7 Fragen an ETH-Klimaforscher Erich Fischer
«Nun wissen wir ganz sicher – der Klimawandel ist menschengemacht»

Der Weltklimarat (IPCC) warnt in einem neuen Bericht vor den drastischen Folgen des Klimawandels. Der Schweizer Klimawissenschaftler Erich Fischer (42) erklärt im Interview mit Blick den Ernst der Lage.
Publiziert: 09.08.2021 um 20:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2021 um 11:27 Uhr
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Erich Fischer (42) hat beim Bericht des Klimarates als Hauptautor in der Arbeitsgruppe für naturwissenschaftliche Grundlagen mitgewirkt.
Foto: ALESSANDRO DELLA BELLA
Janina Bauer

Der Weltklimarat (IPCC) hat am Montag einen neuen Lagebericht zum Klimawandel veröffentlicht. Das Ergebnis ist eindeutig: Die globale Erwärmung schreitet schneller voran als erwartet. Schuld daran ist der Mensch. Als einer von fünf Schweizer Autorinnen hat auch Klimawissenschaftler Erich Fischer (42) von der ETH Zürich am Bericht mitgearbeitet.

Blick: Was war Ihre Aufgabe als Wissenschaftler bei der Erstellung des IPCC-Berichts?
Erich Fischer:
Ich habe als Hauptautor in der Arbeitsgruppe für naturwissenschaftliche Grundlagen gearbeitet. Wir waren ein Team von 234 Leuten aus aller Welt – von Senegal über Südkorea bis Kanada. Wir haben das Wissen aus 14'000 Studien zum Klimawandel zusammengetragen und ausgewertet, um zu schauen, welche Aussagen verlässlich sind und für welche Fragestellungen noch mehr Forschung notwendig ist. Aus den Ergebnissen werden dann Zukunftsszenarien abgeleitet.

Was haben Sie herausgefunden?
Was wir ganz sicher wissen, ist, dass der Klimawandel Menschen gemacht ist. Die Klimavorhersagen aus den 1980er- und 90er-Jahren haben sich bewahrheitet. Der Bericht nimmt ausserdem direkten Bezug auf Wetterextreme wie die kürzlichen Starkregenfälle in der Schweiz, Deutschland und Belgien. Wir wissen also: Der Klimawandel ist keine Frage der Zukunft mehr, sondern wir stecken mittendrin. Für die Zukunft wissen wir jetzt, dass wir selbst im optimistischsten Szenario bereits in den 2030er-Jahren mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit die 1,5-Grad-Marke aus dem Pariser Klimaabkommen erreichen werden – seit 2013 sind wir diesem Ziel bereits zwei Zehntel Grad näher gekommen.

Welche Auswirkungen hätte das auf die Schweiz?
Im Mittelland und in den Städten rechnen wir mit einer starken Zunahme von Starkniederschlag und Hitzetagen. Im Alpenraum sind die Gletscher und der Permafrost gefährdet. Starkniederschläge können dort zu Schlammlawinen und Erdrutschen führen. Wie stark sich das weiter verändert, hängt direkt mit der globalen Erwärmung zusammen. Können wir die Erdtemperatur stabilisieren oder nicht? Der Bericht zeigt: Jedes Zehntel Grad macht einen Unterschied. Das gilt auch für die Schweiz.

Welche klimapolitischen Massnahmen müssen in der Schweiz umgesetzt werden, um Schäden zu verhindern?
Der Bericht schreibt keine politischen Massnahmen vor. Er zeigt aber, was es brauchen würde, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Dann müssten bereits in diesem Jahrzehnt die Treibhausgasemissionen global sinken und der Kohlenstoffausstoss bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null erreichen. Die Politik muss zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Abkommen – und von Technologie bis hin zu steuerlichen Anreizen alle Möglichkeiten nutzen.

Was kann denn der Mensch im Einzelnen tun?
Das Problem ernst nehmen und den eigenen Lebensstil hinterfragen. Sich zu überlegen: Wo leiste ich den grössten Beitrag zu den Emissionen?

Kritiker des Klimawandels sagen oft, dass die Schweiz zu klein ist, um mit Massnahmen einen Unterschied zu machen.
Es ist genau gleich wie beim Steuern zahlen. Mein Beitrag an den Steuern ist zwar klein, aber die Summe macht den Unterschied. Jeder muss seine Steuern zahlen, weil wir wissen, dass auch der kleinste Haushalt einen Beitrag leistet. Das ist beim Klimawandel und den Treibhausgasemissionen nicht anders.

Der neue Bericht zeigt: Die Lage ist ernst. Haben Sie noch Hoffnung?
Ich habe immer Hoffnung, denn ich bin ein Optimist. Positiv ist, dass die Klimawissenschaft immer besser gehört wird. Dennoch ist und bleibt die Lösung des Problems eine Herkules-Aufgabe. Dafür müssen alle an einem Strang ziehen.

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