Kein Baby in Sicht
Was ein Kinderwunschcoach Paaren versprechen kann

Wenn ein Paar kein Kind zeugen kann, ist die Belastung oft gross. Hier kommt Kinderwunschcoach Nicole van der Graaf ins Spiel. Sie erklärt, wie Betroffene dem eigenen Glück oftmals selbst im Weg stehen.
Publiziert: 29.01.2025 um 12:08 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2025 um 15:46 Uhr
Foto: Shutterstock

Auf einen Blick

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Der unerfüllte Kinderwunsch ist ein grosses Tabu. Kaum ein betroffenes Paar spricht offen darüber mit seinem Umfeld. Schmerz, oft auch Scham und Selbstzweifel, sind zu gross. Gefühle wie Neid und Trauer führen dazu, dass Betroffene sich zurückziehen und isolieren. «Hält dieser Zustand lange an, können daraus tiefe seelische Verletzungen und langfristige Traumata entstehen», sagt Nicole van der Graaf (51). Sie ist als Kinderwunschcoach tätig und begleitet Menschen, bei denen eine Schwangerschaft nicht wie geplant klappt, dabei, wieder glücklich zu werden. 

Zu ihr in die Praxis kommen seltener Paare als Frauen allein. «Bei Frauen löst ein unerfüllter Kinderwunsch oft existenzielle Ängste aus. Männer gehen die Sache rationaler an. Sie können sich eher vorstellen, auch ohne Kinder glücklich zu sein.» Allerdings fühlen sich Männer oft hilflos und ohnmächtig, wenn sie ihre Partnerin leiden sehen. «Wenn ich betroffenen Frauen helfe, helfe ich immer auch dem Mann, weil es ihm besser geht, sobald es ihr besser geht.»

Das Missverständnis über Kinder und Glück

Die Ungewissheit, ob man jemals Eltern werden kann, sei oft das Belastendste an der Situation – das Bangen zwischen Hoffnung und Enttäuschung. «Mir sagte einmal eine Betroffene, dass es sich jeden Monat so anfühle, als würde jemand sterben, wenn sie weiss, dass es wieder nicht geklappt hat.» Tatsächlich hat die Trauer nach einem Todesfall ähnliche Komponenten wie die Trauer um den Verlust des Selbstbildes in der Elternrolle. «Betroffene Frauen denken oft, dass sie, wenn sie nur endlich Mutter sind, auch glücklich sein werden.»

Kinderwunschcoach Nicole van der Graaf begleitet Paare mit mentaler Beratung, Meditation und Hypnose an. Sie bietet auch die Ausbildung zum Kinderwunschcoach an und führt einen Podcast zum Thema.

Das sei ein Missverständnis. Studien zeigen: Kinder machen nicht glücklich. «Und das ist auch nicht ihre Aufgabe», stellt van der Graaf fest. «Glücklich zu sein und sich selbst zu spüren, ist ein Prozess, der am besten vor dem Kind kommt.»

Ein gestresster Körper wehrt sich gegen eine Schwangerschaft

Diesen Prozess anzustossen, sieht Nicole van der Graaf als ihre Hauptaufgabe. «Viele Frauen sind so fixiert auf den Kinderwunsch, dass sich alles in ihrem Leben nur darum dreht», erklärt die Expertin. Nicht selten beeinträchtigt die Situation den Alltag der Betroffenen zu 80 Prozent oder mehr. «Manche Frauen schauen ständig auf ihre Fruchtbarkeits-App. Sie richten Ernährung, Hobbys, Ferien und vieles mehr nach dem Kinderwunsch aus. Ihren Männern erlauben sie zum Teil nicht einmal mehr, die Sitzheizung im Auto zu benutzen. Das führt zu permanentem Stress.»

Diesen Druck loszulassen, sei ein wichtiger Schritt, um die Chancen auf eine Empfängnis zu erhöhen, ist van der Graaf überzeugt. «Früher glaubte man, das habe keinen Einfluss. Heute wissen wir, dass der Körper unter Dauerstress in den Überlebensmodus wechselt und in diesem Zustand viel weniger bereit ist, ein neues Leben mit Energie und Ressourcen zu versorgen.»

In der Kinderwunschzeit die Beziehung stärken

Hinzu kommt, dass Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ihre Sexualität oft nur noch als Mittel zum Zweck ansehen. «Betroffene Paare verlieren während der Kinderwunschzeit oft den Blick für das, was sie eigentlich miteinander verbindet», sagt der Coach. Hier könne man direkt ansetzen: «Ich empfehle ihnen, sich auch andere gemeinsame Ziele zu setzen. Eine Reise zu planen, ein gemeinsames Hobby zu pflegen oder einfach bewusst Zeit miteinander zu verbringen – das hilft, die Beziehung zu stärken und den Kinderwunsch nicht permanent in den Vordergrund zu stellen.»

