Diese Wissenschaftler bringen die Schweiz vorwärts
So geht «Querdenken» richtig

Sie denken wirklich «quer»: Schweizer Wissenschaftler, die fachübergreifend nach Lösungen für aktuelle Probleme suchen – und so das Land nicht spalten, sondern vorwärtsbringen. Mit Bio-Batterien und Mini-Motoren.
Publiziert: 16.12.2021 um 16:05 Uhr
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Aktualisiert: 17.12.2021 um 11:07 Uhr
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Madame Beton: Barbara Lothenbach forscht daran, wie Beton Hunderttausende von Jahren nicht erodiert.
Foto: Beat Geyer
Silvia Tschui

Das Wort «querdenken» ist in Verruf geraten – es bezeichnet heute weniger den Prozess des aussergewöhnlichen Hirnens, sondern eher lautes, polteriges «Schwurbeln». Wer hingegen ständig «denkt» und oft auch «quer», also über den eigenen Tellerrand hinausblickt, sind Wissenschaftler. Ihnen verdankt die Schweiz gemäss diversen weltweiten Rankings, bereits im elften Jahr das innovationstechnologisch führende Land der Welt zu sein.

Wir stellen Ihnen hier vier Forscher vor, die mit ihrer fächerübergreifenden Forschung die Welt verändern könnten. Neben den berühmten technischen Hochschulen ETH Zürich und EPFL in Lausanne spielt dabei auch die Materialforschungsanstalt Empa eine führende Rolle.

Oliver Gröning hat den kleinsten Motor der Welt entwickelt

Nur sechzehn Atome gross ist der kleinste Motor der Welt – er misst nicht einmal einen Nanometer und ist also rund hunderttausendmal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haars. «Damit sind wir nahe am absoluten Grössenlimit für molekulare Motoren», erklärt Oliver Gröning (52), Leiter der Forschungsgruppe für funktionelle Oberflächen an der Empa. Er hat gemeinsam mit seinem Team und Forschern der EPFL den Minimotor entwickelt. Eigentlich erforscht Gröning Kohlenstoffverbindungen. Der neu entwickelte Motor könnte in Zukunft Energiegewinnung auf atomarer Ebene ermöglichen. Als Nebeneffekt zeigt er auch quantenphysikalische Effekte auf, die zur Lösung diverser ungelöster physikalischer Quantenphänomene beitragen könnten. Wissenschaftsblogger wie der bulgarische Mathematiker Anton Petrov mit fast einer Million Followern nennen die Entwicklung dieses Motors deshalb auch die «grösste ingenieurstechnische Leistung des letzten Jahrhunderts».

Gustav Nyström entwickelt kompostierbare Batterien

Der Materialforscher und Nanotechnologe Gustav Nyström (40) ist ein Tausendsassa: Er doziert an der ETH Zürich über Gesundheitstechnologie und leitet an der Empa das Forschungslabor für Zellulose und Holzmaterialien. Was bodenständig klingt, ist in Wahrheit höchst komplex: Nyström erforscht mit seinem Team Holzstrukturen auf Nanoebene und setzt diese Erkenntnisse in höchst ungewöhnliche Ingenieurs-Wunder um: etwa kompostierbare, ungiftige Minibatterien. Oder Parkettböden, die beim Betreten Strom erzeugen. Oder eine nahezu gewichtslose Holz-Silber-Nano-Konstruktion, in dicker Folienform, die elektromagnetische Strahlung nahezu vollständig abschirmt. Oder ein neues Ohr gefällig? Ein neuartiges, druckbares Material auf Nanozellulosebasis soll in der Zukunft abgenutzten oder verletzten Knorpel ersetzen könne. Kein Wunder, nennen Forscherkollegen Nyström den «Holzmagier».

Corsin Battaglia will Europa zum Batterie-Mekka machen

Corsin Battaglia (44) steht unter Strom – er ist sozusagen der Meister der Batterien. Normalerweise forscht ein Forscher an einer Anwendung oder an einer Grundlage. Nicht so Battaglia. Er entwickelt gleich mehrere Anwendungen gleichzeitig, die alle umweltschonender sein sollen als die heutigen Möglichkeiten zur Speicherung von Energie. Aufladbare Batterien auf Salzwasserbasis sollen der Zwischenspeicherung dienen. Battaglia arbeitet aber unter anderem auch an der nächsten Generation von Batterien für Elektroautos. Das Ziel, gemeinsam mit diversen EU-Arbeitsgruppen und Ausschüssen, ist hoch gesteckt: Man will nichts anderes, als den asiatischen Herstellern, die momentan den Markt für die Elektroauto-Batterien dominieren, den Rang ablaufen.

Barbara Lothenbach entwickelt Beton für den Fall der Fälle

Eigentlich studierte Barbara Lothenbach (56) Biologie. Heute versucht sie Leben zu schützen – indem sie an der Empa den Beton der Zukunft entwickelt. Genauer gesagt forscht sie daran, wie man Beton CO2-ärmer herstellen könnte. Die Herstellung von Beton ist für sieben Prozent des globalen CO2-Ausstosses verantwortlich. Lothenbach entwickelt aber auch einen für die Lagerung radioaktiver Abfälle optimierten Beton. 100'000 bis eine Million Jahre soll der dicht halten – damit auch künftige Generationen sicher vor unserem «strahlenden» Erbe bleiben.


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