Josef Zotter trägt einen blauen Schuh. Und einen roten. Josef Zotter ist ein Exzentriker, und er hat im ländlichen Nichts der Steiermark eine der besten Schokoladen-Manufakturen der Welt aus dem Boden gestampft. Wer den Chocolatier besucht, kommt natürlich nicht umhin, die Schleckereien zu degustieren. «Schokolade darf man nie kauen», rät der Experte. «Man muss sie im Mund zergehen lassen, damit sie ihr volles Aroma entfaltet.» Also lutschen und saugen wir an Amaretto-Marzipan, blauem Krachmohn und Nougat mit Fruchtflakes und fühlen uns wie im Genusstempel für Schoggiholics.
Die Steiermark ist eine Genussregion
Unterwegs sind wir im Thermenland, dem südöstlichsten Zipfel der Steiermark. Das österreichische Bundesland ist hierzulande vor allem für seine Unesco-geehrte Hauptstadt Graz (siehe Box), die Ausläufer des Salz kammerguts und die Skigebiete bekannt. Die Teilregion «Thermenland» wird von ausländischen Touristen bis dato kaum besucht. Doch das könnte sich bald ändern – nicht zuletzt wegen der Zotter-Schokoladen, die international auf dem Vormarsch sind. Insgesamt stehen fast 400 Schoggiprodukte zur Auswahl. Darunter auch solche aberwitzigen Kreationen wie Käse, Holz, Schweineblut oder Fisch – in kundenfreundlichen Mengen, versteht sich. Josef Zotter liebt das Ungewöhnliche. Überhaupt scheint das Thermenland ein Spielplatz für schräge Käuze zu sein. Im Örtchen Kaag beispielsweise schraubte ein Bauer über 20 Jahre lang an einer Weltmaschine herum: ein monströses Ungetüm aus Trödelladen-Kitsch, das sich dreht, rattert und quietscht. Der Sinn: keiner.
Wellness- und Thermaldestination
Im Gegensatz zum alpinen Rest des Bundeslandes ist das Landschaftsbild im Thermenland milder, ein Mix aus Appenzellerland und Thurgau, allerdings mit einer gehörigen Portion Feuer unter dem Füdli. Hier brodelten einst Vulkane. Die Feuerriesen sind mittlerweile verstummt und von Wind und Wetter abgeschliffen, im Innern kocht es dennoch weiter und mineralreiches Wasser gelangt an die Oberfläche, in das man in insgesamt sechs Thermalbädern eintauchen kann.
Wir haben das Basislager für unsere kleine Auszeit vom Alltag in der aussergewöhnlichsten Therme der Region aufgeschlagen: im Wellnesshotel Rogner Bad Blumau, entworfen von niemand Geringerem als dem Künstler und Architekten Friedensreich Hundertwasser – ein weiterer Exzentriker, der dieser Region seinen Stempel aufgedrückt hat. Typisch Hundertwasser ist die Architektur: rund, bunt und verspielt. Die begrünten Wohnhäuser erheben sich aus der Landschaft wie die erkalteten Vulkane der Region. Nach einem Tag «on the road» gibt es eine Stempelblüten-Massage mit Ringelblumen – alles Bio, versteht sich – und ein Bad im 36 Grad warmen Thermalbecken. Im angenehmen Nass säuselt Entspannungsmusik: die Ohren unter Wasser, die Nase Richtung Sternenhimmel, klingt der Tag aus.
