Alle Folgen und Artikel zu «Undercover» finden Sie fortlaufend auf www.blick.ch/undercover
Wenn ich mich heute frage, was mich in den Wochen der Recherche zum «Undercover»-Einsatz am meisten geärgert hat, bin ich unentschlossen. Meine Naivität oder die Unverfrorenheit der Kunden?
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass meine potenziellen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch so schnell zur Sache kämen. «Würdest du auch schwarz arbeiten?» war oft schon die Einstiegsfrage. Natürlich hatte ich mich im Vorfeld schlaugemacht – und Studien gelesen, dass drei von vier Putzfrauen in der Schweiz «schwarz» arbeiten. Also ohne Rechnung, ohne Versicherung, ohne Sozialleistungen – auf eigenes Risiko. Ich dachte: Das ist halt eine Studie, die wenig mit dem wahren Leben zu tun hat. Schon gar nicht in der reichen Schweiz.
Kunden verwehren sich dem Arbeitsvertrag
Ich wurde eines Besseren belehrt. «Das bringt ja alles nüt!», meinte der erste Interessent nur lapidar. Auch andere Kunden (männlich, alleinstehend, zwischen 35 bis 45 Jahre alt) hielten nichts von einer offiziellen Anstellung. Sie machten sich nicht einmal die Mühe, sich in ein ordentliches Licht zu rücken. Tenor der Vorstellungsgespräche: ich Chef, du nix.
Trotzdem: Auch ohne Arbeitsvertrag habe ich mich auf diverse Jobs eingelassen. Zum Beispiel bei Kurt*, bei dem ich erst mal die ganze Wohnung aufräumen durfte: Überall lagen gebrauchte T-Shirts und Hosen rum, auf den Tischen übervolle Aschenbecher, in der ganzen Wohnung stank es penetrant nach Schweiss und Rauch. Nicht angenehm, aber noch okay. Dann sah ich das WC und musste schlucken: Er hatte mehrfach neben die Toilette gepinkelt – ohne aufzuwischen. Rund um das WC lagen diverse gelbe Pfützen. Respekt vor meiner Arbeit: null.
Zuhälter meldet seine Mädels, nicht die Putzfrau
Ich traf auch einen Zuhälter, der für eine angemietete Sex-Wohnung eine Putzfrau suchte. Er war sehr pingelig – aber nur, was seine Mädchen anging. Ganz offen sagte er: «Weisst du, hier läuft alles sauber ab! Es gibt ja immer wieder Prostituierte, die illegal in der Schweiz arbeiten, und das geht natürlich nicht.» Die Polizei käme nämlich regelmässig vorbei und kontrolliere. Als ich nach einem Vertrag fragte, sagte er nur: «Mit AHV und so kenne ich mich eben nicht aus ...» Nur Bares sei Wahres – und seine Mädchen wichtiger als Putzfrauen.
Manche wollten noch mehr, wie Stephan*. In seinen Mails klang alles sehr dringend, schon beim ersten Treffen wurde er aufdringlich. Am liebsten hätte er mich gleich bei sich empfangen – nur widerwillig stimmte er einem neutralen Treffpunkt zu. Selbst dann forderte er: «Komm, wir gehen zu mir ins Geschäft!» Ich winkte ab – doch selbst beim Spaziergang um den nahen Bahnhof ging es kaum um den Job, sondern mehr um sein Privatleben. Ich suchte das Weite.
Hartes und schmutziges Geschäft
Meine Wochen als Undercover-Putzfrau Tanja (jobsuchend, 26, alleinerziehend) haben mich mehr über unsere Gesellschaft gelehrt, als mir lieb ist. Ich hatte aber stets die Freiheit, das zu tun, was mir Spass macht. Die normale, mittellose Reinigungskraft hat das nicht. Zu verlockend ist das schnelle Geld, zu schlecht die Alternativen. Das Schlimme: Die Arbeitgeber – alles Männer – verstanden blitzschnell, dass ich mich in einer Notlage befinde und nutzten dies knallhart aus. Sie drücken die Preise, vermeiden Zusatzkosten oder administrativen Aufwand. Manche sehen die Frau als Ware. Trotzdem müssen viele das dreckige Spiel mitspielen.
So war es am Ende nahezu unmöglich eine ordentliche Anstellung (mit Vertrag!) zu finden. Es wäre an der Zeit, in der Putzbranche mal richtig aufzuräumen.
*Namen geändert