Schweizer Designpreise 2024
Dieses Schweizer Design ist offiziell exzellent

Letzte Woche wurden vom Bundesamt für Kultur die Schweizer Designpreise verliehen. Wir zeigen acht von den sechzehn Gewinnern.
Publiziert: 16.06.2024 um 09:56 Uhr
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Die Grafikerinnen Simone Farner und Naima Schalcher arbeiten hauptsächlich für den Verlag Hier + Jetzt.
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Silvia TschuiGesellschafts-Redaktorin

Im einfachsten Sinne hilft uns gutes Design, uns zurechtzufinden, Dinge intuitiv zu verstehen und zu benutzen oder unser Leben einfach schöner und angenehmer zu machen. Im erweiterten Sinne sind die Fragen, die sich Designerinnen und Designer in ihrer Arbeit stellen, aber ein elementarer Bestandteil des Fortschritts. Nicht nur, weil sie sich mit der Herstellung, Funktionalität und Ästhetik von Gegenständen und auch Prozessen auseinandersetzen, sondern weil sie sich dafür auch alter sowie neuer Technologien bedienen. Dadurch bewahren sie diese, prägen sie aber auch mit und entwickeln sie weiter.

In vielen Fällen ist diese oft von eigenem Interesse und Forschergeist getriebene Arbeit nicht gerade lukrativ. Umso wichtiger die Eidgenössischen Förderpreise für Design, die für die Gewinnerinnen zum einen etwas Geld abwerfen, zum anderen aber auch der Vernetzung und Sichtbarkeit dienen. Insgesamt sechzehn Gewinner werden dieses Jahr mit je 25'000 Franken ausgezeichnet. Acht davon stellen wir hier vor. 

Textildesign: Annina Arter

Ein Foulard von Annina Arter.
Foto: Annina Arter

Auf den Stoffen der freischaffenden Textildesignerin Annina Arter (37) platzt die Natur aus allen Nähten, und es gibt ständig Neues zu entdecken: Blumen haben Affenköpfe, eine Art Mischung aus Leuchtturm, Eule und Kaffeekanne lugt über wild wuchernde Beeren, Korallen wachsen im Wald, und manchmal wächst auch Architektur sozusagen organisch in den bunten Reigen. Verspielt, wild, bunt und humorvoll sind die Kompositionen und Collagen der an der Hochschule Luzern in Textildesign ausgebildeten Künstlerin. Leider gibt es diese bis anhin nur als Foulards zu kaufen – die grossflächigen Tapeten und Vorhänge, die besonders reich anzusehen sind, sind hauptsächlich in Kunsthäusern wie im Berner Kaiserhaus oder in einzelnen Ausstellungen zu sehen. Sie sind mit einem grandiosen Auge für Form und Textur und stets mit einem Augenzwinkern aus historischen botanischen Illustrationen, eigenen Zeichnungen und Fotografien zusammengesetzt. 

Textildesign: Augmented Weaving

Augmented Weaving arbeitet an der Schnittstelle zwischen Digital- und Handwerkskunst.
Foto: Augmented Weaving

Sie bewegen sich an der Schnittstelle von alter Handwerkskunst und Digitalisierung: Flavia Bon (40) und Anita Michaluszko (50) alias Augmented Weaving entwerfen nicht nur reale Gewebe, sondern auch solche, die nur im digitalen Raum funktionieren. Ursprung ihrer gewebten Textilkunst sind aber immer Prinzipien des Handwerklichen. An der Amsterdam Fashion Week haben sie auf konventionellen Techniken beruhende und entwickelte Kleidungsstücke digital holografisch auf einen Laufsteg projiziert.

Jedes Kleidungsstück wirkt tragbar, verhält sich aber gleichzeitig so, als würde es die Gesetze der Schwerkraft ausser Kraft hebeln. So entstand eine poetische Show, die einen von Realitäten in anderen Dimensionen und Gegebenheiten träumen lässt. Bon und Michaluszko haben beide Modedesign an der Hochschule für Design und Kunst Basel (FHNW) studiert. In ihrer Arbeit ist ihnen auch wichtig, Handwerkstechniken zu digitalisieren, um sie so zu bewahren. Dies, weil sie es als die für uns Menschen höchstmögliche Form von Perfektion ansehen, eine Handwerkskunst auf höchstem Niveau zu beherrschen. Indem sie digitalisiert wird, wird sie auch konserviert. Im Gegenzug dazu ist es bei einem digital entworfenen Kleidungsstück schwierig, vermeintliche Imperfektionen darzustellen, um ein Stück so natürlich wie möglich erscheinen zu lassen. Die beiden Disziplinen Handwerk und Digitalisierung befruchten und erweitern sich deshalb in der Arbeit von Augmented Weaving gegenseitig. 

