Was ist für einen langen, erholsamen Schlaf wichtig?
Routine ist die wichtigste Voraussetzung für einen guten Schlaf, sagt Schlafexpertin Helen Slawik, Oberärztin am Zentrum für Stress- und Schlafstörungen an der Universitätsklinik Basel. Wer immer ungefähr zur gleichen Zeit zu Bett geht und am Morgen aufsteht, wird sich erholter fühlen. Wie aber findet man heraus, wann die optimale Schlafenszeit ist? Slawik rät: «Stell dir vor, wann du auf einer einsamen Insel schlafen gehen würdest. Dort hast du keine beruflichen oder sozialen Verpflichtungen.» Auch wie viele Stunden Schlaf ein Mensch braucht, ist sehr individuell. Laut einer am 28. April 2022 veröffentlichten Studie der University of Cambridge sind sieben Stunden die optimale Schlafdauer, Slawik rät aber eher zu acht. Zu wissen, wie viel Schlaf man selbst braucht, ist einfach: «Bezeichnend ist, dass man nach regelmässigem Schlaf am Tag erholt ist», sagt Slawik.
Was soll ich beim Schlafengehen vermeiden?
Expertin Slawik rät davon ab, das Handy vor dem Zubettgehen zu benützen. Der hohe Anteil an Blaulicht hemmt die Ausschüttung des Schlafhormons Melantonin und führt dazu, dass wir nicht einschlafen können. Doch auch wer den «Nachtmodus» beim Handy aktiviert und so weniger blauem Licht ausgesetzt ist, wird nicht erholsam schlafen: Das Smartphone zieht uns wieder ins Tagesgeschehen rein und löst Stress aus. Besser ist es, vor dem Zubettgehen ein Buch zu lesen. Auch eine ruhige Schlafumgebung ist wichtig für einen tiefen Schlaf. Verkehrsgeräusche, helles Licht oder ein Haustier im Zimmer können stören. Es ist also ratsam, das Schlafzimmer möglichst dunkel und ohne Ablenkung zu halten. Ausserdem sagt Slawik: «Schau während der Nacht nicht auf die Uhr.» Der Blick auf die Uhr kann Stress auslösen, insbesondere bei Menschen, die schon mit einer Schlafstörung zu kämpfen haben. «Wenn die Uhr erst drei anzeigt, beginnt man sich Sorgen zu machen, ob man den Rest der Nacht noch schlafen kann», sagt die Expertin. So versucht man den unkontrollierbaren Schlaf zu kontrollieren, was den selbstverständlichen Schlaf dann unerreichbar macht.
Was sind Ursachen für eine Schlafstörung?
Die meisten Schlafstörungen werden durch Stress im Job oder im Privatleben ausgelöst. Diese Stressfaktoren können sich im Laufe des Lebens ändern. So sorgen sich die meisten jungen Erwachsenen um den Jobeinstieg, während viele sich in ihren 30er-Jahren in einer stressigen Sandwichposition zwischen Job und Kinderwunsch befinden. Bei den 40- bis 50-Jährigen sind Trennungen ein akuter Stressfaktor, und bei älteren Menschen kommen häufig körperliche Beschwerden wie eine schwache Blase dazu. «Unter Seniorinnen und Senioren sind Schlafstörungen verbreitet. Das gehört aber auch zum normalen Alterungsprozess», sagt Slawik. Wirklich problematisch wird es, wenn sich die Schlafstörung verselbständigt. Der Auslöser spielt dann keine Rolle mehr, die Schlafstörung wird zur Gewohnheit. Zehn Prozent der Menschen klagen über eine chronische Schlafstörung.
Was kann ich gegen Schlafstörungen tun?
«Beherzige deine Schlafhygiene und leg dich nicht am Tag nochmals hin», sagt die Expertin. Schlafen am Tag lindere zwar die akute Müdigkeit, der Schlafrhythmus werde aber so nur noch mehr durcheinandergebracht. Ausserdem ist es für Menschen mit Schlafstörung ratsam, sich die verstärkte Aufmerksamkeit auf den Schlaf abzugewöhnen. «Leg nicht alles auf die Goldwaage, das ist kontraproduktiv», sagt Slawik. Viel wichtiger seien Entspannungsphasen: Treib Sport, meditiere und praktiziere Achtsamkeit. Letzteres ist eine Form der Meditation, die dem Buddhismus entstammt. Der Fokus liegt hierbei darauf, Momente sehr bewusst zu erleben, auf körperliche Empfindungen zu achten, ohne sie zu bewerten. So schafft man einen Abstand zwischen Reiz und Reaktion und lindert Stress.
Was ist, wenn das nichts nützt? Kann ich professionelle Hilfe holen?
Nützt Obengenanntes alles nichts, lohnt sich der Gang zum Hausarzt. Schlafstörungen können auch ein Symptom für eine Schilddrüsenerkrankung oder Blutarmut sein. Wenn das nicht der Fall ist, kann eine schlafbezogene Psychotherapie helfen. An der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel wird diese als zweiwöchige stationäre Therapie angeboten. Neben Gesprächen, Gruppentherapien und Aktivitäten wie Sport versuchen die Ärztinnen, die Schlafzeit auf sechs Stunden zu verkürzen. «Obwohl dies anfangs müder macht, hilft die Erhöhung des Schlafdrucks, wieder kontinuierlich zu schlafen», sagt Slawik. Das Ziel ist es, ungesunde Schlafangewohnheiten zu durchbrechen. Besonders wichtig sei es ausserdem, die Schlafstörung zu akzeptieren und herauszufinden, wie man im Alltag trotzdem funktionieren kann. Wer schlecht schläft, muss aber nicht für immer leiden: Schlafstörungen sind gut behandelbar. Schwierig wird es nur, wenn man jahrzehntelang nichts macht. «Die Symptomatik muss nicht unbedingt schlechter werden, die Gewohnheit wird aber immer stärker», sagt Slawik, «dementsprechend schwieriger wird die Behandlung.»
Was soll ich bei der Behandlung meiner Schlafstörung vermeiden?
Alkohol oder Schlaftabletten können zwar kurzfristig gegen eine Schlafstörung helfen, sie zerstören aber den Tiefschlaf. «Schlafmittel soll man nicht länger als vier Wochen einnehmen», sagt Slawik. Ansonsten kann eine Schlafkontinuitätsstörung ausgelöst werden. Laut der Expertin leidet man dann neben den körperlichen Symptomen auch an einer psychischen Abhängigkeit vom Schlafmittel. Viele Betroffene haben das Gefühl, ohne nicht mehr einschlafen zu können.