Auf einen Blick
Gerade weilt Friedrich Klapdor (94) zum hundertsten Mal in der Fastenklinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen am Bodensee. Seit 54 Jahren ist er Stammgast dort, zuerst einmal, später zweimal im Jahr, jeweils im Frühling und im Herbst. Im Frühling fastet Friedrich Klapdor jeweils klassisch, verzichtet also auf feste Nahrung und nimmt nur Saft und Gemüsebrühe zu sich. Im Herbst setzt er auf eine 800-Kalorien-pro-Tag-Diät. Dies, bis er 85 ist. «Dann habe ich gemerkt, dass mir die Übergänge zum und vom Fasten mehr Mühe bereiteten als zuvor.» Seither gibts auch im Frühling jeweils drei Wochen nur 800 Kalorien pro Tag.
Dass er sich nach der Kur jeweils «leicht und beschwingt» fühle, habe nicht nur mit den vier bis sechs Kilo zu tun, die er in den 21 Tagen im Durchschnitt abnimmt, sagt Klapdor. Eine Studie, welche die Buchinger-Wilhelmi-Klinik kürzlich über ihn veröffentlicht, zeigt: Klapdor ist topfit. «Er erreichte in allen Tests die maximale Punktzahl», sagt Françoise Wilhelmi de Toledo (71), Senior Scientific Advisor der Klinik. «Besonders bemerkenswert für sein Alter sind seine herausragenden kognitiven Fähigkeiten und seine Lebensfreude.»
Ein langes, gesundes Leben dank Fasten? Françoise Wilhelmi de Toledo beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was ist Fasten?
«Fasten ist eine physiologische Funktion, die eigentlich zum Lebensrhythmus von Tieren und Menschen gehört. Menschen fasten während der Nacht und sollten jährlich mehrere Tage am Stück fasten. Wir haben es, dank der ständigen Verfügbarkeit von Essen, auch im Winter, aber verlernt», sagt die Expertin. Beim Fasten geht es nicht nur ums Abnehmen – auch wenn dies eine erwünschte Wirkung ist –, sondern um die Reinigung und Regeneration der Körperzellen. Nach etwa einem Tag Fasten fängt der Stoffwechsel an, sich umzustellen. Der Körper gewinnt Energie nicht mehr aus im Essen zugeführter Glukose, sondern aus Fettreserven. So erhalten zum Beispiel die Leber oder der Darm, aber auch das Hirn eine «Zuckerpause», die sich nicht nur auf den Körper positiv auswirkt, sondern auch auf die Psyche.
Kann Fasten Krankheiten heilen?
Françoise Wilhelmi de Toledo vergleicht das Fasten gern mit einem gründlichen Wohnungsputz inklusive Entrümpelung. «Wer den Körper zweimal pro Jahr gründlich reinigt, läuft weniger in Gefahr, dass sich zu viel Schmutz ansetzt.» So ist erwiesen, dass Fasten vielen Beschwerden vorbeugt oder ihre Heilung unterstützt. «Gerade bei chronischen Entzündungen wie rheumatischen Erkrankungen hat sich in Studien gezeigt, dass Fasten eine äusserst positive Auswirkung haben kann.»
Kann ich auch zu Hause fasten?
Theoretisch schon – bei der Buchinger-Wilhelmi-Klinik gibt es sogar eine fünftägige Fastenbox für zu Hause. «Die empfohlenen 10-, 15-, oder 21-Tage-Kur führt man aber unter ärztlicher Aufsicht durch», so die Fachfrau. Ausserdem ist die Distanz zum Alltag ein nicht zu unterschätzender Teil einer erfolgreichen Kur. Wer noch täglich Meetings organisiert oder Kinder betreut, kann sich schlecht im nötigen Mass auf die Erholung von Körper und Geist konzentrieren.
Wer sich allerdings auch im Alltag gesunde Gewohnheiten zulegt, erhöht die Chance auf langfristigen Erfolg. So ernährt sich auch Friedrich Klapdor seit seiner ersten Fastenkur weitgehend biologisch und hat mit dem Rauchen aufgehört. «Mein Bierchen lasse ich mir aber nicht nehmen», erzählt er schmunzelnd. «Aber es geht ja auch nicht darum, sich zu kasteien, sondern um eine gesunde Balance.»
Kann Fasten schaden?
Die Behauptung, dass beim Fasten nicht nur Energie aus den Fettreserven, sondern auch aus den Muskeln gezogen wird, was zu Muskelabbau, Krämpfen oder Herzkreislaufstörungen führen könnte, widerlege die hundertjährige klinische Erfahrung sowie aktuelle Publikationen, so die Expertin. «Wichtig während dem Fasten ist auch regelmässige Bewegung.» Kindern im Wachstum und Schwangeren rät sie allerdings vom Fasten ab: «Sie müssen regelmässig mit Nährstoffen versorgt werden.»