Ein riesiges Geschäft ohne Garantie

Während Paare, deren Kinderwunsch sich nicht wie geplant erfüllt, die Ursachen medizinisch abklären lassen und eventuell den Weg einer künstlichen Befruchtung wählen, sei der Coachingansatz noch immer nicht fester Bestandteil der psychologischen Bewältigung. Meistens kommen die Paare erst zu ihr, wenn sie verzweifelt sind und nicht mehr weiterwissen. «Idealerweise sollte die Unterstützung früher einsetzen», findet van der Graaf. Manche Kliniken empfehlen zwar Psychologen oder Kinderwunschcoaches, doch werde noch zu wenig kommuniziert, dass es dieses Angebot gibt. 

Die vier Wege der künstlichen Befruchtung

Von unerfülltem Kinderwunsch sprechen Fachpersonen, wenn innerhalb eines Jahres trotz ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft eintritt. Dies trifft auf rund 10 bis 15 Prozent der Paare zu. In der Schweiz suchen deswegen jährlich mehr als 6000 Paare medizinische Unterstützung mithilfe einer künstlichen Befruchtung. Dieser Begriff umfasst vier Behandlungsmöglichkeiten:

  • Innerhalb des weiblichen Körpers ist die hormonelle Stimulationstherapie mit oder ohne Insemination möglich.
  • Die Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers geschieht durch In-vitro-Fertilisation (IVF) oder Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).

Die medizinische Unterstützung garantiert keine Schwangerschaft. Bei einer natürlichen Befruchtung innerhalb des weiblichen Körpers liegt die Erfolgsquote unter optimalen Bedingungen pro Zyklus bei 20 Prozent. Bei Paaren mit Empfängnisproblemen sinkt der Wert auf 8 bis 14 Prozent, wie die Klinik für Reproduktionsendokrinologie am Universitätsspital Zürich auf Anfrage erklärt. Bei der Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers liegen die Erfolgschancen auf eine Schwangerschaft bei 35 bis 40 Prozent pro Behandlungszyklus. Diese Werte können jedoch im Einzelfall stark variieren.

Von unerfülltem Kinderwunsch sprechen Fachpersonen, wenn innerhalb eines Jahres trotz ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft eintritt. Dies trifft auf rund 10 bis 15 Prozent der Paare zu. In der Schweiz suchen deswegen jährlich mehr als 6000 Paare medizinische Unterstützung mithilfe einer künstlichen Befruchtung. Dieser Begriff umfasst vier Behandlungsmöglichkeiten:

  • Innerhalb des weiblichen Körpers ist die hormonelle Stimulationstherapie mit oder ohne Insemination möglich.
  • Die Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers geschieht durch In-vitro-Fertilisation (IVF) oder Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).

Die medizinische Unterstützung garantiert keine Schwangerschaft. Bei einer natürlichen Befruchtung innerhalb des weiblichen Körpers liegt die Erfolgsquote unter optimalen Bedingungen pro Zyklus bei 20 Prozent. Bei Paaren mit Empfängnisproblemen sinkt der Wert auf 8 bis 14 Prozent, wie die Klinik für Reproduktionsendokrinologie am Universitätsspital Zürich auf Anfrage erklärt. Bei der Befruchtung ausserhalb des weiblichen Körpers liegen die Erfolgschancen auf eine Schwangerschaft bei 35 bis 40 Prozent pro Behandlungszyklus. Diese Werte können jedoch im Einzelfall stark variieren.

«Die Reproduktionsmedizin schürt grosse Hoffnungen. Viele Paare unterschätzen die Belastung und überschätzen die Chancen, die der medizinische Weg mit sich bringt», gibt van der Graaf zu bedenken. «Sie investieren mehrere Zehntausend Franken in die künstliche Befruchtung – und erhalten dadurch dennoch keine Garantie, dass sie ein Kind haben werden. Sicherheit gibt es nie. Diesen Fakt müssen Paare akzeptieren.»

Lebensglück ist möglich – mit oder ohne Kind

Lebensglück hingegen sei möglich, ist van der Graaf überzeugt. «Ich habe vor 15 Jahren mit einem klaren Ziel angefangen: Bei mir wird jede Frau schwanger!» Mittlerweile habe sich dieser Leitsatz verändert. Er lautet jetzt: «Jede Frau kann ein erfülltes und glückliches Leben führen. Das kann ich versprechen.»

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