Pannen-Partys mit Happy End
Wenn die Hochzeit schiefgeht

Die Hochzeitssaison neigt sich dem Ende zu – und ist für viele wegen Covid-19 ins Wasser gefallen. Es kann aber alles gut werden. Das sagt nicht nur die Statistik, sondern auch fünf dramatische Hochzeitsgeschichten mit glücklichem Ausgang.
Publiziert: 20.09.2020 um 09:50 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2021 um 10:24 Uhr
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Als die Welt noch in Ordnung war: Dana Kreiss mit ihren Brautjungfern, bevor es zu regnen begann.
Foto: zVg
Silvia Tschui

Ende September ist die Hochzeitssaison vorbei. Normalerweise. Rund 40'000 Paare heirateten gemäss Bundesamt für Statistik in den letzten Jahren jährlich in der Schweiz – hauptsächlich in den Monaten Mai bis September. Dieses Jahr fielen coronabedingt Anfang Sommer nahezu alle Hochzeiten ins Wasser und wurden verschoben. Und auch die noch kommenden Hochzeiten sind mit Unsicherheiten behaftet – viele Paare behalten sich vor, kurzfristig abzusagen.

Für all jene, deren Hochzeit dieses Jahr ausgefallen ist, sind vielleicht folgende Geschichten ein Trost. Sie wären ganz ohne Pandemie fast verhindert worden – und endeten trotzdem mit einem Happy End.

Feuerwehr, Nackte bis auf die Boxershorts, Schrecksekunden – eine Hochzeit fällt buchstäblich ins Wasser

Dana Kreiss (38, Bankangestellte) heiratete Michael Kreiss (30, technischer Sachbearbeiter) aus Oberwil BL am 25. Juni 2016 in Muttenz – nach einigen Hindernissen.

«Der Tag hat eigentlich schön begonnen, mit einem je separaten Fotoshooting. Während des Shootings hat es angefangen zu regnen – wobei, regnen! – es schüttete wie aus der voll aufgedrehten Dusche. Meine Brautjungfern und ich mussten ins Hotel in Muttenz zurückrennen. Langsam fingen meine Brautjungfern dort an, nervös zu wirken. Und ich bekam plötzlich diverse SMS von Freunden, in denen es hiess, es tue ihnen so leid, dass meine Hochzeit abgesagt worden sei. Ich hatte Panik. Im ersten Moment dachte ich, Michael habe es sich im letzten Moment anders überlegt – und ich sei so eine vor dem Altar stehen gelassene Braut, wie in einer Filmkomödie. Ich habe das mit den SMS dann einer meiner Brautjungfern erzählt – und sie meinte mit ernstem Gesicht: «Ja, jetzt müssen wir es dir sagen …» Ich dachte, ein Loch öffne sich im Boden. Sie hat mir dann ein Video davon gezeigt, was auf der Strasse abging: Hochwasser vor dem Hotel, kein Durchkommen. Ich war völlig verheult, die Frisur war vom Regen schon futsch, und ich hatte mich schon halb damit abgefunden, dass unsere Hochzeit buchstäblich ins Wasser fällt. Zum Glück waren meine Brüder vorher schon da – meiner Tante gehört in Muttenz das Geschäft Brautmode Plüss. Sie wollte vor der Hochzeit noch das Einweihungsfest feiern. Das ganze Geschäft wurde während der Feier überschwemmt. Meine Brüder haben sich dann bis auf die Boxershorts ausgezogen, die Brautkleider gerettet und so gesehen, dass der Weg zum Hotel und der daneben liegenden Kirche durch eine andere Strasse noch frei war. So konnten dann doch einige kommen – ausser die, denen die Feuerwehr leider gesagt hat, es finde hier nichts statt. Um halb fünf habe ich dann das SMS erhalten, ich könne doch in die Kirche kommen. Die Trauung war wunderschön. Und zum grossen Fest mit Rock-'n'-Roll-Band waren wir dann alle wieder fit. Es wurde nach all dem Schrecken noch sehr ausgelassen – und wir fuhren am nächsten Tag für eine wunderbare Woche nach Menorca. Wir sind seither wahnsinnig glücklich und hoffen auf baldigen weiteren Nachwuchs.»

Drama wie in einem Fellini-Film

DJ Oliver (52) hat schon an Hunderten von Hochzeiten aufgelegt. Eine solche hat er aber noch nie erlebt.

