Psychologe Markus Kiefer erklärt die Bedürfnisse
Sind Kuscheltiere bei Erwachsenen normal?

Umfragen zufolge sollen 10 bis 40 Prozent aller Menschen auch im Erwachsenenalter noch Kuscheltiere haben. Der deutsche Psychologe Markus Kiefer hat dazu geforscht und erklärt, was es damit auf sich hat.
Publiziert: 17.03.2024 um 17:14 Uhr
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Aktualisiert: 18.03.2024 um 13:04 Uhr
Eine Umarmung des Teddys, und schon geht es einem besser. Das kann ein Anzeichen eines psychischen Problems sein, muss es aber nicht.
Foto: Getty Images/Image Source
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Valentin RubinRedaktor Service

Für viele ist es ein schambehaftetes Thema: Kuscheltiere im Erwachsenenalter. Wer mit 35 mit Teddy einschläft, behält das meist für sich. Markus Kiefer (57), Professor für Psychologie und kognitive Neurowissenschaften am Uniklinikum Ulm (D), hat dazu geforscht. Er sagt: «Kuscheltiere gelten noch immer als Indikator für kindliches Verhalten in unserer Gesellschaft.»

Dabei zeigt sich: Es gibt mehr Erwachsene als angenommen, die noch ein Kuscheltier bei sich haben. Umfragen aus den USA und aus Deutschland zufolge sollen zwischen zehn und 40 Prozent nach wie vor eines besitzen. Als Einschlafhilfe, auf Reisen, oder um darin Trost zu erhalten. Kiefer: «Kuscheltiere können bei Erwachsenen genau wie bei Kindern eine sehr wichtige Rolle spielen.» Schämen müsse man sich deswegen keineswegs.

Kuscheltiere als wichtiger Ersatz

«Die Funktion von Kuscheltieren ist bei Erwachsenen dieselbe wie bei Kindern», sagt Kiefer. Das habe mit dem Konzept der Bindung zu tun. Bindung zu Eltern, Geschwistern, Mitmenschen. Aber auch Bindung zu Haustieren und eben zu Stofftieren. «Wir bauen mit Personen und Objekten unserer Umwelt eine emotionale Bindung auf. Im Kindes- und Jugendalter ist eine sichere Bindung von zentraler Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung.» Eine vertrauensvolle und zuverlässige Bindung zu den Eltern führe zu psychischer Gesundheit und zur Gewissheit, dass man unterstützt werde.

Markus Kiefer (links) forscht zur Borderline-Persönlichkeitsstörung. Dabei stellte er gemeinsam mit seinem Forschungskollegen Carlos Schönfeldt-Lecuona (rechts) fest, dass Kuscheltiere eine wichtige Rolle für Betroffene spielen.

Im Rahmen dieser Bindungstheorie dienen Kuscheltiere laut Kiefer als sogenannte Übergangsobjekte. «Kinder bauen zu Stofftieren Bindungen auf, damit sie einen Ersatz haben, wenn die Eltern gerade nicht da sind.» Zum Beispiel, weil sie sich in einem anderen Raum befinden. Oder nachts, wenn das Kind allein im Dunkeln liegt. «Ein Übergangsobjekt übernimmt in diesen Fällen die Aufgabe der Eltern und beruhigt und tröstet.» 

Normalerweise nehme das Bedürfnis nach solchen Übergangsobjekten im Alter von etwa sechs Jahren ab, sagt Kiefer. «Dann haben Kinder im Idealfall stabile Bindungen mit ihren Mitmenschen entwickelt und wissen, dass diese für einen da sind, auch wenn man sie gerade nicht sehen kann.»

Dank Kuscheltier zu engerer emotionaler Bindung

Durchlebe man als Kind allerdings eine schwierige Zeit und könne mit den Eltern keine gesunde Bindung aufbauen, könne es sein, dass Übergangsobjekte wie Kuscheltiere auch länger nötig sind – je nach dem bis weit ins Erwachsenenalter hinein. «Die Bindungserfahrungen, die wir als Kind gemacht haben, prägen uns», sagt Kiefer. Seien die Eltern etwa selten feinfühlig und stattdessen abweisend oder gar übergriffig gewesen, könne man Bindungsängste entwickeln. «Man hat dann als Erwachsener Mühe, mit seinen Mitmenschen vertrauensvoll zu interagieren.»

Im schlimmsten Fall könne das zu einer Borderline-Persönlichkeitsstörung führen – einem Zustand, in dem Betroffene keine stabilen Beziehungen eingehen können und eine ausgeprägte Angst haben, verlassen zu werden. Da der Mensch ein soziales Wesen sei, suche er sich bei Problemen alternative Möglichkeiten des Trostes, zum Beispiel mit Kuscheltieren. «Sie sind weich, kuschelig und können noch dazu ein Erinnerungsstück an die eigene Kindheit sein.»

Ein Riesen-Esel als Einschlafhilfe und Beruhigungsmittel. Laut Experten kann ein Plüschtier auch für Erwachsene eine wichtige Funktion einnehmen.
Foto: Getty Images

Muss kein Anzeichen eines psychischen Problems sein

Kuscheltiere haben noch einen Vorteil: Sie bewerten nicht. «Kuscheltiere sind immer für einen da, laufen nicht weg und geben die nötige Stabilität.» Auch wenn man wisse, dass es sich dabei um leblose Stofftiere handle, sei dieser Aspekt für Betroffene wichtig und beruhigend, sagt Kiefer. Er hat diesen Effekt im Klinikalltag deutlich beobachten können.

Auch bei psychisch gesunden Erwachsenen besteht laut Kiefer kein Grund zur Sorge oder Scham, wenn man noch Kuscheltiere hat. «Unsicherheiten bei unseren Beziehungen gehören ein Stück weit zum Leben dazu. Kuscheltiere können bei der emotionalen Beruhigung helfen.» Dass man deswegen nicht ernst genommen oder als unreif abgestempelt werde, habe mit gesellschaftlichen Normen und sozialer Akzeptanz zu tun. «Dabei zeigt die Erfahrung klar: Kuscheltiere können für Erwachsene die gleiche emotionale Funktion haben wie für Kinder.»

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