Sex und Drugs zwischen Havanna und dem Himalaja
Helge Timmerberg, Die rote Olivetti
Immer mit dabei: Der Reisejournalist und Schriftsteller Helge Timmerberg (64) zog nur mit seiner roten Olivetti, einer Reiseschreibmaschine, durch die Welt. Und mit einem Vorrat an Marihuana. «Ich war immer dann gut, wenn ich meine Texte bekifft geschrieben habe», sagt der Weltenbummler. «Wenn ich nüchtern war, kamen meine Texte vom Verlag zurück.»
Die Drogen haben ihre Wirkung getan: Strassenjargon, Journalistendeutsch und poetischen Schilderungen mixt Timmerberg, ohne sich um stilistische Konventionen zu scheren. Manche Sätze sind so kunstvoll komponiert, man möchte sie mehrmals lesen. Ebenso wenige Tabus kennt der Lebemann bei der Schilderungen seiner Eskapaden. Liebschaften, Drogen, persönliche Ängste, innere Abgründe: Timmerbergs Reiseberichte sind immer auch ein Blick auf sein eigenes Leben. Zur Freude des Lesers lebte und lebt Timmerberg so exzessiv, dass keine Langeweile aufkommt.
Der gebürtige Deutsche, der mittlerweile in St.Gallen und Wien lebt, zählt zu den berühmtesten Reiseschriftstellern im deutschsprachigen Raum. Seine Texte erschienen im Stern, der Bunten, im Playboy oder Tempo und in mittlerweile 14 Büchern. Nun ist sein neustes Buch erschienen: «Die rote Olivetti. Mein ziemlich wildes Leben zwischen Bielefeld, Havanna und dem Himalaja». Darin beschreibt Timmerberg die Stationen seines journalistischen Schaffens von den Anfängen als 17-Jähriger, über seine goldenen Jahre in Havanna bis hin zur Entscheidung, nur noch Bücher zu veröffentlichen. Das Buch ist nicht nur eine journalistische Biografie, sondern auch ein packendes Stück Reiseliteratur - Sex, Drugs und Lebensweisheiten inklusive. Highlight ist die Schilderung seiner Zeit in Havanna, die ein Kuba zeigt, das durch die neusten politischen Entwicklungen zu verschwinden droht.
Helge Timmerberg, Die rote Olivetti. Piper Verlag, 240 Seiten. 28.90 Franken. www.piper.de
Entlang des heiligen Flusses
Ilja Trojanow, An den inneren Ufern Indiens
Ilja Trojanow (50), 1965 in Bulgarien geboren, ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist, der für seine detaillierten Reisereportagen bekannt ist. Während eines mehrjährigen Aufenthalts in Indien bereiste Trojanow den heiligen Fluss Ganges von der Quelle bis zur Mündung. Der längste Fluss Indiens gilt den Hindus als Ursprung der Welt und – wenn man an seinen Ufern stirbt – als das Tor zum Nirvana. Dementsprechend legendenumwittert sind der Fluss und seine heiligen Stätten. Im Buch «An den inneren Ufern Indiens» nimmt Trojanow den Leser mit auf eine Reise in Booten, Bussen und überfüllten Zügen zu den Mythen Indiens. Entstanden ist ein lesenswerter Mix aus Reportage und Erzählung.
Ilja Trojanow, an den inneren Ufern Indiens. Malik Verlag, 208 Seiten. 21.90 Franken. www.piper.de
Ist das Ende ein Anfang?
Roger Willemsen, Die Enden der Welt
Roger Willemsen, der in diesem Jahr überraschend verstarb, galt als einer der letzten Feingeister Deutschlands. In seinen Büchern und Reiseberichten zeigt sich seine grosse Neugier auf fremde Kulturen und deren Menschen. In «Die Enden der Welt» geht Willemsen auf die Suche nach geografischen und persönlichen Endpunkten. Mal steht er am Kap der Guten Hoffnung oder im südlichen Patagonien, wo die Welt tatsächlich aufzuhören scheint, mal sinniert er über Erfahrungen an einem Bahnhof in Myanmar (Birma). In feinen Beobachtungen, die er in starke Sprachbilder kleidet, lässt Willemsen die Besonderheiten der verschiedenen Regionen und Kulturen lebendig werden. Ein Buch für Leser, die sich an der Schönheit der deutschen Sprache erfreuen und literarisch in ferne Welten reisen wollen.
Roger Willemsen, die Enden der Welt. Fischer Verlag, 544 Seiten. 22.90 Franken. www.fischerverlage.de
Über Land von Berlin nach Bangkok
Tiziano Terzani, Fliegen ohne Flügel
Eine Prophezeiung über einen Flugzeugabsturz bewegt den italienischen Asien-Korrespondenten Tiziano Terzani (1938 – 2004) dazu, ein Jahr nur über Land zu reisen. Die aussergewöhnliche Fortbewegung ermöglicht ihm einen neuen Blick auf die fernöstliche Kultur. Mit seiner detaillierten und respektvollen Beobachtungsgabe beschreibt Terzani in «Fliegen ohne Flügel – Eine Reise zu Asiens Mysterien» ein Asien im Umbruch zwischen Tradition und Moderne. Das Buch ist ein Muss für alle Asien-Liebhaber und solche, die es werden wollen.
Tiziano Terzani, Fliegen ohne Flügel. Goldmann, 480 Seiten. CHF 14.90. www.randomhouse.de
Die Gemächlichkeit einer Schiffsreise
Cees Nooteboom, Schiffstagebuch
«Wer Nooteboom liest, wird erleuchtet», schrieb ein Literaturkritiker einst. Ob die Werke des Schriftstellers Cees Nooteboom (82) tatsächlich die Erleuchtung beschleunigen, mag jeder Leser selbst entscheiden. Sicher ist: Die Reiseberichte des Niederländers sind grossartige Literatur. In seinem Buch «Schiffstagebuch» macht sich Nooteboom (meist) per Schiff zu fernen Ländern auf und entdeckt dabei die Vorzüge dieser langsamen Reiseart. Entstanden ist ein intensiver Bericht, der den Leser nach Indien, Australien, Spitzbergen und Südamerika führt.
Cees Nooteboom, Schiffstagebuch. Suhrkamp Verlag, 283 Seiten. 16.50 Franken. www.suhrkamp.de