Im Mai tauchten sie plötzlich auf der ganzen Welt auf: Affenpocken, die eigentlich hauptsächlich auf dem afrikanischen Kontinent zu finden sind. Seither haben sich laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) schon rund 5000 Personen mit dem Pockenvirus infiziert, der Erreger ist mittlerweile in über 40 Ländern aufzufinden.
Der Notfallausschuss der WHO kam am Donnerstag zusammen, um zu erörtern, ob der Ausbruch der Affenpocken als «Gesundheitsnotfall von internationaler Tragweite» eingestuft werden sollte, was neue Finanzmittel mobilisieren und die Regierungen zum Handeln veranlassen würde. Das Coronavirus wurde nach einer ähnlichen Sitzung im Januar 2020 als solcher Notfall eingestuft.
Kommt da etwa eine neue Pandemie auf die Welt zu? Experten wollten davon bislang nichts wissen, denn: Bisher dachte man, die Affenpocken mutieren, im Gegensatz etwa zum Coronavirus, nur sehr langsam.
Affenpocken mutieren bis zu zwölfmal schneller als angenommen
Eine neue Studie aus Portugal widerspricht dieser Annahme, wie «Focus» berichtet. Im Vergleich zu den Erregern aus den Jahren 2018 und 2019 hat man bereits an die 50 Unterschiede im Erbgut entdeckt, heisst es im Fachmagazin «Nature Medicine».
In den letzten Wochen kamen die Forschenden immer wieder zu dem Ergebnis, dass die Affenpocken schneller mutierten, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. Sechs- bis zwölfmal schneller würde das Virus mutieren, so das portugiesische Team. Das sei von den Erregern gar nicht zu erwarten gewesen.
«Unsere Daten liefern zusätzliche Hinweise auf anhaltende virale Evolution und mögliche Anpassung an den Menschen», schreibt das Team um João Paulo Gomes vom National Institute of Health Doutor Ricardo Jorge (INSA) in Lissabon. Die Veränderungen könnten also ein Zeichen beschleunigter Evolution sein.
Verantwortlich für diese Veränderungen im Virus-Genom sind wohl Enzyme des menschlichen Immunsystems. Richard Neher, Experte für die Evolution von Viren aus Basel, erklärt gegenüber dem deutschen Portal: Die Mutationsrate sei «in der Tat überraschend hoch» und weise ein ganz spezifisches Muster auf. «Auch innerhalb des aktuellen Ausbruchs sehen wir diese beschleunigte Mutation. Die Rate ist in etwa bei einer Mutation pro Genom pro Monat - mit einiger Unsicherheit», so Neher.
Grosse Menge an Mutationen nicht unbedingt Grund zur Sorge
Ob die Mutationen die derzeitige Verbreitung erst möglich gemacht haben, könne Neher allerdings nicht beantworten. Darauf gebe es aktuell noch keine Hinweise, ausschliessen könne man es aber trotzdem nicht. Auch die Frage, ob die Affenpocken nun infektiöser sind als in vorherigen Jahren, könne man noch nicht vollständig beantworten. «Die meisten der Mutationen haben vermutlich keine dramatischen Auswirkungen», so Neher.
Und: Auch wenn die grosse Menge an Mutationen nach einer grossen Veränderung des Virus – und somit bedrohlich – klingt, muss das nicht unbedingt negativ sein, wie die «New York Times» schreibt. Von den bereits in einer früheren Arbeit entdeckten 47 Mutationen trugen ganze 42 das Enzym «Apobec3» in sich. Dieses Enzym sei eine Waffe des menschlichen und tierischen Immunsystems, um Viren wie Affenpocken zu bekämpfen.
Die Mutationen, die durch «Apobec3» ausgelöst werden, seien sogar eher schädlich für das Virus, schreibt die amerikanische Zeitung. Deshalb sei die blosse Anzahl der Mutationen also nicht besorgniserregend. Die Auswirkungen der Mutationen seien also sogar «eher schwächend». (chs)