Ausgezeichnetes Design
Diese Schweizer Produkte verbessern die Welt

Am Freitag wurde der Schweizer Designpreis verliehen. Diese fünf prämierten Produkte lösen diverse Probleme.
Publiziert: 04.11.2023 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2023 um 10:05 Uhr
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Design für die letzte Reise. https://minamonsef.ch/
Foto: Mina Monsef

Die Schweiz hat vieles, worauf sie stolz sein kann: direkte Demokratie, Schokolade, Uhren, Wohlstand, Innovationsgeist – und seit Jahrzehnten auch Design. Seit Typografiegrössen wie Max Miedinger und Adrian Frutiger ab Ende der 1940er-Jahre Schriften wie Helvetica, Univers und Frutiger entwickelten und zu weltweitem Ruhm brachten, ist Schweizer Design in seinem Minimalismus und in seiner formschönen Funktionalität ein Begriff. Auch im Produktdesign können wir uns sehen lassen: Der Sparschäler, der Landistuhl, die Bahnhofsuhr oder etwa USM-Haller-Büromöbel sind alles weltweite Exportschlager – Schweizer Design ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Um das hiesige Designschaffen zu fördern, werden regelmässig verschiedene Designpreise verliehen. Einer davon ist der Design Preis Schweiz, der alle zwei Jahre in Langenthal BE Objekte und Projekte prämiert, die bereits oder fast schon marktreif sind. Unterstützt wird der Netzwerkevent der Schweizer Designbranche von Institutionen wie Stiftungen, Hochschulen, Volkswirtschaftsdepartementen verschiedener Kantone und diverser Partner aus der Industrie.

Und da gutes Design ja nicht nur schön sein soll, sondern vielmehr unser Leben einfacher und besser machen soll, hat sich der Preis dieses Jahr leicht verändert. Neu sind drei Kategorien: «Circular Design» zeichnet Produkte oder Innovationen aus, die das Ende eines Produkts von Anfang an mitdenken und deshalb nachhaltig sind. «Food Design» soll unseren Umgang mit Nahrungsmitteln und Ressourcen reflektieren. Und schliesslich soll «Inclusive Design» ein Augenmerk auf Produkte und Ideen richten, die das Leben für oft übersehene Randgruppen einfacher machen sollen.

Fünf der am Freitag prämierten Produkte stellen wir hier vor. Vielleicht ist ja ein zukünftiger Klassiker dabei – wie einst der Sparschäler. 

Ein T-Shirt, das es in sich hat

Dieses Shirt ist aus einer neuartigen, komplett recycelbaren Faser, die Polyester ersetzen könnte.

Sieht, ehrlich gesagt, nach nicht so viel aus, dieser Preisträger. Ein ganz normales T-Shirt halt. Doch der Schein trügt: Dieses Kleidungsstück namens «Dual Circuit Shirt», das übrigens dank einer Zusammenarbeit mit Behörden im Zivildienst zum Einsatz kommen wird, ist aus einer neuartigen Kunstfaser gewoben. Chemiker und Entwickler der Schweizer Firma OceanSafe haben eine neuartige Textilfaser namens naNea entwickelt, die mit Polyester vergleichbar ist.

Das Gute an der Faser, gemäss internationaler Zertifizierung des unabhängigen US-Instituts Cradle to Cradle, das kreislaufwirtschaftliche Effizienz zertifiziert: Beim Waschen löst sich kein Mikroplastik, und sie ist erst noch vollständig recycelbar respektive biologisch abbaubar. Für die Modeindustrie, eine der grössten Dreckschleuderindustrien auf dem Planeten, könnte dies eine Kehrtwende bedeuten: Immerhin bestehen 50 Prozent aller Textilien heutzutage aus Polyester. Je mehr davon durch naNea ersetzt wird, desto besser. 

