Nahrung beeinflusst die Psyche
Warum Zucker depressiv machen kann

Dass Zucker ungesund ist, ist uns bekannt. Dass sein Konsum längerfristig unglücklich machen kann, wenig. Psychiater und Autor Gregor Hasler (54) von der Uni Freiburg erklärt die Hintergründe.
Publiziert: 16.06.2023 um 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 30.06.2023 um 15:39 Uhr
Unsere Körper ist eigentlich nicht für den Konsum von reinem Zucker gemacht.
Foto: imago images / Future Image
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Valentin RubinRedaktor Service

Blick: Herr Hasler, wie hängen Ernährung und Psyche zusammen?
Gregor Hasler
: Unser Darm und unser Hirn sind über das Nervensystem verbunden und kommunizieren permanent miteinander. Zudem werden unser Immunsystem und unser Hormonhaushalt nicht im Hirn, sondern im Darm gesteuert. Was ich esse, hat einen direkten Einfluss auf meine Psyche.

Inwiefern?
Gerade bei Menschen, die oft gestresst sind und unregelmässig essen, kann eine Ernährungsumstellung viel bewirken und bestenfalls einer Depression vorbeugen. Unser Wohlbefinden hängt stark vom Zustand unseres Mikrobioms, also unserer Darmbakterien, ab. Wenn wir diese mit probiotischen, das heisst mit fermentierten oder gegärten Lebensmitteln versorgen, tut das unserer Psyche gut.

Welche Lebensmittel wären das konkret?
Besonders probiotisch sind säuerliche Milchprodukte wie Naturjoghurt und Kefir oder Käsesorten wie Gruyère, Cheddar und Parmesan. Ebenso eingelegtes Gemüse wie Kimchi, Sauerkraut oder saure Gurken. Daneben sind frisches Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte sehr bekömmlich und wirken sich positiv auf unser Wohlbefinden aus.

Fermentierte Lebensmittel wie Kimchi (eingelegter Chinakohl aus Korea) sind probiotisch und damit gut für unseren Darm und unsere Psyche.
Foto: Shutterstock

Warum belohnen wir uns dann nach einem stressigen Tag lieber mit Süssem statt mit Sauerkraut?
Süsses zu essen, hatte in der Evolution stets eine Schutzfunktion. Etwas, das von Natur aus süss schmeckt, ist meist bedenkenlos essbar – weder giftig noch verdorben. Daher nimmt unser Gehirn noch heute Zucker als Belohnung wahr. Geht es uns schlecht, ist der Griff nach Süssigkeiten nachvollziehbar. Zucker gibt uns ein wohliges und sicheres Gefühl. Das ist aber gleichzeitig ein Problem.

Warum?
Weil wir zu viel davon konsumieren. In der Natur gibt es praktisch keinen reinen Zucker. Selbst süsse Früchte enthalten neben Zucker viele Faser- oder Ballaststoffe. Getreide und Linsen enthalten Zucker in Form komplexer Kohlenhydrate, die unser Körper nur langsam abbaut. Die Lebensmittelindustrie fügt heute aber vielen verarbeiteten Lebensmitteln reinen Kristallzucker bei und nutzt so die Belohnungssignale unseres Gehirns aus. Wir werden süchtig nach Belohnung. Die hält aber nie lange an, da reiner Zucker schnell abgebaut wird. Langfristig stumpft unser Belohnungssystem somit ab.

Experte für Darm und Hirn

Gregor Hasler (54) ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uni Freiburg. Sein Buch «Die Darm-Hirn-Connection» befasst sich eingehend mit dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Psyche.

Gregor Hasler (54) ist Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uni Freiburg. Sein Buch «Die Darm-Hirn-Connection» befasst sich eingehend mit dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Psyche.

Und diese Abstumpfung macht uns depressiv?
Ja. Eine Belohnung mit Süssem ist nur kurzfristig sinnvoll. Wenn wir ständig, auch zwischen den Mahlzeiten, Süsses und Snacks essen, schüttet der Körper permanent Insulin aus, um den Zucker abzubauen. Das ist eine konstante Belastung für unseren Körper. Und langfristig reagieren wir immer weniger auf Zucker. Das Gefühl einer Belohnung bleibt aus. Das kann Depressionen begünstigen.

Übermässiger Zuckerkonsum beeinträchtigt das Belohnungssystem unseres Gehirns. Das kann Depressionen begünstigen.
Foto: Getty Images

Welche Ernährungsform wäre denn für unsere Psyche am besten?
Die mediterrane Küche, mit vielseitigem und frischem Obst und Gemüse. Es spielt nicht nur eine Rolle, was wir essen, sondern auch wie wir das tun. In Italien sieht man das gut. Das Essen hat dort eine hohe Bedeutung. Man kocht oft täglich frische Speisen, isst meist gemeinsam und nicht allein. Es gibt drei ordentliche Mahlzeiten pro Tag und wenig Snacks zwischendurch. Auf Sardinien werden viele Menschen überdurchschnittlich alt. Das hat zu einem grossen Teil mit ihrer Ernährung zu tun.

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