Putzfrauen sind in der Literatur unterprivilegierte, aber starke Figuren
Die gute Fee räumt als Racheengel ab

Viele Schriftstellerinnen machen Putzfrauen zu Heldinnen ihrer Krimis: Oft rächen sich die Unterprivilegierten an ihren Arbeitgebern in den Herrenhäusern. Zur Blick-TV-Enthüllungsserie «Undercover – Die Schweiz putzt schwarz» ein Blick in die Literatur.
Publiziert: 17.02.2021 um 07:38 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 22:33 Uhr
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Die Schweizer Schriftstellerin Milena Moser …
Daniel Arnet

Heiteres Beruferaten: Welcher Tätigkeit geht diese Romanfigur nach? «Sie konnte sich, meist allein, in fremden Wohnungen aufhalten und so tun, als wäre sie jemand anderes. Sie lebte mit ihren Kunden mit. Sie las ihre Briefe, probierte ihre Kleider an und trank ihren Wein aus dem Kühlschrank. Sie stand ihnen näher, als ihnen wohl bewusst war. Sie wusste alles, was es zu wissen gab.»

Schauspielerin? Einbrecherin? Detektivin? Nein, Irma ist Reinigungskraft und die Hauptfigur im Bestsellerroman «Die Putzfraueninsel» (1991) der Schweizer Schriftstellerin und Kolumnistin im SonntagsBlick Magazin Milena Moser (57). Irma putzt zwar nicht schwarz wie die Blick-TV-Reporterin in der Enthüllungsserie «Undercover», dafür bringt Irma bei der Familie Schwarz so manches ans Tageslicht. Das Buch wurde 1996 mit Jasmin Tabatabai (53) in der Hauptrolle verfilmt.

Autorin Moser ist bei weitem nicht die Erste und schon gar nicht die Einzige, die das Spannungspotenzial der Putzfrau erkannte. Aber es sind auffällig viele Autorinnen, die sie zur Hauptfigur von Kriminalromanen machen.

Putzfrau Titelfigur bei Agatha Christie

Aktuelle Beispiele: Die Deutsche Yvonne Schwegler (47) schreibt «Eiskalt weggewischt» (2019), worin Theres Fugger, die Reinigungskraft in der Polizeidirektion Heidelberg, ermittelt; die Österreicherin Sabine Kunz veröffentlicht «Die Saubermacherin» (2020) mit der balkanstämmigen Millie, die Agentin eines internationalen Spionagenetzwerks von Reinigungskräften ist; und die Französin Julie Masson (45) erzählt in «Madame Bertin steht früh auf» (2018) von der selbst ernannten «Miss Marple von Paris», die sich als Putzfrau verkleidet, um einen Mörder aufzuspüren.

Doch bereits die britische Altmeisterin Agatha Christie (1890–1976, «Der Tod auf dem Nil») machte die Putzfrau 1952 zur Titelfigur im Hercule-Poirot-Krimi «Mrs McGinty’s Dead», der auf Deutsch unter dem Titel «Vier Frauen und ein Mord» erschien. Wie im englischen Original unschwer zu erkennen ist, ist die ältere Dame McGinty hier die Leiche. Aber sie wird erst zum Opfer, weil sie als Putzfrau in einem Haushalt ein Foto sieht, was sie zur Mitwisserin einer Vertuschung macht.

Putzfrau entscheidet, was Müll ist

Ein Wissen, das sie nicht besitzen sollten und das ihnen Macht verleiht: Das ist der Mix, der Putzfrauen explosiv macht. Nur schon durch die Ausübung ihrer Arbeit haben sie die Macht darüber zu entscheiden, ob etwas Gebrauchsgegenstand oder Müll ist. Und wenn dann die Putzfrau Mrs. Brown in der Erzählung «Art Work» (1993) der preisgekrönten Britin A. S. Byatts (84) aus dem Müll einer Künstlerwohnung selber Kunst macht und in eben dieser Galerie ausstellen kann, die den Hausherrn abwies, dann ist das eine Machtdemonstration.

Und es ist eine Racheaktion – auch der Autorinnen. Viele dieser Bücher lassen sich nämlich als feministische Literatur lesen: Da die Putzfrau, die Erbin des Dienstmädchens aus dem 19. Jahrhundert, die aus unterer sozialer Schicht stammt und im Gegensatz zum Dienstmädchen meist noch einen Migrationshintergrund hat. Dort das bürgerliche Herrenhaus, in dem sie sich bewegt – störend und doch unentbehrlich. Es ist das klassische Herren-Knecht-Verhältnis – und die Bücher darüber darf man durchaus als eine Revolte dagegen sehen. Denn Rache ist süss.

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