Er züchtet die ersten Hummeln in der Schweiz
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Pionier Frantisek Jusko (40):Er züchtet die ersten Hummeln in der Schweiz

Von wegen lahme Brummer!
Wieso in der Schweiz jetzt Hummeln gezüchtet werden

Sie sind so fleissig wie Bienen und Power-Bestäuber: Hummeln. Darum werden jährlich Tausende Zuchtvölker aus Labors aus dem Ausland für die Landwirtschaft in die Schweiz importiert. Jetzt gibt es im Thurgau die erste einheimische Hummelzucht.
Publiziert: 24.06.2023 um 13:11 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2023 um 15:57 Uhr
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Superbestäuber: Hummeln sind in der Landwirtschaft unverzichtbar.
Foto: Siggi Bucher
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Sie sind bedroht und begehrt zugleich: Hummeln. Ohne die emsigen Brummer gäbe es auf dem Lindenhof Altishausen TG keine Erdbeeren. Oder auf jeden Fall nicht so früh im Jahr: «Und die Beeren wären auch nicht so schön gross und rund geformt», erklärt Landwirt Michael Diener (45).

Das liegt an der effizienten Bestäubung der Hummeln. Ihr Brummen ist nicht umsonst berühmt, es entsteht, weil Hummeln durch ihre Flugmuskulatur Frequenzen erzeugen, welche die Pollen aus der Blüte herausschütteln, zugleich sammeln sie dabei Nektar. Dank ihrer Körpergrösse und der Fähigkeit, sich durch ihre Muskulatur selber aufzuheizen, sind Hummeln ausdauernder und robuster als ihre Verwandten, die Bienen: Sie fliegen schon bei tieferen Temperaturen aus, wenn die fleissigen Bienen lieber noch im Nest hocken bleiben.

Wichtig für Frühblüher

Landwirt Michael Diener von Lindenhof mit Hummelzüchter Feri Jusko.
Foto: Siggi Bucher

Darum sind Hummeln besonders wichtig für Frühblüher wie Aprikosen, die teils schon Ende Februar blühen. Oder eben auch die Erdbeeren beim Landwirt Diener: «Die ersten Blüten kommen gegen Ende März, da ist es den Bienen meist noch zu kalt zum Ausfliegen. Zudem kommen sie auch nicht gerne ins Treibhaus.» Der Einsatz von Hummeln erhört den Ertrag um bis zu 40 Prozent. Bisher hat Diener, so wie es jeder Landwirt tut, Hummelvölker aus Zuchten aus dem Ausland bestellt. Jedes Jahr werden Millionen von Hummelnestern via Kurier quer durch die Welt verschickt, etwa 7000 davon in die Schweiz, meist aus den Niederlanden, Belgien oder Spanien.

Seit letztem Jahr fliegen jedoch Schweizer Hummeln im Treibhaus auf dem Lindenhof, sie stammen aus der ersten einheimischen Zucht hierzulande, aus dem benachbarten Tägerwilen. Dort vermehrt der Agrarbiologe Feri Jusko (40) Hummeln aus der Umgebung. Mit Einwilligung des Kantons Thurgau fängt er ansässige dunkle Erdhummeln ein und züchtet daraus eigene Völker. Das ist um einiges komplexer, als mit Bienen und findet im Labor statt. Der Vorteil an den hiesigen Hummeln: «Damit schaffen wir eine grössere genetische Vielfalt. Zudem sind die Hummeln besser an die Umgebung angepasst und damit auch ihr Immunsystem. Das macht sie weniger anfällig für Krankheiten.»

Jusko stammt ursprünglich aus der Slowakei und hat sich als Biologe und Imker auf unkonventionelle Zuchtmethoden spezialisiert. Besonders während der Pandemie ist ihm die Gefahr einer Versorgungslücke von Hummeln in der Schweiz aufgefallen: «Mit dem Aufbau von eigenen Zuchten werden wir unabhängiger vom Import und können lokale Hummeln züchten.» Jusko ist für das Spin-off-Forschungs-Projekt beim Familien-Unternehmen HTC High-Tech-Center im Bereich Biodiversität verantwortlich.

