Frau Mittermaier, den Partner zu betrügen, gilt als ultimativer Vertrauensbruch. Gibt es wirklich nichts mehr zu retten?
Melanie Mittermaier: Aus meiner Sicht gibt es zwei Arten von Vertrauen. Das Pseudovertrauen lässt die Menschen glauben, dass ihr Partner immer perfekt ist und sie nie verletzen wird. Dieses zerbricht, wenn man betrogen wird. Das echte Vertrauen, wie ich es nenne, funktioniert pragmatischer. Es basiert darauf, zu vertrauen, dass man als Paar eine Krise bewältigen kann. Dazu muss man akzeptieren, dass Menschen in Beziehungen Fehler machen können.
Was, wenn es nicht bei einem Betrug bleibt?
Es lässt sich nicht ausschliessen, dass jemand ein zweites Mal fremdgeht. In meiner Praxis rate ich Paaren, die einen Seitensprung verarbeiten, sogar ausdrücklich, nicht in die Illusion zu verfallen, dass sie von nun an eine perfekte Partnerschaft führen und sich ewig treu sein werden. Anzuerkennen, dass man weiterhin Höhen und Tiefen durchleben wird, ist umso wichtiger.
Aus Sicht eines Betrogenen ist das vielleicht zu viel verlangt.
Wir können jemandem nicht verbieten, uns zu betrügen. Es ist auch keine erfolgversprechende Basis für eine Beziehung, das Verhalten des Partners zu beeinflussen, indem man ihn unter Druck setzt. Der Betrüger muss aber damit rechnen, dass ihm Seitensprünge nicht immer wieder verziehen werden.
In ihrem Buch «Liebe Leben» schreibt Melanie Mittermaier (49), wie man in Langzeitbeziehungen glücklich wird und Krisen wie einen Betrug verarbeitet. Die Affärenmanagerin, wie sie sich selbst nennt, hat sich auf das Thema Fremdgehen spezialisiert, da sie in ihrer 22-jährigen Ehe selbst Erfahrungen mit Untreue gemacht hat. Sie arbeitet seit fast 15 Jahren als psychologische Beraterin und Coach mit eigener Praxis im bayrischen Bad Aibling (D). Daneben führt sie einen Blog und hat einen Podcast.
In ihrem Buch «Liebe Leben» schreibt Melanie Mittermaier (49), wie man in Langzeitbeziehungen glücklich wird und Krisen wie einen Betrug verarbeitet. Die Affärenmanagerin, wie sie sich selbst nennt, hat sich auf das Thema Fremdgehen spezialisiert, da sie in ihrer 22-jährigen Ehe selbst Erfahrungen mit Untreue gemacht hat. Sie arbeitet seit fast 15 Jahren als psychologische Beraterin und Coach mit eigener Praxis im bayrischen Bad Aibling (D). Daneben führt sie einen Blog und hat einen Podcast.
Sie sagen, der Mensch sei nicht gemacht dafür, langfristig monogam zu leben. Können Sie das erklären?
Aus evolutionärer Sicht ist es für den Menschen aussichtsreicher, sich mit mehreren Personen zu paaren. Zudem gewöhnt sich unser Gehirn an einen Sexualpartner, weshalb es aufregend ist, sich auf neue Reize einzulassen. Aus meiner Sicht ist es utopisch, den perfekten Ehemann zu finden, der gleichzeitig ein bester Freund, liebevoller Partner und leidenschaftlicher Liebhaber ist.
Muss man eine Beziehung manchmal nicht einfach beenden, um den Stolz nicht zu verlieren?
Aus meiner Sicht ist es eher eine Schwäche, wenn man eine Beziehung aus Stolz beendet oder weil man das Gefühl hat, es sei gesellschaftlich nicht akzeptabel, sich einen Betrug gefallen zu lassen. Einen Seitensprung gemeinsam mit dem Partner zu verarbeiten und sich zu fragen, ob man sein Leben weiterhin mit ihm teilen möchte, zeugt für mich hingegen von Selbstachtung.
Welche Fragen sollte man sich sonst noch stellen?
Was hält uns zusammen, zum Beispiel. Oder: Was lief vor dem Betrug gut in unserer Beziehung und was weniger? Kann ich nachvollziehen, weshalb mein Partner fremdgegangen ist? Was könnte dabei in seinem Kopf vorgegangen sein? Manchmal lohnt es sich, eine Paartherapie in Anspruch zu nehmen, um die Antworten mithilfe einer aussenstehenden Person zu finden. Ein Seitensprung kann eine Beziehung auch bereichern.
Wie denn?
Manche Paare sprechen aufgrund einer Affäre offener oder sogar zum ersten Mal ausführlich über ihr Sexleben. Oder sie setzen sich zum ersten Mal damit auseinander, was ihnen wirklich wichtig ist in einer Beziehung und gestalten diese neu. Ich erlebe in meinen Beratungen oft, dass sich die Beziehung von Paaren nach einer Affäre verbessert.