Unterwegs auf kulinarischen Themenwegen
Klar, dass die meisten Besucher wegen des Wellnessangebots ins Grenzland zu Slowenien reisen. Doch sollte man es nicht versäumen, auch die Welt ausserhalb der Thermalbäder zu erkunden (dafür eignet sich auch besonders ein Velo oder E-Bike). Wir entdecken Landstrassen, kaum breiter als das Auto, winzige Bauerndörfer, Burgen auf Vulkanschloten, Weinberge und immer wieder Wälder. Die Steiermark ist ein Waldland. Und, so scheint es, schlussendlich führen alle Wege zu einem Buschenschank – die steirische Variante einer Besenbeiz. Hier gibt es nebst lokalem Wein die typischen Erzeugnisse der Region: herzhaftes vom Schwein, erdige Käse und Salate mit steirischem Kürbiskernöl, ohne das hier kaum ein traditionelles Gericht auskommt. «Ohne Kernöl ist ein Salat kein Salat», sagt man hier.
Das Thermenland ist eben auch eine Region für Gaumengeniesser (insgesamt gibt es in der gesamten Steiermark 20 ausgewiesene Genussregionen). Neben Wellnessen, Wandern oder Velofahren sollte man hier vor allem eines tun: seine Diätvorsätze über Bord werfen und sich durch die lokalen Produkte futtern – luftgetrocknete Schinken, Käse, Obstbrände, Käferbohnen (eine Spezialität), Champagner, Spargel. Mehrere Themenwege führen zu den kreativsten Gastwirten und Produzenten.
Die Zotter-Schokolade ist derzeit (noch) der bekannteste Verkaufsschlager der Region. Bei unserem Besuch streckt mir Josef Zotter freudig einen Löffel mit flüssiger Schoggi entgegen. «Wie schmeckt die?» – «Schokoladig, süss, gut», antworte ich zögerlich. «Da sind Mehlwürmer drin. Insekten sind mein nächstes Projekt», sagt der Querdenker. Schnell greife ich zu «Erdbeere-Limette».
Die Grazer haben einen Komplex. «Wir sind immer die Zweiten hinter Wien. Dabei sind wir eigentlich die Ersten», betont man hier in einer Mischung aus Minderwertigkeitsgefühl und Stolz: zweitgrösste Stadt, zweitgrösste Universität, weit abgeschlagen in den Besucherzahlen. Dennoch sind die Grazer überzeugt: In keiner Stadt lebt es sich so gut wie hier.
Die Bewohner haben allen Grund, stolz zu sein. Nicht zuletzt wegen dreier Auszeichnungen, welche die 300 000-Seelen-Stadt eingeheimst hat. Nebst europäischer Kulturhauptstadt (2003) ist die Grazer Altstadt Unesco-Welterbe (1999). Das komplett erhaltene Ensemble ist die grösste mittelalterliche Altstadt der Region. Einen ersten Überblick über die Lage am Fluss Mur erhält man vom Schlossberg aus oder, wer nicht so viele Stufen laufen will, vom Restaurant im Edelkaufhaus Kastner & Öhler in der Altstadt.
Graz war immer schon Handelsstadt (heute ist es die Autoindustrie), dementsprechend üppig ist hier die Architektur. Die meisten Häuser der Altstadt stammen aus der Renaissance mit typischen Arkaden und Innenhöfen (sehenswert), in denen sich Cafés und Restaurants angesiedelt haben. Mit den ersten Sonnenstrahlen werden die Tische nach draussen gestellt: Mittelmeerflair.
Die dritte Auszeichnung kam 2011 dazu: Unesco City of Design. Damit werden Städte gewürdigt, die sich besonders um die Förderung kreativer Köpfe kümmern. Empfehlenswert ist ein Spaziergang durch die Mariahilferstrasse. Wo vor einigen Jahren noch Rotlicht-Etablissements das Bild prägten, ist ein aufstrebendes Trendviertel entstanden mit Designshops und pfiffigen Bars.