Vom Aussterben bedroht

Im Hummelhaus lebt die Kolonie einen ganzen Sommer.
Foto: Siggi Bucher

Daraus ist auch das jüngste Projekt mit den Hummeln entstanden. Das Hummelvolk wird in einer Nestbox geliefert. Wichtig: Nach der Ankunft muss man es zwei Stunden an einem Platz ohne pralle Sonne stehen lassen, damit sich das Hummelvolk beruhigt. Danach wird das Flugloch geöffnet und los gehts. Für die Utz-Box wird ein Pfand verrechnet, so folgt das Projekt auch den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft. Bislang werden die Plastik-Boxen vom importierten Hummeln nach Ableben des Volkes als Kehricht entsorgt und verbrannt.

Oft sind es laut Jusko auch Private, die mit den Hummeln ihren Nutzgarten bestäuben lassen. Viele schaffen sich die Hummeln im Bewusstsein an, dass viele Arten vom Aussterben bedroht sind und damit auch die Wildpflanzen, die von ihnen bestäubt werden. «Laut verschiedenen Studien ist ein massiver Rückgang zahlreicher Hummelarten in Europa und Nordamerika zu beobachten», so Jusko.

7 Fakten über Hummeln

Wegen ihres pelzigen Fells und ihres friedfertigen Verhaltens gehören die gelb-schwarzen Flieger zu den beliebtesten Insekten. Aber wusstest du das über Hummeln?

Stechen

Hummeln gelten als friedlich, aber wenn es darauf ankommt, können sie sich verteidigen: Sie können stechen, allerdings nur die Weibchen. Doch anders als bei den Bienen bleibt ihr Stachel nicht in der Haut zurück, so wird in der Regel weniger Gift abgegeben.

Glatze

Ein ungewöhnlicher Anblick bietet sich dem aufmerksamen Beobachter beim Anblick des hummeligen Kopfes. Durch die engen Nesteingänge reiben sie sich im Laufe der Zeit ihren Kopf kahl. Mit zunehmendem Alter verlieren sie zudem Haare und Farbe, was ihnen ein eher ergraut wirkendes Erscheinungsbild verleiht.

Doch nicht zu dick

Es mag überraschend sein, aber Hummeln können trotz ihrer vergleichsweise schweren Körper mühelos fliegen. Das Geheimnis liegt in ihren beweglichen Flügeln, die durch geschickte Flügelbewegungen Wirbel erzeugen und ihnen somit den nötigen Auftrieb verschaffen.

Höhenflieger

Es gibt unter den Hummeln wahre Hochleistungssportler: Einige Arten sind in grossen Höhenlagen anzutreffen, um sich ihren Nektar zu sichern. Mit langen Rüsseln erreichen sie geschickt den süssen Saft tief in den Blütenkelchen.

Soziale Intelligenz

Um sich vor Gefahren zu schützen und ihr Revier zu markieren, haben Hummeln verschiedene Verhaltensweisen entwickelt. Sie setzen Duftmarken, um Artgenossen vor möglichen Bedrohungen zu warnen und ihr Territorium zu verteidigen. Dabei zeigen sie eine beeindruckende soziale Intelligenz.

Nur ein Sommer

Das Leben der Hummeln ist von Sommerstaaten geprägt. Eine Königin überwintert und im nächsten Jahr entstehen neue Kolonien, um die Art fortzuführen. Doch dieses sensible Gleichgewicht gerät zunehmend in Gefahr.

Robust und fleissig

Der Arbeitstag einer Hummel dauert 18 Stunden. Etwa 1000 verschiedene Blüten fliegt sie in dieser Zeit an und sammelt ungefähr zwölfmal mehr Nektar als eine Honigbiene. Zudem sammeln Hummeln bei ihren Flügen Nektar und Pollen gleichzeitig. Das unterscheidet sie von Honigbienen, die zumeist nur eines von beidem sammeln, was sie teils zu eher ineffizienten Bestäubern macht.

Quelle: wwf.de

Wegen ihres pelzigen Fells und ihres friedfertigen Verhaltens gehören die gelb-schwarzen Flieger zu den beliebtesten Insekten. Aber wusstest du das über Hummeln?

Stechen

Hummeln gelten als friedlich, aber wenn es darauf ankommt, können sie sich verteidigen: Sie können stechen, allerdings nur die Weibchen. Doch anders als bei den Bienen bleibt ihr Stachel nicht in der Haut zurück, so wird in der Regel weniger Gift abgegeben.

