Sexuelle Lustlosigkeit ist ein strukturelles Problem. Das schreibt Julia Henchen, systemische Paar- und Sexualtherapeutin, in ihrem neusten Buch «Kopf aus, Lust an». In ihrer Praxis im süddeutschen Tiefenbronn begegnet sie fehlender Lust auf und am Sex fast täglich. «Vor allem Frauen haben oft das Gefühl, sie seien Schuld am fehlenden Sex innerhalb einer Beziehung», sagt Henchen. «Das stimmt aber meist nicht.» Grund dafür seien vielmehr zu wenig Aufklärung und falsche oder zu wenig Vorstellungen über Sex, Sexualität, Vorlieben und Rollenbilder. «Frauen wissen oft gar nicht, wovon ihre sexuelle Lust überhaupt abhängt.»
Es spielt laut Henchen keine Rolle, wie oft Paare Sex haben. Viel wichtiger ist, welche Haltung und Gedanken sie dazu haben. «Wenn Paare wenig Sex haben, aber ein enges und emotionales Verhältnis pflegen, ist das nichts Schlechtes.» Sexualität und Sex seien schliesslich nicht dasselbe, und Penetration müsse nicht immer im Mittelpunkt stehen. Dennoch werde wenig Sex in vielen Beziehungen als Problem wahrgenommen und mit Lustlosigkeit assoziiert. Denn: «Viele Menschen orientieren sich in ihrem Sexleben an gesellschaftlichen Normen. Und wenn sie die nicht erreichen, schämen sie sich.»
Wissen, was sexuelle Lust auslöst
Henchen will daher mit dem Allgemeinplatz «Wir haben als Paar zu wenig Sex» aufräumen. Paaren, die Schwierigkeiten mit sexueller Lust haben, rät sie, offen miteinander zu kommunizieren. «Das Ziel sollte sein, dass beide von sich und vom Gegenüber wissen, wann sie weswegen Lust auf Sex haben.» Und nicht, dass sie ihre Lust erzwingen. «Ein Sex-Date zu vereinbaren reicht oft nicht. Das wird bei grundlegenden Problemen ein bis zwei Mal funktionieren. Die Lustlosigkeit wird dadurch aber nicht verschwinden.»
Julia Henchen (34) betreibt in der Nähe von Stuttgart (D) eine Praxis für systemische Paar- und Sexualtherapie. Sie ist Autorin des 2022 erschienen Bestsellers «Lustfaktor. Wie du Solosex so richtig geniessen kannst». Ihr zweites Buch «Kopf aus, Lust an. Wie du deine Lustlosigkeit überwindest und ein erfülltes Sexleben führst» erscheint am 21. November beim mvg Verlag.
Julia Henchen (34) betreibt in der Nähe von Stuttgart (D) eine Praxis für systemische Paar- und Sexualtherapie. Sie ist Autorin des 2022 erschienen Bestsellers «Lustfaktor. Wie du Solosex so richtig geniessen kannst». Ihr zweites Buch «Kopf aus, Lust an. Wie du deine Lustlosigkeit überwindest und ein erfülltes Sexleben führst» erscheint am 21. November beim mvg Verlag.
Henchen betont, dass man bei Problemen sexueller Lustlosigkeit die Ursache des Problems identifizieren müsse. In ihrem Buch beschreibt sie dazu Wege, wie Paare Lustkonflikte überwinden und ihr vollständiges erotisches Potenzial entfalten können.
Innere Konflikte und Lustmotive erkennen
Wer innere Konflikte mit sich herumtrage, dessen Vorfreude auf Sex sei getrübt, sagt Henchen. «Und ohne Vorfreude entsteht kaum Lust auf oder am Sex.» Im Sinne einer Problemanalyse müssen sich dazu beide Partner in einer Beziehung fragen: Was steht meiner Lust im Weg? «Sobald das geklärt ist, kann man es dem Gegenüber mitteilen und die Hürden für lustvollen Sex abbauen.»
Genauso wichtig ist es laut Henchen, sich zu fragen, was einen motiviert, Sex zu haben. «Das geht umso einfacher, je mehr man über die eigene Anatomie und die Funktionsweise der Genitalien weiss», sagt die Expertin. Wer wisse, was einen wo und wie erregt, könne klarer sagen, wie Sex für einen am besten aussehe und was Lust auf Sex auslöse.
Die Expertin ist überzeugt: Vor allem in Langzeitbeziehungen ist Sex selten spontan. Es brauche oft einiges, damit beide Partner Lust auf Sex hätten. «Das Gute ist, dass man die Lust auf Sex üben kann. Solange man sich die eigenen Bedürfnisse klarmacht, ist es dafür nie zu spät», sagt sie. Im besten Fall führe das dazu, dass die Beziehung ihr volles Potenzial entfalte. «Lustlosigkeit kann eine Chance sein.»