Grafikdesign: Simone Farner & Naima Schalcher

100 Bücher haben Simone Farner und Naima Schalcher gestaltet.
Foto: Simone Farner & Naima Schalcher

Simone Farner (44) und Naima Schalcher (46) haben an der Hochschule der Künste Bern und an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) ihr Studium in Visueller Kommunikation abgeschlossen. Sie arbeiten seit einigen Jahren zusammen in Zürich und haben seit dem Jahr 2017 insgesamt 100 unterschiedlichste Bücher gestaltet. Meist mit historischem oder wissenschaftlichem Material, nach denselben, auf sich aufbauenden Designprinzipien.

Sie sichten zunächst das Quellenmaterial, das nicht unbedingt auf Ästhetik ausgerichtet ist. Aus den Handschriften, der Textstruktur, der Sprache und den mitgelieferten Bildern und Dokumenten versuchen sie dann, Elemente zu finden, die sie als roten Faden in der Gestaltung benutzen und dabei visuell kommentieren. Viele der Bücher, die allesamt eigene Kunstwerke sind, entstanden für den Verlag Hier + Jetzt. 

Grafikdesign: Sylvan Lanz

Eine neue Schrift für den FCB von Sylvan Lanz.
Foto: Sylvan Lanz

Man kann sich als Grafiker, der sich für Typografie interessiert, wohl keinen cooleren Job ergattern, als dies Sylvan Lanz (31) geschafft hat: Er hat für den FC Basel eine Schrift gestaltet, die jetzt auf den Trikots, als Rückennummer der Spieler oder auf den Spielstand-Anzeigentafeln zum Einsatz kommt. Lanz hat sich hierfür durch historische Schriften auf Trikots, durch die typografische Geschichte des Klubs wie auch durch die typografische Identität Basels durchgeackert und eine Schrift entwickelt, die in verschiedenen Varianten existiert, etwa mit eckigen oder gerundeten Ecken, und trotzdem stets als dieselbe Schrift erkennbar ist. Sylvan Lanz lebt und arbeitet – natürlich – in Basel. Ist ja klar, der Klub hätte diesen Auftrag wohl kaum einem Zürcher erteilt. 

Fotografie: Lena Amuat & Zoë Meyer

Ein mathematisches Modell, dokumentiert von Lena Amuat und Zoë Meyer.
Foto: Lena Amuat & Zoë Meyer

Kunst und Technik scheinen manchmal zwei entgegengesetzte Welten zu sein. Dabei fussen jedes künstlerische Werk und jede technische Errungenschaft auf denselben menschlichen Eigenschaften: Kreativität und Abstraktionsvermögen. Nur die «Sprache» unterscheidet sich.

Kreativität im technischen Bereich fusst oftmals auf der Sprache der Mathematik – und diese ist, sobald es um höhere Mathematik geht, wohl sozusagen eine «Reinform» des Abstraktionsvermögens. Eine ungemeine menschliche kreative Leistung ist es, aus dieser Sprache wiederum visuelle Modelle abzuleiten, um abstrakte Konzepte auch anderen näherzubringen. Doch diese visuellen Modelle verschwinden zusehends, sie werden durch Modelle im digitalen Raum ersetzt.

Die beiden Künstlerinnen Lena Amuat (47) und Zoë Meyer (45) interessieren sich seit dem Jahr 2009 für mathematische Modelle in wissenschaftlichen Sammlungen und reisen immer wieder durch ganz Europa, um diese zu dokumentieren. Ihre Arbeit, die mittlerweile rund 200 gerahmte C-Prints umfasst, ist nicht nur Hommage an den menschlichen Erfinder- und Abstraktionsgeist, sondern auch eine wissenschaftshistorisch wichtige Dokumentation. 