Glatze

Ein ungewöhnlicher Anblick bietet sich dem aufmerksamen Beobachter beim Anblick des hummeligen Kopfes. Durch die engen Nesteingänge reiben sie sich im Laufe der Zeit ihren Kopf kahl. Mit zunehmendem Alter verlieren sie zudem Haare und Farbe, was ihnen ein eher ergraut wirkendes Erscheinungsbild verleiht.

Doch nicht zu dick

Es mag überraschend sein, aber Hummeln können trotz ihrer vergleichsweise schweren Körper mühelos fliegen. Das Geheimnis liegt in ihren beweglichen Flügeln, die durch geschickte Flügelbewegungen Wirbel erzeugen und ihnen somit den nötigen Auftrieb verschaffen.

Höhenflieger

Es gibt unter den Hummeln wahre Hochleistungssportler: Einige Arten sind in grossen Höhenlagen anzutreffen, um sich ihren Nektar zu sichern. Mit langen Rüsseln erreichen sie geschickt den süssen Saft tief in den Blütenkelchen.

Soziale Intelligenz

Um sich vor Gefahren zu schützen und ihr Revier zu markieren, haben Hummeln verschiedene Verhaltensweisen entwickelt. Sie setzen Duftmarken, um Artgenossen vor möglichen Bedrohungen zu warnen und ihr Territorium zu verteidigen. Dabei zeigen sie eine beeindruckende soziale Intelligenz.

Nur ein Sommer

Das Leben der Hummeln ist von Sommerstaaten geprägt. Eine Königin überwintert und im nächsten Jahr entstehen neue Kolonien, um die Art fortzuführen. Doch dieses sensible Gleichgewicht gerät zunehmend in Gefahr.

Robust und fleissig

Der Arbeitstag einer Hummel dauert 18 Stunden. Etwa 1000 verschiedene Blüten fliegt sie in dieser Zeit an und sammelt ungefähr zwölfmal mehr Nektar als eine Honigbiene. Zudem sammeln Hummeln bei ihren Flügen Nektar und Pollen gleichzeitig. Das unterscheidet sie von Honigbienen, die zumeist nur eines von beidem sammeln, was sie teils zu eher ineffizienten Bestäubern macht.

Quelle: wwf.de

Schuld daran sind Monokulturen, fehlende Strukturvielfalt im Natur und auch Pestiziden: «Die Chemikalien sind nicht nur giftig für die Tiere, sie stören auch ihre Sinneswahrnehmung», so der Experte. Denn Hummeln und andere bestäubende Insekten können elektrische Felder wahrnehmen, welche von den Blüten von Pflanzen ausgesendet werden. «So können Hummeln womöglich erkennen, wo sie ihren Nektar anfliegen können.» Wird diese Kommunikation gestört, bestäuben sie auch weniger.

Die Schweiz mit eigenen Hummeln versorgen

Sie starten die erste Schweizer Hummelzucht: Feri Jusko mit Maria Larsson vom Familien-Unternehmen HTC High-Tech-Center.
Foto: Siggi Bucher

Ein Hummelvolk lebt immer nur für eine Saison. Es sind die einzigen Insekten, bei denen die Eier bebrütet werden. Jetzt im Sommer schlüpfen die Jungköniginnen und männlichen Drohnen, die sich paaren. Wenn im Herbst die alte Königin stirbt, suchen sich ihre Nachfolgerinnen ein Winterquartier, um im Frühling ein neues Volk zu starten. «Damit kann man die eigene Biodiversität in seinem Umfeld fördern, denn so siedeln sich mehr einheimische Hummeln hier an», so Jusko. «Ich habe eigene Zuchtmethode entwickelt, die uns ermöglicht, ganzjährige Hummelzucht von regionalen Linien zu betreiben, um die stetig wachsende Nachfrage zu bedienen.»

Langfristig sind die Ziele ehrgeizig. «Wir möchten eine Alternative zum Import von Hummeln für die Landwirtschaft in der Schweiz bieten», sagt Maria Larsson, Verwaltungsrätin und Mitinhaberin beim HTC High-Tech-Center. «Damit entwickeln wir eine nachhaltige Versorgungssicherheit in der Schweizer Lebensmittelherstellung aus kontrollierter Zucht.»

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