So siehts an Europas grösster Hanfmesse in Zürich aus
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«Potenzial in der Medizin»:So siehts an Europas grösster Hanfmesse in Zürich aus

«Hanf ist das neue Soja»
Goldgräber-Stimmung auf Europas grösster Hanfmesse in Zürich

Geschäftsleute aus Südafrika, Spanien, Uruguay, Italien, Deutschland und der Schweiz haben sich am Wochenende zu Europas grösster Hanfmesse in Zürich-Oerlikon getroffen. Ein Unternehmen sticht ganz besonders heraus.
Publiziert: 13.09.2021 um 15:06 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2021 um 17:14 Uhr
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Lino Cereghetti (26) ist Mitglied der Geschäftsleitung der Pure Holding AG. Der studierte Biologe prognostiziert: «Hanf ist das neue Soja.»
Foto: Siggi Bucher
Janina Bauer

Vor einer Messehalle in Zürich-Oerlikon stehen am Samstag Menschen Schlange, es gibt nur ein Thema: Cannabis. Doch es ist kein Kiffertreffen. Geschäftsleute aus aller Welt sind für Europas grösste Hanfmesse angereist, die Cannabis Business Expo. Sie stellen ihre Produkte vor, vernetzen sich und diskutieren über die Zukunft einer boomenden Industrie.

Der Star der CB Expo ist die Schweizer Pure Holding AG. Unternehmensgründer Stevens Senn (39) startete 2016 auf dem 25'000 Quadratmeter grossen Gelände einer alten Gärtnerei in Zeiningen AG ins Cannabis-Business. Tabakersatzprodukte mit dem zulässigen THC-Wert bis zu einem Prozent, Kosmetika und CBD-Öle gehören zur Produktpalette. Das Unternehmen wuchs rasch – schnell wurde von der Produktion und der Weiterverarbeitung des Cannabis auch auf die Erforschung der Pflanze ausgeweitet.

Durchbruch mit DNA-Sequenzierung

Vor ein paar Jahren trifft Gründer Senn Bruno Studer, Professor für molekulare Pflanzenzüchtung an der ETH Zürich. Senn sagt: «Da habe ich richtig Feuer gefangen.» Ihm wird klar, was mit Cannabis alles möglich ist. Innerhalb weniger Jahre baute er in seinem Unternehmen ein Forschungszentrum auf. Dort ergründen Wissenschaftler die Geheimnisse der Hanfpflanze mittels DNA-Sequenzierung. Senn erklärt: «Jede Eigenschaft einer Pflanze wird einem konkreten Abschnitt in der DNA zugeschrieben. Wir entschlüsseln das. Mit dem Wissen können wir Pflanzen zielgerichtet kreuzen, je nach Bedürfnis auf dem Weltmarkt.»

Denn die Hanfpflanze ist mit 400 Inhaltsstoffen so vielseitig einsetzbar wie kaum eine andere Pflanze: von der Kunststoff- und Faserproduktion bis hin zum Medizinalcannabis. Als Appetitförderer und -hemmer könnte Cannabis den Diätmarkt revolutionieren und im Bereich der Futtermittel schon bald Soja den Rang ablaufen. «Spätestens in fünf Jahren werden wir eine Hanfpflanze entwickelt haben, die auf den Hektar mehr Protein abwirft als Soja», sagt Lino Cereghetti (26), Mitglied der Geschäftsführung der Pure Holding AG.

70 Jahre Forschungsrückstand

Er will das Image der immer noch weitestgehend als Rauschmittel bekannten Pflanze aufpolieren: «Cannabis ist die älteste Nutzpflanze der Welt. Im Mittelalter war Europa ein regelrechtes Hanf-Epizentrum. Die Menschen gewannen Fasern, Seile und Samen aus der Pflanze.» Erst Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zur Prohibition der Hanfpflanze, in vielen Ländern steht sie seitdem auf der Liste der Betäubungsmittel. «Dabei kommt das THC als einziger psychoaktiver Inhaltsstoff nur in wenigen der bekannten Sorten vor.» Im Vergleich zu anderen Nutzpflanzen wie Mais und Soja wurde Cannabis in den vergangenen 70 Jahren kaum erforscht. Dieser Rückstand will die Schweizer Firma mithilfe der DNA-Sequenzierung innerhalb weniger Jahre aufholen.

Die Pure Holding weckt längst das Interesse grosser Investoren. Erst Ende August sicherte der amerikanische Finanzinvestor Vizcaya Group dem Schweizer Unternehmen Kapital in Höhe von zehn Millionen Franken zu, wie Cereghetti gegenüber Blick bestätigt. Es locken hohe Umsätze. Bis Ende 2025 soll das europäische Marktvolumen allein für Medizinalcannabis und den Freizeitkonsum bei rund 3,2 Milliarden Euro liegen.

«Bessere Produktionsinfrastruktur nötig»

Doch damit Schweizer Firmen von diesem Potenzial profitieren können, brauche es Anpassungen in der Gesetzgebung: «Sowohl Konsumenten als auch Produzenten brauchen Rechtssicherheit», fordert Lino Cereghetti. Sonst werde die Schweiz als Standort für die Cannabis-Industrie von den Vorreitern Israel, Kanada, Uruguay und den USA abgehängt. FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (46) hielt auf der CB Expo die Eröffnungsrede. Auch sie sieht Handlungsbedarf: «Wir brauchen bessere gesetzliche Grundlagen, die den Produzenten erlauben, das volle Potenzial aus der Pflanze zu schöpfen – gerade für medizinische Anwendungen.» Zudem würde so auch der Schwarzmarkt schrittweise ausgetrocknet. Auf diese Weise sieht die Politikerin die Schweiz als Produktionsland für Cannabis mit «seiner Innovationskraft, der produzierenden Landwirtschaft und Exportorientierung» ganz vorn mit dabei.

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