$Wer einen neuen Haarschnitt braucht, sollte sich einen Termin in der «Haarschneiderei» ergattern: ein Coiffeursalon wie eine Vintage-Galerie. Auffälligster Neuzugang im Grazer Stadtbild ist das Kunsthaus aus dem Jahr 2003, das im Sinne der «Blob-Architektur» designt ist. Wie ein gigantischer Kaugummi (oder ist es ein Wal, ein Raumschiff?) sitzt der Bau inmitten der historischen Bausubstanz, die sich in der Glasfassade spiegelt: eine Symbiose aus Alt und Neu, auf welche die Grazer besonders stolz sind. www.graztourismus.at
Die Grazer haben einen Komplex. «Wir sind immer die Zweiten hinter Wien. Dabei sind wir eigentlich die Ersten», betont man hier in einer Mischung aus Minderwertigkeitsgefühl und Stolz: zweitgrösste Stadt, zweitgrösste Universität, weit abgeschlagen in den Besucherzahlen. Dennoch sind die Grazer überzeugt: In keiner Stadt lebt es sich so gut wie hier.
Die Bewohner haben allen Grund, stolz zu sein. Nicht zuletzt wegen dreier Auszeichnungen, welche die 300 000-Seelen-Stadt eingeheimst hat. Nebst europäischer Kulturhauptstadt (2003) ist die Grazer Altstadt Unesco-Welterbe (1999). Das komplett erhaltene Ensemble ist die grösste mittelalterliche Altstadt der Region. Einen ersten Überblick über die Lage am Fluss Mur erhält man vom Schlossberg aus oder, wer nicht so viele Stufen laufen will, vom Restaurant im Edelkaufhaus Kastner & Öhler in der Altstadt.
Graz war immer schon Handelsstadt (heute ist es die Autoindustrie), dementsprechend üppig ist hier die Architektur. Die meisten Häuser der Altstadt stammen aus der Renaissance mit typischen Arkaden und Innenhöfen (sehenswert), in denen sich Cafés und Restaurants angesiedelt haben. Mit den ersten Sonnenstrahlen werden die Tische nach draussen gestellt: Mittelmeerflair.
Die dritte Auszeichnung kam 2011 dazu: Unesco City of Design. Damit werden Städte gewürdigt, die sich besonders um die Förderung kreativer Köpfe kümmern. Empfehlenswert ist ein Spaziergang durch die Mariahilferstrasse. Wo vor einigen Jahren noch Rotlicht-Etablissements das Bild prägten, ist ein aufstrebendes Trendviertel entstanden mit Designshops und pfiffigen Bars.
$Wer einen neuen Haarschnitt braucht, sollte sich einen Termin in der «Haarschneiderei» ergattern: ein Coiffeursalon wie eine Vintage-Galerie. Auffälligster Neuzugang im Grazer Stadtbild ist das Kunsthaus aus dem Jahr 2003, das im Sinne der «Blob-Architektur» designt ist. Wie ein gigantischer Kaugummi (oder ist es ein Wal, ein Raumschiff?) sitzt der Bau inmitten der historischen Bausubstanz, die sich in der Glasfassade spiegelt: eine Symbiose aus Alt und Neu, auf welche die Grazer besonders stolz sind. www.graztourismus.at
Hinkommen
Mit der Swiss direkt von Zürich nach Graz oder alternativ mit dem Zug in etwa 10 Stunden ohne Umsteigen von Zürich. www.swiss.com; www.sbb.ch
Informationen
Die steirischen Spezialitäten (auch online bestellbar)
Zotter-Schokoladen: www.zotter.at
Schinken-Spezialitäten: www.vulcano.at
Edelbrände und Essig: www.goelles.at
Käferbohnen: www.baecksteffl.at
Kernöl: www.berghofer-muehle.at
Hinkommen
Mit der Swiss direkt von Zürich nach Graz oder alternativ mit dem Zug in etwa 10 Stunden ohne Umsteigen von Zürich. www.swiss.com; www.sbb.ch
Informationen
Die steirischen Spezialitäten (auch online bestellbar)
Zotter-Schokoladen: www.zotter.at
Schinken-Spezialitäten: www.vulcano.at
Edelbrände und Essig: www.goelles.at
Käferbohnen: www.baecksteffl.at
Kernöl: www.berghofer-muehle.at