Expertin über die Liebe zu mehreren Menschen
«Polyamore Paare stehen sich oft näher als monogame»

Nach über zehn Jahren Ehe zweifelt Popstar Sarah Connor an der Monogamie. Offene Beziehungsformen wie Polyamorie werden beliebter, sagt Paarberaterin Salome Roesch. Sie erklärt, was es bereichernd, aber auch anspruchsvoll macht, mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben.
Publiziert: 11.04.2025 um 12:01 Uhr
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Aktualisiert: 17:57 Uhr
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Die deutsche Sängerin Sarah Connor (44) heiratete 2013 ihren Manager Florian Fischer (50).
Foto: Franziska Krug

Darum gehts

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Jana GigerRedaktorin Service

Sarah Connor (44) sehnt sich nach «wilden Nächten» und hinterfragt das Konzept der Ehe. Die Sängerin, die seit 2013 mit ihrem Manager Florian Fischer (50) verheiratet ist, fragte kürzlich auf Instagram: «Kann man wirklich monogam sein?» Mit ihren Überlegungen ist sie nicht allein.

Eine von Sotomo publizierte Studie von 2023 zeigt, dass sich 18 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer vorstellen können, eine polyamore Beziehung zu führen. Polyamorie bedeutet, dass ein Mensch mit mehreren Personen zur selben Zeit Beziehungen hat. Doch was braucht es, damit dieses Modell funktioniert? Paarberaterin Salome Roesch (61) von Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich beantwortet die fünf wichtigsten Fragen.

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Wie realistisch ist Polyamorie als Beziehungsmodell?

Die Expertin beobachtet, dass alternative Beziehungsformen zunehmend auf Interesse stossen. «Unsere Gesellschaft bietet heute mehr Freiheit, Beziehungen individuell zu gestalten», sagt sie. Gleichzeitig bleibe auch die Ehe für viele junge Menschen attraktiv. Die Mehrheit der Paare, die sie berät, lebt monogam. «Meine Erfahrung zeigt, dass Polyamorie für viele Menschen kein realistisches Lebensmodell ist, da es mit hohen Anforderungen verbunden ist.» Häufig seien Paare zwar neugierig, doch «sobald sie sich ernsthaft mit Polyamorie auseinandersetzen, merken sie, dass sie nicht mit den Konsequenzen leben könnten». Die Expertin warnt, dass es eine grosse Veränderung ist, die man nicht unterschätzen darf. Die bestehende Beziehung könne auch daran zerbrechen.

Polyamorie vs. Polygamie

Polyamorie ist nicht dasselbe wie Polygamie. Eine Person, die polyamor lebt, hat mehrere einvernehmliche Liebesbeziehungen gleichzeitig – mit dem Wissen und der Zustimmung aller Beteiligten. Polygamie bedeutet, dass eine Person mehrere Ehepartnerinnen oder Ehepartner gleichzeitig hat. Am bekanntesten ist die Polygynie, bei der ein Mann mehrere Frauen heiratet.

Polyamorie ist nicht dasselbe wie Polygamie. Eine Person, die polyamor lebt, hat mehrere einvernehmliche Liebesbeziehungen gleichzeitig – mit dem Wissen und der Zustimmung aller Beteiligten. Polygamie bedeutet, dass eine Person mehrere Ehepartnerinnen oder Ehepartner gleichzeitig hat. Am bekanntesten ist die Polygynie, bei der ein Mann mehrere Frauen heiratet.

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Welche Fähigkeiten braucht man in einer polyamoren Beziehung?

«Polyamorie ist viel mehr, als mehrere Menschen gleichzeitig zu lieben», sagt Roesch. Diese Beziehungsform erfordere ein hohes Mass an Selbstreflexion, emotionaler Reife, Offenheit und Kommunikationsfähigkeit. Vertrauen und Verbindlichkeit seien ebenfalls zentral. «Menschen, die in der Lage sind, ihre Gefühle zu reflektieren und Verantwortung für ihre Beziehungen zu übernehmen, haben die besten Voraussetzungen für eine polyamore Lebensweise.» Die Expertin erklärt, dass man sich mit Fragen beschäftigen muss wie: Wie soll das im Alltag, mit der Arbeit, den Kindern, der Familie und den Freunden funktionieren? Wer ist mein Notfallkontakt, wenn ich mehrere Liebesbeziehungen habe? Und wen lade ich zu meiner Geburtstagsparty ein? Polyamorie sei ein Prozess, der sich ständig weiterentwickle.