Fotografie: Taje

Taje dokumentiert die eigene geschlechtsangleichende Entwicklung.
Foto: Mahalia taje Giotto

Mahalia Taje Giotto (32) aus Lausanne schreibt über sich, schon immer trans gewesen zu sein. Damit gehen naturgemäss unzählige Fragen zu Körper, Sexualität und Identität einher. Nach einem Master in Fotografie an der Lausanner Kunsthochschule Ecal dokumentiert Taje die eigene persönliche geschlechtsangleichende Behandlung fotografisch und benutzt hierzu Bild/Text-Collagen und diverse fotografische Mittel. Taje gelingt so ein eindringlicher Blick darauf, was es bedeutet, in unserer Gesellschaft anders zu sein. Man kann sich über den aktuellen Diskurs zum Thema Geschlecht, Non-Binarität oder Transrechte ärgern, weil es gefühlt nur eine kleine Minderheit betrifft und das Thema momentan überall zu sein scheint. Man kann aber auch der Meinung sein, dass es einer Gesellschaft guttut, wenn Menschen, die sich anders fühlen als die Norm, einen Platz finden und angstfrei durchs Leben gehen können. Denn die Zahlen sind klar: Sechs Prozent aller Menschen in der Schweiz fühlen sich gemäss einer letztjährigen Umfrage nicht eindeutig als Mann oder Frau, als non-binär oder trans. Rechnet man das auf die Schweizer Bevölkerung hoch, bezeichnen sich rund 500'000 Menschen als non-binär oder trans. Und das sind nun doch ziemlich viele. Zeit, dass sie ganz normal sichtbar sind.

Produktdesign: Beat Baumgartner

Produktdesign zum Essen: Instant-Tortelloni – Instelloni von Beat Baumgartner.
Foto: Beat Baumgartner

Der Berner Produktdesigner Beat Baumgartner (35) hat 2022 an der Lausanner Kunsthochschule Ecal sein Studium abgeschlossen. Er findet sich mit seinen preisgekrönten Instelloni an der Schnittstelle zwischen Produktdesign und Lebensmitteltechnologie wieder. Einfacher gesagt: Er hat eine Instant-Pasta entwickelt, die den gängigen Produkten aus Supermärkten so einiges voraus hat: Die Instelloni sind aus lokalem Getreide, genauer gesagt Emmer, hergestellt. Für den Geschmack lässt er den Emmer mit zwei verschiedenen Verfahren fermentieren, bevor er die Pasta daraus herstellt. Das Gemüse und die Gewürze in der Instant-Packung stammen aus Überproduktionen und verringern so Foodwaste. Plastikfrei, lokal produziert, gesund, schmeckt – top! 

Produktdesign: Meret Walther

Meret Walthers Experimente mit ballonartigen Strukturen führten zu einer Schmuckkollektion.
Foto: Meret Walther

Meret Walther (28) hat im Jahr 2022 an der Genfer Kunsthochschule (HEAD) ihren Bachelor in Produktdesign abgeschlossen. Seither kennt ihre Karriere nur eine Richtung: sehr, sehr steil nach oben. Praktika als Schmuckdesignerin bei den High-End-Modehäusern Bottega Veneta und Louis Vuitton, ein Jahr später bereits die erste Festanstellung als Schmuckdesignerin bei Prada in Mailand. Die Schmuckkollektion, die sie nun beim Schweizer Designpreis eingereicht hat, ist eine eigenständige Arbeit – Walthers Ziel ist es, sich schliesslich als selbständige Schmuckdesignerin zu etablieren. Fasziniert von der Vergänglichkeit von Ballonen hat Walther mit verschiedenen Materialien experimentiert, die die Eigenschaften von Ballonen zeigen, diese aber auch sozusagen «haltbar» machen. Sie verwendete hierfür Glas, Epoxyharz, Metall und andere Materialien und diverse Techniken – von Experimenten mit Vakuumpumpen, die sie auf dem Flohmarkt gefunden hat, bis hin zu elaborierten 3D-Designprogrammen. Entstanden ist eine verspielte Schmuckkollektion mit sieben verschiedenen Objekten. 


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