Blick: Frau Nuber, wie wichtig ist Sexualität in Langzeitbeziehungen?
Ursula Nuber: Genauso wichtig wie in einer Beziehung, die erst eine kurze Geschichte hat. Die Sexualität hat für Langzeitpaare aber eine andere Funktion.
Welche?
Sie bestätigt die Beziehung und gibt beiden Partnern das Gefühl, dass sie zusammen einen sicheren Ort haben. Bei Paaren, die erst frisch zusammen sind, dient Sexualität erst einmal dazu, sich besser kennenzulernen.
Die Häufigkeit von Sex nimmt im Lauf der meisten Langzeitbeziehungen ab. Warum eigentlich?
Sexualität braucht den Reiz des Unbekannten. Doch wie soll der in Langzeitbeziehungen bestehen? All die Tipps, sich Dessous oder Sextoys anzuschaffen, bringen die Ekstase nicht zurück. Ich rate davon ab, den leidenschaftlichen Anfängen nachzutrauern.
Sie empfehlen eine gewisse Regelmässigkeit.
Beim Sex gilt «use it or lose it». Sprich: Wenn er nicht praktiziert wird, stirbt das Interesse irgendwann ganz. Oder anders formuliert: Der Appetit kommt mit dem Essen. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich einmal pro Woche zu einem erotischen Date zu verabreden.
Wird der Appetit nicht auch grösser, wenn man den Hunger längere Zeit nicht stillt?
Natürlich gibt es Paare, die einmal im Monat oder noch seltener miteinander intim sind und für die das absolut in Ordnung ist. Ich kann meinen Partner auch einfach mal in den Arm nehmen – quasi als Erinnerung, dass es Sexualität gibt. Oder ihm schreiben, dass ich ihn vermisse. Das sind wunderbare Bindungsmittel, die verhindern, dass man auseinanderdriftet. Vor allem, wenn Alltag und Kindererziehung wenig Zeit für Zweisamkeit lassen.
Das Problem vieler Langzeitpaare ist, dass eine Person mehr Sex möchte als die andere.
Nicht alle Menschen haben eine gleich starke Libido. Je älter man wird, desto deutlicher zeigt sich das. Bei Frauen kommen die Wechseljahre hinzu. In dieser Zeit ändert sich hormonell viel. Wenn jemand das Gefühl hat, zu kurz zu kommen, verhält er sich oft ungeduldig gegenüber der Partnerin oder dem Partner, beginnt wegen Banalitäten Streit und macht zynische Bemerkungen. Diese Paare vermeiden oft das offene Gespräch über die Veränderung ihrer Sexualität.
Sie raten Langzeitpaaren explizit, sich für Sex zu verabreden. Führt das nicht zu Leistungsdruck?
Es muss ja nicht zwingend zum Geschlechtsverkehr kommen. Vielleicht liegt man einfach gemeinsam im Bett. Wichtig ist, in diesem Moment die Telefone auszuschalten und sich so gut wie möglich gegen alle Störquellen abzuschirmen.
Ursula Nuber (69) ist Diplompsychologin und ehemalige Chefredaktorin der Zeitschrift «Psychologie Heute». Sie arbeitet als Psychologin und Paartherapeutin in der Nähe von Heidelberg (D) und ist Autorin zahlreicher Ratgeber. Ihren Mann kennt Nuber seit 39 Jahren, seit 27 Jahren ist sie mit ihm verheiratet.
Ursula Nuber (69) ist Diplompsychologin und ehemalige Chefredaktorin der Zeitschrift «Psychologie Heute». Sie arbeitet als Psychologin und Paartherapeutin in der Nähe von Heidelberg (D) und ist Autorin zahlreicher Ratgeber. Ihren Mann kennt Nuber seit 39 Jahren, seit 27 Jahren ist sie mit ihm verheiratet.
Was, wenn diese Taktik nicht funktioniert?
Dann kann das ein Zeichen dafür sein, dass die emotionale Bindung eines Paars zu schwach ist, weil es zu viel Beziehungsmüll mit sich herumschleppt. In meinem Buch beschreibe ich den Fall einer Frau, die eines Tages herausfand, dass ihr Mann seit seiner Jugend regelmässig Prostituierte besuchte. Obwohl er glaubwürdig versprach, damit aufzuhören, begehrte sie ihn ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Wie geht ein Paar in solchen Fällen vor?
Es muss zunächst daran arbeiten, mithilfe einer Paar- oder Sexualtherapie wieder eine stabile Vertrauensbasis herzustellen. Wenn es ausserhalb des Schlafzimmers nicht stimmt, kann es auch im Schlafzimmer nicht stimmen.
Was unterscheidet eine Sexualtherapie eigentlich von einer Paartherapie?
In der Sexualtherapie legt die Therapeutin oder der Therapeut den Fokus auf die Sexualität. Eine gute Sexualtherapie enthält aber immer auch Elemente einer Paartherapie. Und umgekehrt.