Über 90 Prozent der verheirateten oder fest liierten Schweizer Männer konsumieren regelmässig Pornografie. Bei den Frauen liegt der Wert einiges tiefer. Das geht aus einer anonymen Online-Umfrage aus dem Jahr 2019 hervor, durchgeführt von Sexualtherapeutin Ursina Brun del Re (42).
Einer, der sich in seiner Praxis in Luzern fast täglich mit dem Pornokonsum in Beziehungen beschäftigt, ist Sexologe Martin Bachmann (54). «Ich berate oft Männer, die ein schlechtes Gewissen haben gegenüber ihrer Partnerin, weil sie gern Pornos schauen oder befürchten, süchtig nach ihnen zu sein.»
Heimlichtuerei ist anstrengend
Gemäss Bachmann ist es weder der Konsum noch dessen Häufigkeit, der problematisch sein kann für eine Partnerschaft, sondern vielmehr die Tatsache, dass die sogenannten Erwachsenenfilme in den meisten Fällen heimlich konsumiert werden. Das Bemühen, nicht aufzufliegen, sei energieraubend, sagt Bachmann. «Die Schuldgefühle, die manche Männer deswegen mit sich herumtragen, können dazu führen, dass sie beim Sex mit der Partnerin weniger präsent sind.»
Geht es nach Sexualtherapeutin Brun del Re, spielt es durchaus eine Rolle, ob jemand nur einmal pro Monat oder täglich Pornografie konsumiert. «Wer sich jeden Tag einen Porno anschaut, hat ja praktisch keine Zeit mehr, in der er seine Paarsexualität leben kann», sagte sie in einem Interview mit Blick. Das führe dazu, dass man auch den Fokus der Sexualität immer mehr in die virtuelle Welt verlege.
Pornografie macht faul
Das sieht auch Martin Bachmann so. Pornografie, sagt er, könne zu einer Belastung werden, wenn ein Mann verlerne, im echten Leben seine Wünsche zu äussern. «Das sexuelle Verlangen lässt sich beim Schauen von Pornos mittels weniger Klicks befriedigen. Beim Paarsex ist ein gewisser Einsatz gefragt.»
Brun del Re kennt viele Fälle von Frauen, die vom Pornokonsum des Partners wissen und sagen, sie wüssten beim Sex mit ihm nie so richtig, ob er jetzt bei ihnen sei oder irgendein anderes Bild vor Augen habe. Die Frauen würden befürchten, dass der Mann mehr an den Pornodarstellerinnen interessiert sei als an ihnen. Kommt hinzu, dass Darstellerinnen in Pornos häufig erniedrigend und entwürdigend inszeniert werden.
Bachmann rät dennoch, offen mit dem Thema umzugehen. Über Pornos zu sprechen, nehme ihnen die Bedrohlichkeit. «Der Mann kann seine Sichtweise erläutern, die Frau ihre Meinung äussern und Fragen stellen, wenn sie verunsichert ist.»
Martin Bachmann (54) ist klinischer Sexologe und war über 20 Jahre lang im Mannebüro in Zürich, einer Beratungs- und Informationsstelle für Männer, als Gewaltberater tätig. Dort kamen im Lauf der Zeit viele Männer zunehmend mit Fragen rund um Sexualität auf ihn zu. 2020 hat Bachmann seine eigene Praxis Sexologik in der Stadt Luzern eröffnet, wo er Paar- und Einzeltherapien anbietet. Er lebt mit seinen drei Töchtern im Teenager-Alter in Kriens LU.
Martin Bachmann (54) ist klinischer Sexologe und war über 20 Jahre lang im Mannebüro in Zürich, einer Beratungs- und Informationsstelle für Männer, als Gewaltberater tätig. Dort kamen im Lauf der Zeit viele Männer zunehmend mit Fragen rund um Sexualität auf ihn zu. 2020 hat Bachmann seine eigene Praxis Sexologik in der Stadt Luzern eröffnet, wo er Paar- und Einzeltherapien anbietet. Er lebt mit seinen drei Töchtern im Teenager-Alter in Kriens LU.
Dampf ablassen ohne Partnerin
Es komme in Beziehungen immer wieder vor, dass nicht beide gleichzeitig Sex haben wollen, fügt Bachmann an. In solchen Momenten sei Selbstbefriedigung eine gute Möglichkeit, Dampf abzulassen, ohne den Partner oder die Partnerin unter Druck zu setzen. «Pornografie spielt dabei nun einmal bei vielen Männern einer Rolle.»
Auch, was Selbstreflexion betrifft, misst Bachmann Pornografie eine Bedeutung zu. «Konsumenten finden möglicherweise schneller heraus, worauf sie beim Sex stehen respektive nicht stehen.»