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Wann ist der Wunsch nach Polyamorie problematisch?

«Wer Polyamorie als ‹Sprungbrett› nutzt, um die monogame Beziehung zu verlassen, läuft Gefahr, bestehende Probleme zu verdrängen», sagt Roesch. Problematisch sei auch, wenn man sich aus Langeweile für weitere Partnerschaften öffnet, oder um sich über eine Beziehungsflaute hinwegzutrösten. Die Expertin rät zudem davon ab, nur aus Angst, den Partner oder die Partnerin zu verlieren, dem Konzept der Polyamorie zuzustimmen. Es sei üblich, dass nicht beide Personen in der Beziehung gleich stark davon überzeugt seien. «Wichtig ist aber, dass beide ein klares Commitment eingehen und sagen: Wir sind bereit, wir wollen das gemeinsam ausprobieren.»

Für viele junge Menschen hat es nach wie vor eine grosse Bedeutung, den Partner oder die Partnerin zu heiraten.
Foto: Shutterstock
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Ist Polyamorie für jede Person geeignet?

Menschen mit einem unsicheren Bindungsstil – oft geprägt durch eine Kindheit, in der verlässliche Bezugspersonen fehlten – haben es gemäss Expertin schwerer, mit den Herausforderungen der Polyamorie umzugehen. «Wer in seiner Kindheit keine stabile emotionale Basis erlebt hat, kann negative Gefühle wie Eifersucht, Ausgeschlossensein oder Unsicherheit oft schlecht aushalten.» Im Vergleich dazu hätten sicher gebundene Menschen meist ein stärkeres Vertrauen in Beziehungen. Sie könnten emotionale Schwankungen besser regulieren, so Roesch. «Für sie ist es oft einfacher, die Höhen und Tiefen einer polyamoren Beziehung auszuhalten, ohne daran zu zerbrechen.»

Sie hilft Paaren, Veränderungen zu meistern

Als systemische Paar- und Familientherapeutin begleitet Salome Roesch (61) Paare, Einzelpersonen und Familien bei Veränderungsprozessen, im Umgang mit anderen Menschen und mit sich selbst. Sie arbeitet seit fünf Jahren bei Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich. Das Kompetenzzentrum für Paarbeziehungen bietet neben dem Podcast «PaarImpuls», bei dem Expertinnen und Experten unterschiedliche Beziehungsthemen beleuchten, auch «LiebesPaarCours» an, um die Beziehungsqualität zu verbessern.

zVg

Als systemische Paar- und Familientherapeutin begleitet Salome Roesch (61) Paare, Einzelpersonen und Familien bei Veränderungsprozessen, im Umgang mit anderen Menschen und mit sich selbst. Sie arbeitet seit fünf Jahren bei Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich. Das Kompetenzzentrum für Paarbeziehungen bietet neben dem Podcast «PaarImpuls», bei dem Expertinnen und Experten unterschiedliche Beziehungsthemen beleuchten, auch «LiebesPaarCours» an, um die Beziehungsqualität zu verbessern.

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Was können monogame Paare von polyamoren Menschen lernen?

Roesch sagt: «Polyamore Paare stehen sich oft näher als monogame Paare, da sie sich intensiver mit sich selbst und ihrer Beziehung auseinandersetzen.» Sie würden regelmässig über Grenzen, Emotionen und Erwartungen sprechen. In monogamen Beziehungen passiere es hingegen häufig, dass Dinge unausgesprochen bleiben. «Oft glaubt man, die Partnerin oder den Partner schon so gut zu kennen, dass man gar nicht mehr über Bedürfnisse oder Wünsche reden muss.» Mit den Jahren könne daraus eine gewisse Bequemlichkeit entstehen, so Roesch. «Das Neue fehlt – und mit ihm oft auch die Neugier füreinander.» Die aktive Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Gegenüber könnten sich monogame Paare deshalb von polyamoren Menschen abschauen.

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