinder, mein Mann arbeitet Vollzeit – aber ich kann nur zwei Stunden arbeiten gehen», erzählt eine junge Frau, die Lebensmittel abholt. Sie sei froh, dass sie hier versorgt werde, dann der Lohn reiche nicht für die ganze Familie. Via die Gemeinde ist sie zu der gelben Karte gekommen, die sie für den Lebensmittelbezug braucht.

«Ich nehme nur Sachen, die ich kenne und kochen kann – nicht, dass etwas weggeworfen werden muss», erklärt sie. Dass die Sachen kurz haltbar sind, stört sie nicht: «Dann koche ich sie eben bald».

Veganer Käse und gute Stimmung

Die Helferinnen und Helfer unterstützen die Menschen bei der Auswahl und erklären, was für Lebensmittel es sind. Der vegane Käse findet in der ersten Runde wenig Anklang.

Die Stimmung auf der Kirchplatz ist heiter, obwohl es hier für viele Menschen existenziell ist, dass sie Essen bekommen können. Spontan spielt ein Kirchenmitarbeiter mit seiner Gitarre ein paar Lieder und ein Mädchen singt dazu. «Wir schätzen das sehr», erzählt Vombach.

Zum Schluss findet dann auch der vegane Käse Interessenten. Was übrig bleibt, nehmen die Helfenden mit nach Hause oder bringen es in den öffentlichen Kühlschrank «Madame Frigo».

Wer haftet?

«Für die Helfenden dauert ein Einsatz rund drei Stunden, aber für uns als Co-Leiterinnen ist die Arbeit etwas grösser», erklären Sandra Vombach und Sabin Nater (36).

Vor allem die Gründung des Vereins im Jahr 2015 sei aufwändig gewesen. «Wir wollten das ganz unkompliziert machen: Einfach Essen davor bewahren, dass es weggeworfen und dabei Menschen unterstützen, die es brauchen können».

So simpel ging es aber nicht: Denn die Lebensmittelverkäufer übernehmen keine Haftung mehr, sobald die Waren die Rampe verlassen. «Wir konnten und wollten nicht mit unseren privaten Vermögen haften, falls es irgendwo doch Salmonellen oder so drin haben sollte». So entstand der Verein «Aufgetischt statt weggeworfen», der die Haftung übernimmt.

300 Kilo Lebensmittel gerettet

Schätzungsweise 300 Kilogramm Lebensmittel werden so jeden zweiten Mittwoch gerettet. «Ja, man könnte noch mehr retten», so Nater. Aber sie möchten nur so viele Abende anbieten, wie sie als Gruppe auch stemmen können. «Es bringt niemandem etwas, wenn wir das zwei Monate lang, jeden zweiten Abend machen, aber dann niemanden mehr finden, der hilft und so das Angebot stirbt.»

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Wichtig ist den beiden Frauen auch, dass das Angebot regional bleibt, damit sie mit den Autos nicht zu weit fahren müssen. Beide wohnen und leben in der Region Lenzburg.

Die Stadt vergibt die gelben Bezugskarten und die Kirche stellt den Platz zur Verfügung. Die «Missione catolica», die am Kirchplatz ihren Treffpunkt hat, spendet für jede Verteilaktion Pasta, Zucker und Mehl, damit es auch davon immer genug für alle hat. Ein regionaler Kreislauf ohne Verschwendung.

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