Intervallfasten gilt seit einigen Jahren als erfolgreiche Methode, um gesund abzunehmen und den Cholesterinspiegel sowie den Blutdruck zu senken. Anstatt bloss die Kalorienaufnahme zu reduzieren, isst man während einer begrenzten Anzahl Stunden am Tag und fastet die restliche Zeit.
Jetzt behauptet eine Studie aus Shanghai, dass diese Ernährungsweise sehr schädlich sei. Menschen, die das Intervallfasten praktizieren, sollen ein 91 Prozent höheres Risiko haben, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, als Personen, die über einen längeren Zeitraum verteilt essen.
Experten äussern Kritik an der Studie
Die Forscher der Jiao Tong University in Shanghai haben für ihre Untersuchung die Angaben von mehr als 20'000 Probanden einer grossen amerikanischen Gesundheitsstudie verwendet und ausgewertet. Die Personen wurden im Schnitt acht Jahre lang beobachtet und je nach Essenszeiten in diverse Gruppen unterteilt. Als Kontrollgruppe galten jene, die während zwölf bis 16 Stunden pro Tag assen. Die Ergebnisse wurden auf dem Jahreskongress der American Heart Association Mitte März präsentiert. Diverse Ärzte kritisieren die Studie und äussern sich.
Zum einen wird bemängelt, dass die Studienautoren nicht wüssten, warum, wie lange und wie genau die Probanden Intervallfasten praktiziert haben. Deshalb seien keine zuverlässigen Aussagen über die Auswirkungen des Intervallfastens möglich, heisst es. Zum anderen gab es in der Gruppe der Intervallfastenden viele übergewichtige Probanden und Raucher, die grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten.
Nicht aussagekräftige Daten
Auch David Fäh (50), Ernährungsmediziner und Dozent für Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule, ist der Meinung, dass man mit den Resultaten vorsichtig umgehen müsse. «Informationen zum Lebensstil beruhen nicht auf Messungen, sondern auf Fragebögen, die die Probanden selbst ausgefüllt haben.» Daraus Schlüsse zu ziehen, sei heikel, sagt er. «Die Menschen schätzen ihr Essverhalten oft falsch ein.»
David Fäh (50) arbeitet seit 2015 hauptsächlich als Wissenschaftler und Dozent an der Berner Fachhochschule für den Studiengang Ernährung und Diätetik. Er hat an der Uni Basel Medizin studiert, an der Uni Zürich habilitiert und an der ETH Zürich ein Studium in Ernährungswissenschaften abgeschlossen. Ausserdem besitzt er einen Hochschulabschluss in Sporternährung.
David Fäh (50) arbeitet seit 2015 hauptsächlich als Wissenschaftler und Dozent an der Berner Fachhochschule für den Studiengang Ernährung und Diätetik. Er hat an der Uni Basel Medizin studiert, an der Uni Zürich habilitiert und an der ETH Zürich ein Studium in Ernährungswissenschaften abgeschlossen. Ausserdem besitzt er einen Hochschulabschluss in Sporternährung.
Dass die Forscher nicht wissen, aus welchem Grund die Probanden auf regelmässige Nahrung verzichtet haben, ist gemäss Fäh eine weitere Schwäche der Studie. «Ich habe den Verdacht, dass die Personen gar nicht bewusst Intervallfasten praktiziert haben, sondern aufgrund einer Vorerkrankung.» Eine chronische Herzinsuffizienz kann im fortgeschrittenen Stadium zum Beispiel dazu führen, dass die Betroffenen weniger Appetit haben und ungewollt Gewicht verlieren. Das könnte laut Experte erklären, warum die fastenden Probanden häufiger an Herzerkrankungen starben.
Vor- und Nachteile von Intervallfasten
Gerade weil Intervallfasten bisher immer als sehr positiv dargestellt wurde, stellt sich aufgrund der neuen Studie die Frage, ob es überhaupt gesund ist. Fäh sagt: «Für meinen Geschmack wurde Intervallfasten viel zu sehr gehypt.» Viele der übertriebenen Annahmen und Hoffnungen würden von Studien an Tieren stammen, die nicht auf den Menschen übertragbar seien. «Studien am Menschen zeigen kaum Vorteile von Intervallfasten, was die Gewichtskontrolle anbelangt gegenüber kontinuierlicher Kalorienrestriktion», sagt der Experte. Zu diesem Schluss kam eine Studie aus dem Jahr 2022, die im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Bei Menschen mit einer Fettleber könnte das Intervallfasten gemäss Experte jedoch von Vorteil sein. Allerdings sei das Kaloriendefizit entscheidend und weniger das Intervall.
Ausserdem sei Intervallfasten für Menschen sinnvoll, die Schwierigkeiten hätten, weniger oder anders zu essen, sagt Fäh. «Manchmal fällt es einem leichter, nur in einem bestimmten Zeitraum, dafür uneingeschränkt zu essen, statt dauerhaft weniger.» Älteren Menschen ab 65 oder 70 Jahren rät der Experte, das Intervallfasten gut abzuwägen. «Für sie kann es der Gesundheit schaden, weil sie bei längeren Fastenzeitfenstern schneller Muskeln abbauen, als es für das Alter normal ist.» Muskelschwund gehe mit einem grösseren Sterberisiko einher, weil er zum Beispiel die Mobilität einschränke und das Sturz- und Frakturrisiko sowie das Diabetesrisiko erhöhe.