«Ich wurde vor einigen Jahren sehr kurzfristig für eine Hochzeit gebucht – ein Alarmzeichen, normalerweise planen die Leute diesen speziellen Tag lange im Voraus. Ich vermute, dass es aus Gründen schnell mit der Hochzeit gehen musste … Es fing ganz normal mit einem Essen an, bei dem ich Hintergrundmusik auflegen sollte. Weil ich als DJ ja das Publikum immer sozusagen spüren und musikalisch auf die Stimmung reagieren können muss, habe ich immer mal wieder den Blick schweifen lassen. Mir ist dann aufgefallen, dass das Brautpaar angeregt diskutiert. Und noch etwas angeregter. Und schliesslich ziemlich laut wird. Plötzlich steht die Braut auf, zieht sich den Ring vom Finger, schmeisst ihn in den Raum und stürmt raus. Die gesamte Hochzeitsgesellschaft stürmt ihr geschlossen nach. Nur der Bräutigam und sein Trauzeuge sassen da wie belämmert. Ich war kurz versucht, «So Lonely» von The Police aufzulegen, liess es aber bleiben. Schliesslich ist die Braut wieder hereingekommen, und es gab eine tränenreiche Versöhnung. Nun musste natürlich der Ring gefunden werden. Die gesamte Gesellschaft, Jung und Alt, rutschte in ihren Ballkleidern auf den Knien herum und suchte nach dem Ring – als er gefunden wurde, war ich parat: Als ein älterer Mann den Ring triumphierend in die Höhe hielt, hatte ich die Songzeile «Celebrate Good Times» von Kool & the Gang ready. Der Ring wurde im Takt zur Musik überreicht, die Braut strahlte, und das Fest ging los.»

djoliver.ch

Der Klassiker: Die betrunkene Schwiegermutter

Redaktorin Silvia Tschui (46) lebte lange in England. Wer dort sagt: «Oh, ich glaube, ich bin schon etwas betrunken», kriegt zur Antwort: «Super! Nimm noch einen!» Das gilt auch für die ältere Generation – mit Folgen.

«Schon Wochen vor der Hochzeit sagte die Braut düster mantra-artig: «She's a drunk. She'll ruin everything» («Sie trinkt zu viel. Sie wird alles ruinieren»). Es ging um die Schwiegermutter. Musikerfreunde hatten sich dann zu einer Band mit einem riesigen Repertoire zusammengerauft, und wer wollte und einen Song vorbereitet hatte, konnte ihn an der Party nach der Trauung singen. Auch die Schwiegermutter. Sie stellt zu fortgeschrittenem Zeitpunkt eine Flasche Prosecco neben den Monitor und sich selbst auf die Bühne und singt «The Way You Look Tonight» von Frank Sinatra – und man muss sagen, sie singt das richtig gut. So gut, dass die Leute frenetisch applaudieren. Was die Schwiegermutter dazu veranlasst, einen tiefen Schluck aus der Champagnerflasche zu ziehen und eine Zugabe zu geben. Auch die ist ziemlich gut, die Leute klatschen wieder. Ungefähr acht weitere, offensichtlich weniger gut geübte Songs später ist die Champagnerflasche und der Platz vor der Bühne leerer, die Band peinlich berührt und der Applaus für die Schwiegermutter dann doch ziemlich spärlich. Die Braut stupst ihren frischgebackenen Mann an, der drei weitere Songs später auf der Bühne versucht seine Mutter dazu zu bewegen, doch bitte andere auch singen zu lassen. «Nobody puts Baby in a corner!» («Niemand hat Baby etwas zu sagen!»), zitiert die Mutter aus dem «Dirty Dancing»-Film und beginnt, nun recht lallend, «Time of My Life» zu singen. Samt Solo-Dirty-Dancing. Nun greifen die Kollegen des Bräutigams ein: Vier von ihnen stürmen die Bühne, packen die Schwiegermutter, wresteln ihr das Mikro aus der Hand, heben sie hoch und tragen sie – die immer noch aus vollem Hals singt – Richtung Herrenhaus. Die Party nimmt wieder Fahrt auf. Später muss ich drinnen aufs Klo und nehme das, ich gebe es zu, zum Anlass, etwas im Haus herumzuschauen. Man übernachtet ja nicht alle Tage in einem richtigen englischen Herrenhaus. Ich entdecke die Schwiegermutter schnarchend auf einem Sofa in einem Zimmer. Jemand hat eine Decke über sie gebreitet und vorsorglich auf Kopfhöhe einen Eimer neben das Sofa gestellt. Engländer sind eben warm und fürsorglich.»

Hals- und Beinbruch. Wobei, eher Bein

DJ Daniel (44) legt seit 24 Jahren professionell als DJ in Clubs, an Firmenanlässen und an privaten Festen auf. Hochzeiten sind seine Lieblingsanlässe.