Im siebten Himmel

Fluoreszierenden Pudding gibts im Restaurant Rosi.
Foto: Marie-Christine Gerber

Wann haben Sie zum letzten Mal in eine Wolke gebissen? Oder ein Stück Licht am Gaumen zerdrückt? Nie? Das lässt sich ändern. Und zwar im Restaurant Rosi an der Sihlfeldstrasse 89 in Zürich. Sternekoch Markus Stöckle kreiert dort aus so ungewohnten Dingen wie fluoreszierenden Pilzen noch ungewohntere Mahlzeiten. Wobei «Mahlzeit» für die Kunstwerke auf den Tellern wohl das falsche Wort ist. Vielmehr handelt es sich bei den Kompositionen nicht nur um kulinarische Höhenflüge, sondern auch um Denkanstösse: So soll etwa die fluoreszierende Terrine unter anderem daran erinnern, dass Pilze nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl Uran anreicherten – und somit «strahlten». Bei Stöckle kommt Weltgeschichte auf den Teller. Und gut aussehen und schmecken tuts auch noch. 

Wo Design gut fürs Herz ist

Die clever gefaltete Membran 3Fold umschliesst den Herzschrittmacher in wenigen Handgriffen.

Wer einen Herzschrittmacher benötigt, hat danach einen Fremdkörper in der Brust – und darauf reagiert der eigene Körper mit einer Abstossungsreaktion. Umhüllt man den Schrittmacher aber mit einem eigens dafür entwickelten Gewebe, respektive einer Art Membran, minimiert sich diese Reaktion. Das Problem dabei für den Chirurgen: Bei der Operation gilt es, den Herzschrittmacher möglichst schnell und möglichst keimfrei, also ohne Berührungspunkte in die Membran zu bringen, bevor man ihn in die Brust implantiert. Und hier kommen Studierende der Hochschule für Gestaltung Zürich ins Spiel: Sie verwandelten die Membran mittels einer Art Origami-Falttechnik zu einer Art Applikator namens 3Fold. Das Einsetzen des Schrittmachers in die Membran ist so mittels weniger Handgriffe keimfrei möglich. Dies erspart dem Chirurgen rund zehn Minuten – während der Operation ist dies eine halbe Ewigkeit, die Leben retten kann. 

Einfach mal setzen …

Neuer Stuhl in Schweizer Designtradition, dessen Einzelteile austauschbar sind.
Foto: Simone Vogel

Zugegeben: So wirklich neu sieht das Design dieses Parkstuhls nicht aus. Vielmehr steht es in der visuellen Tradition Schweizer Designs, das seit den 1950er-Jahren unsere Möbel definiert: klare Linien, kein Schnickschnack, auf Bequemlichkeit und Funktionalität ausgelegt. Neu ist am «Park Chair» hingegen die ökologische Komponente: Sämtliche Einzelteile des Stuhls lassen sich ersetzen und reparieren, wodurch das Möbel langlebig ist und so Ressourcen spart. 

… und dereinst in Würde gehen

Schwamm und Baumwolle statt Plastikbecher und -stäbchen zur Befeuchtung der Lippen.
Foto: Mina Monsef

Die Modedesignerin Bitten Stetter überrascht immer wieder mit unkonventionellen Ideen. In ihrer neusten Arbeit nimmt sie sich mit ihren Mitstreiterinnen Tina Braun und Andrea Roca unserer letzten Reise an. Und so unangenehm das Thema auch ist, noch unangenehmer ist das Eingeständnis, dass die Umstände oft eine würdelose Sache sind: in einem Spitalumhang, der hinten offen ist, umgeben von unschönen Gegenständen wie Plastikbechern.

Die drei Designer um das Projekt «Finally.» haben deshalb nicht nur Kleidung, sondern auch Gegenstände entwickelt, die das Sterben würdevoller machen: etwa ein Handyhalter am Handgriff über dem Bett, wenn die Drehung zum Nachttisch zu viel Mühe macht. Oder schöne, leicht zu greifende Schnabeltassen aus Porzellan, die das Trinken erleichtern. Oder weiche, ästhetisch ansprechende Spitalkleidung. Eigentlich ist die Kategorie «Inclusive Design» hier falsch: Denn sterben werden wir einst alle, inkludieren müssen wir dabei niemanden. Und wir sind alle dereinst vielleicht froh, wenn wir dabei mit den Objekten von «Finally.» umgeben sind. 

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