Zu den klassischen Hänseleien gehören gemäss der Schweizer Mobbing-Expertin Christelle Schläpfer (51) Beleidigungen wie «Du stinkst!», jemanden wegen eines neuen Kleidungsstücks oder eines ungewöhnlichen Hobbys auszulachen, seinen Namen zu verhunzen oder sich über jemanden lustig zu machen, der weint. Fast jeder Erwachsene wurde als Kind einmal gehänselt. Das heisst nicht zwingend, dass er psychische Verletzungen davongetragen hat.
Wenn jemand jedoch immer wieder zur Zielscheibe wird, kann das drastische Konsequenzen fürs seelische Wohlbefinden haben. Dann spreche man von Mobbing, sagt Schläpfer. Mobbing könne traumatisch wirken und zu Angstzuständen und Depressionen führen, die bis ins Erwachsenenalter anhalten. Manchmal brauche es deshalb eine darauf ausgerichtete Therapie, sagt Schläpfer. «Selbsthilfetechniken können Betroffene dabei unterstützen.»
Sich nicht schämen
Wer Mobbing erfahren habe, bereue oft, wie er darauf reagiert habe, schreibt Stacee Reicherzer im amerikanischen Onlinemagazin «Psyche». Die Autorin eines Ratgebers für Mobbing-Opfer ist Assistenzprofessorin für psychosoziale Beratung an der Adler University von Chicago, Illinois. Wenn sich betroffene Kinder und Jugendliche in sich zurückziehen, vor Mobbing-Situationen davonlaufen oder aggressiv darauf reagieren, basiert das laut Reicherzer auf instinktiven Überlebensstrategien, für die sich niemand schämen muss.
Ein geführtes Tagebuch schreiben
Wer früher gemobbt wurde, habe oft eine negative Grundeinstellung zum Leben, sagt Mobbing-Expertin Christelle Schläpfer. «Man hat das Gefühl, immer aufpassen zu müssen, was man sagt, alle seien gegen einen und das Leben sei komplett unfair.» Als kleine Unterstützung kann in solchen Fällen ein sogenanntes Dankbarkeitstagebuch dienen. Das Erfolgreichste im deutschsprachigen Raum ist das geführte «6-Minuten-Tagebuch», in das jeweils drei Minuten am Morgen und am Abend Antworten auf Fragen wie «Welche drei tollen Dinge habe ich heute erlebt?» geschrieben werden. Schläpfer: «Das kann helfen, sich aufs Positive zu konzentrieren.»
Die Angst würdigen
Christelle Schläpfer empfiehlt Menschen mit Mobbing-Vergangenheit, die Angst von damals zu würdigen, weil das Gefühl sie ein Stück weit davor geschützt habe, in die nächste gefährliche Situation zu laufen. Viele Betroffene seien auch traurig, dass Kollegen nicht zu ihnen standen, als sie gehänselt wurden. «Das ist für sie häufig schlimmer als das Mobbing selbst.»
Christelle Schläpfer (51) unterstützt und berät als psychologische Beraterin Menschen, die von Mobbing sowie Cybermobbing betroffen sind und unterstützt Schulen, die Mobbingfälle bewältigen müssen oder sie verhindern wollen. Die ehemalige Gymnasiallehrerin für Spanisch und Französisch doziert unter anderem an Universitäten und Instituten in Barcelona und Paris.
Christelle Schläpfer (51) unterstützt und berät als psychologische Beraterin Menschen, die von Mobbing sowie Cybermobbing betroffen sind und unterstützt Schulen, die Mobbingfälle bewältigen müssen oder sie verhindern wollen. Die ehemalige Gymnasiallehrerin für Spanisch und Französisch doziert unter anderem an Universitäten und Instituten in Barcelona und Paris.
Nach Beweisen suchen
Wer unter den Spätfolgen wiederholter Hänseleien leidet, gerät oft in Situationen, die alte Gefühle neu auslösen, und zieht daraus Schlussfolgerungen, die sich in einer sogenannten privaten Logik manifestieren. Sie führe dazu, dass Menschen mit einer Mobbing-Vergangenheit oft dazu neigen, in allem einen Angriff zu wittern, sagt Schläpfer. In diesem Fall empfiehlt sie, sich zu überlegen, wie sehr dieses Gefühl auf Fakten beruht. «Vielleicht stellt sich heraus, dass ich nur davon ausgehe, dass mich die Kollegen am Arbeitsplatz ausschliessen, obwohl es eigentlich keine Beweise dafür gibt.»
Erlebtes nicht weitergeben
In ihrer Praxis in Winterthur berät Schläpfer Familien mit Kindern, die Mobbing erfahren. Dabei stellt sich häufig heraus, dass manche Eltern zu ihrer Schulzeit selbst Mobbing-Opfer waren. Sie reagieren entsprechend empfindlich, wenn ihrer Tochter oder ihrem Sohn dasselbe widerfahre, sagt die Expertin. «Sie leiden oft mehr als die direkt Betroffenen und reagieren besonders emotional gegenüber der Schule – was die Situation fürs Kind verschlimmert.»
Durchatmen
Wer in jungen Jahren stark gehänselt wurde, will das auf keinen Fall wieder erleben und ist entsprechend dünnhäutig. Hier helfen sogenannte Selbstregulierungstechniken, dank denen Betroffene die körperliche Reaktion auf negative Gefühle dämpfen und sich dadurch beruhigen können. Dazu gehören Atemübungen oder die 5-Sinne-Achtsamkeitsübung. Letztere zielt darauf ab, sich in stressigen Situationen auf das zu konzentrieren, was man hört, riecht, schmeckt, fühlt und riecht. Wenn sich Menschen, die gemobbt wurden, bedroht fühlen, seien sie wortwörtlich ausser sich, sagt Schläpfer. «Diese Übungen bringen sie zurück in ihren Körper.»