«Ich liebe Hochzeiten, weil man fast immer mit glücklichen Menschen zu tun hat und es fast immer grandioses Feedback gibt. Hochzeiten sind einfach die besten Feste. Auch wenn es manchmal auch Alkoholexzesse gibt. Das ist für mich als DJ nicht immer lustig, aber kommt zum Glück nicht oft vor. Pannen hingegen gibts immer mal wieder. Wie zum Beispiel, als zu mittelfortgeschrittener Stunde, als die gesamte Gesellschaft ausgelassen tanzte, mitten in «Dancing Queen» plötzlich die Brautmutter mit einem Aufschrei zu Boden ging und danach kreidebleich liegen blieb. Die Braut stürzte zu ihr, und ich stellte die Musik ab. In der Stille hörte man die verzweifelten Schreie der Braut: «Mami! Mamiiii!» Die Braut war tränenüberströmt. Ich dachte erst, die Mutter der Braut habe einen Herzinfarkt oder etwas Ähnliches gehabt und sei am Sterben oder sogar schon tot. Es war furchtbar. Es kam dann eine Ambulanz, und Sanitäter legten sie auf eine Bahre und trugen sie raus – da habe ich zum Glück gesehen, dass die Mutter zwar nicht mehr gehen konnte, sicher starke Schmerzen hatte, aber definitiv noch am Leben war. Der Bräutigam meinte dann, ich solle weiter Musik machen, und die Party kam, erst langsam zwar, nachher aber ziemlich schnell wieder in die Gänge. Aber das Allerbeste war, als kurz nach ein Uhr nachts die Mutter wieder auftauchte: strahlend und bester Laune, einfach mit Gips und Krücken. Die Menge jubelte und applaudierte, und diese Mutter war wirklich hart im Nehmen: Sie blieb und tanzte bis um halb fünf Uhr morgens auf ihren Krücken – was sie hatte, habe ich nicht herausgefunden, vielleicht war sie gestolpert und hat etwas gebrochen. Aber die Party war vom Moment an, als sie wieder auftauchte, eine der besten Hochzeiten je.»

djdaniel.ch

Ein unmöglicher Brautvater, viel Sliwowitz, eine Trennung und schliesslich eine grandiose Party

Eric Hunziker (53, Gitarrist) spielt in diversen Jazzformationen, Theatergruppen und mehreren Unterhaltungsbands, welche Firmenanlässe, Privatpartys und Hochzeiten begleiten.

«In letzter Minute wurden wir gebucht für eine Hochzeit, bei der über sieben Ecken jemand den Bruder des Bräutigams kannte. Normalerweise hätten wir so einen Job nicht gemacht. Das Essen und die Party fanden in einer Turnhalle statt. Aber auch unkonventionelle Hochzeiten können super sein – diese wurde es aber erst zum Schluss. Der Brautvater war offensichtlich vom Bräutigam nicht begeistert. Er stand zu einer Rede auf und sagte mit schwerem polnischem Akzent zwei Sätze: «Jetzt sie dreissig. Vater kann nicht mehr sagen, was gut», und hat sich mit steinernem Gesicht wieder gesetzt. Mit einer Swing-Nummer haben wir versucht die peinliche Pause zu überspielen. Die Braut hatte Tränen in den Augen, der Bräutigam versuchte sie zu trösten, die Brautmutter redete auf ihren Mann ein, der verstockt dasass. Die Gäste fingen dann zögernd wieder an, miteinander zu reden. Die Brautmutter versuchte zu retten, was zu retten war, und verschwand in der Garderobe, wo der Getränkevorrat lagerte. Sie tauchte mit den Armen voller Sliwowitz-Flaschen wieder auf, ging von Tisch zu Tisch und bestand darauf, dass jeder einen grosszügigen Schluck exte. Auch die Band. «Spielt, spielt, macht Party!», hat die Brautmutter uns gedrängt. Also drückten wir ab. Aber der Brautvater hatte auch gegen unseren Schlagzeuger etwas einzuwenden. Er kam auf unsere improvisierte Bühne, packte den Schlagzeuger bedrohlich am Arm und sagte, «wenn du noch einmal schlägst diese Trommel …» – er deutete auf die Snare – «… Fest fertig!» Worauf seine Frau wiederkam und uns sagte, wir sollten lauter spielen. Zum Schluss ist die Sache so eskaliert, dass sich Brautmutter und Brautvater lauthals stritten. Bis die Brautmutter auf die Bühne kam, das Mikrofon packte und sagte, sie würde sich heute von ihrem Mann trennen. Anscheinend hatten die vorher schon ziemliche Probleme. Die Braut stand jedenfalls auf, rannte auf die Bühne und fiel ihrer Mutter jubelnd um den Hals. Freunde des Bräutigams redeten derweil auf den aufgebrachten Vater ein und brachten ihn schliesslich dazu, zu gehen. Als er weg war, gab es – natürlich – ein paar grosszügige Runden Sliwowitz. Und es wurde bis morgens früh um sechs getanzt, dass der Turnhallenboden bebte. Am nächsten Tag hatte ich Blasen an den Fingern vom Gitarrespielen. Und einen Kater. Nie mehr polnischer Schnaps!»

theprimes.ch

Anmerkung der Redaktion: Um die Identitäten der Menschen zu schützen, wurden einzelne Details dieser Geschichten verändert.



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