Hype um Pflanzenextrakte
Warum Sellerie keinen Krebs heilen kann

Immer mehr Leute wollen Krankheiten mit Selleriesaft und anderen pflanzlichen Mitteln bekämpfen. Auch Krebs. Eine Expertin sagt, warum das nicht funktioniert.
Publiziert: 11.10.2023 um 21:02 Uhr
Je grüner, desto gesünder? Sellerie hat Grenzen, was seine gesundheitlichen Vorteile angeht.
Foto: Getty Images/Johner RF
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Jana GigerRedaktorin Service

Selleriesaft gilt gerade als medizinische Wunderwaffe. Er soll sogar Tumore heilen. Schweizer Prominente wie die Influencerin Anja Zeidler (30), aber auch internationale Stars wie Schauspielerin Gwyneth Paltrow (51) und Musiker Pharrell Williams (50) folgen dem Gesundheitstrend. Daniela Weiler (53), leitende Ärztin in der medizinischen Onkologie am Tumorzentrum des Luzerner Kantonsspitals, weiss, was Pflanzen gegen Krebs ausrichten können. Und was nicht.

Frau Weiler, was kann ein gesunder Lebensstil zur Heilung von Krebs beitragen?
Daniela Weiler: Eine pflanzenbasierte, vollwertige Ernährung und körperliche Aktivität sind unterstützende Massnahmen zu medizinischen Behandlungen, ersetzen diese aber nicht. Untersuchungen bei Brustkrebs zeigen, dass eine fettarme, pflanzenbasierte und faserreiche Ernährung das Rückfall- und Sterberisiko leicht senken kann.

Konkret sollen Selleriesaft und Traubenkernextrakt das Wachstum von Krebszellen hemmen.
Sellerie und Traubenkerne enthalten Antioxidantien aus der Gruppe der Flavonoide, die in vielen Nahrungsmitteln wie Äpfeln, Zwiebeln, Kirschen oder Auberginen vorkommen. Antioxidantien können Zellen vor Schäden schützen. Es gibt aber keine Nachweise, dass Antioxidantien in Form von hoch dosierten Nahrungsergänzungsmittel bei einer Krebstherapie oder zur Vorbeugung der Krankheit hilfreich sind. Im Gegenteil.

Schweizer Influencerin setzt auf Sellerie

Die Luzerner Influencerin Anja Zeidler (30) hat unterhalb ihrer linken Brust einen Desmoid-Tumor. Da diese Art von Tumor keine Metastasen bildet, handelt es sich um ein gutartiges Gewächs und nicht um Krebs. Vorerst möchte Zeidler den Tumor weder operativ noch mit einer Bestrahlung behandeln lassen. Stattdessen setze sie auf alternative Methoden wie eine gesunde Ernährung, teilte sie auf Instagram mit. Sie trinke Selleriesaft, nehme Traubenkernextrakt ein und verzichte komplett auf raffinierten Zucker.

Instagram / @anjazeidler

Die Luzerner Influencerin Anja Zeidler (30) hat unterhalb ihrer linken Brust einen Desmoid-Tumor. Da diese Art von Tumor keine Metastasen bildet, handelt es sich um ein gutartiges Gewächs und nicht um Krebs. Vorerst möchte Zeidler den Tumor weder operativ noch mit einer Bestrahlung behandeln lassen. Stattdessen setze sie auf alternative Methoden wie eine gesunde Ernährung, teilte sie auf Instagram mit. Sie trinke Selleriesaft, nehme Traubenkernextrakt ein und verzichte komplett auf raffinierten Zucker.

Was meinen Sie damit?
Nahrungsergänzungsmittel können im Fall von unerwünschten Wechselwirkungen mit Arzneimitteln die Wirkung einer Krebstherapie abschwächen oder Nebenwirkungen verstärken. Selleriesaft und Traubenkerne sind keine Heilmittel und weder für die Vorbeugung noch die Behandlung von Krankheiten geeignet.

Daniela Weiler (53) ist Expertin für Krebserkrankungen und Ernährung.
Foto: zVg

Radikaler Verzicht auf Zucker soll Krebszellen aushungern. Was ist da dran?
Der Mediziner Otto Warburg stellte 1924 in Laborexperimenten an Krebszellen fest, dass diese mehr Zucker benötigen als gesunde Zellen. Solche Experimente lassen sich oft nicht auf den Körper mit seinem ausgefeilten Organismus und seinen komplexen Stoffwechselvorgängen übertragen. Der Verzicht auf Zucker kann den Krebs sowieso nicht von der Energiezufuhr abschneiden. Einerseits, weil unser Körper, auch wenn wir gar keine Kohlenhydrate zu uns nehmen, selbst aus Fettsäuren und Proteinen Zucker herstellen kann. Anderseits, weil Krebszellen ihren Energieverbrauch auch mit Fettsäuren decken können.

Sie plädieren dafür, das Krebsrisiko präventiv mit einem gesunden Lebensstil zu reduzieren.
Der World Cancer Research Fund – eine internationale Organisation, die den Zusammenhang zwischen Krebs, Ernährung und Gewicht erforscht – geht davon aus, dass ein Drittel aller Krebskrankheiten mit Ernährung, Gewichtskontrolle und Bewegung vermeidbar wären. Wenn man sich pflanzenbasiert ernährt, wenig Fleisch isst und möglichst auf Fast Food, stark verarbeitete Lebensmittel sowie Süssgetränke und Alkohol verzichtet, kann man – verbunden mit körperlicher Aktivität – das Risiko für Krebs und Herzkreislaufkrankheiten senken.

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