Wir erinnern uns mit einem Schaudern an den Lockdown, als bei herrlichstem Frühlingswetter die Gartencenter wochenlang geschlossen waren. Heuer strömen die Menschen ungehindert in die Gärtnereien, um sich für die Pflanzsaison zu rüsten.
Allerdings: Garten ist nicht gleich Garten. Und die Motivation zum Gärtnern unterscheidet sich von Mensch zu Mensch. Man könnte behaupten: Am Garten lässt sich viel über den Menschen dahinter ablesen. Eine Typologie in sechs Teilen.
Biogarten
Jede Schnecke hat eine Daseinsberechtigung.
Wer einen Biogarten hat, ist tolerant. Mit Sicherheit zumindest mit Blick auf die Natur. Jedes Insekt, jedes Unkraut, jede Schnecke hat seine Daseinsberechtigung. Im Biogarten sollen die Mechanismen der Natur greifen, ohne Einsatz von chemischem Dünger oder irgendwelchen Pestiziden.
«Biogärtnerinnen und -gärtner schaffen ein Refugium für sich selbst sowie einen Lebensraum für die heimische Tier- und Pflanzenwelt», sagt Eva Puchtinger (47), Chefredaktorin von «Kraut & Rüben», einem Magazin für biologisches Gärtnern.
Lange galt Gartenarbeit als spiessiges Hobby. Der heutige Zeitgeist der Nachhaltigkeit und die ökologische Herangehensweise im Biogarten machen das Gärtnern aber zur schicken Beschäftigung. Wer biogärtnert, sieht sich selbst als etwas wild und unkonventionell und spiegelt dies in seinem Garten. Unperfekt ist hier perfekt; das Wilde gilt als schön.
Schottergarten
Natur ist zum Zähmen da.
Wer einen Schottergarten hat, sieht sich als Kontrollinstanz der Natur: Vor dem Haus liegt grauer Schotter über einem Vlies, das Unkraut von unten verhindern soll, drumherum fährt der Roboter auf der Grünfläche mit akkuraten Rasenkanten. Hier soll nichts kreuchen und fleuchen, nichts Unvorgesehenes passieren.
Die Bepflanzung soll möglichst wenig schmutzen; die Hecke wirft weder Laub, Blüten noch Beeren ab. «Der Mensch definiert die Grenze für die Natur; darüber hinaus wird nicht gewachsen», sagt Gartenbauerin Eva Puchtinger.
Wie in den orchestrierten Schlossgärten von Versailles ist auch hier jeder Grashalm «Inbild von Disziplin», wie es im Katalog zur aktuellen Ausstellung «Garden Futures» im Vitra Design Museum in Weil am Rhein (D) heisst. Und das soll möglichst auch wahrgenommen werden, sagt Puchtinger. «In dieser Art von Garten zählen Mähroboter, Loungemöbel und kunstvolle Illumination oft mehr als die Pflanzen selbst. Und all diese Statussymbole sollen wirken – auch und gerade bei Besuchern.»
Urbaner Garten
Alles ist ein Garten.
Urbane Gärtnerinnen und Gärtner gehören nicht zu den Privilegierten, die städtisch leben und trotzdem von eigener Grünfläche umgeben sind. Aus Sehnsucht nach Land und Natur machen sie aber den kleinsten (Wohn-)Raum zum Garten.
Wer sich in der Küche auf den Holzhocker niederlässt, sitzt auf Hunderten von Würmern: Der Hocker ist ein Kompost, in ihm drin machen die Würmer aus Küchenabfällen hochwertigen Humus für die Tomaten, Erdbeeren, Kartoffeln und Kräuter, die die urbane Gärtnerin angepflanzt hat, gerne auch in mehreren Etagen. Ob Fensterbrett, Balkon, Hinterhof, Garagendach oder Einfahrt – hier wird angepflanzt, was das Zeug hält.
Besonders ergiebig ist die trendy Variante des «Square Gardening». Beim Quadrat-Gärtnern wird in kleinteiliger Mischkultur angepflanzt.
Die reichen Erträge und ungewöhnlichen Bepflanzungsorte erinnern fast an die «Anbauschlacht» im Zweiten Weltkrieg, als die Bevölkerung ab 1940 aufgerufen war, sich mit Gartengeräten zu bewaffnen, um die Lebensmittelsicherheit im Land zu erhöhen. Damals wurden sogar auf dem Platz vor dem Zürcher Opernhaus und vor dem Bundeshaus in Bern Kartoffeln geerntet.
Bauerngarten
Der schönste Dreiklang kommt aus der Natur.
Der Bauerngarten war einst unentbehrlich für die Selbstversorgung der Bauernfamilie. Heute ist der arbeitsintensive Garten selbst für die Bäuerin mehr zu einem Hobby geworden, hat aber eine wachsende Fangemeinde ausserhalb des bäuerlichen Milieus. So finden sich Anleitungen zuhauf, wie ein Bauerngarten anzulegen und zu bepflanzen ist.
Traditionell dürfen nur Blumen bleiben, die keine Pflege benötigen, oder solche, die nicht nur schön, sondern auch nützlich sind. «Für alles andere hatte eine Bäuerin keine Zeit», sagt Gartenkennerin Eva Puchtinger.
Wichtige Elemente im Bauerngarten sind eine umzäunte Fläche, eine klare Ordnungsstruktur, durch Weglein abgetrennte Bepflanzungszonen – so liefert der Garten den schönsten Dreiklang, nämlich Gemüse, Heil- und Gewürzkräuter für die Selbstversorgung, sowie Blumen für den floralen Schmuck des Zuhauses.
Guerilla-Garten
Eine grünere Stadt ist lebenswerter.
Ihr Lebensraum ist die Stadt, und sie bewegen sich in ihr mit wachsamem Blick. Hier entdeckt der Guerilla-Gärtner eine Baumscheibe, aus der weder Mohn noch Malven spriessen, dort die Guerilla-Gärtnerin eine Verkehrsinsel, die unbegrünt Tristesse versprüht. Ihr Tun ist klandestin, ihre Waffe eine Bombe – die Samenbombe, die sie unauffällig fallen lassen oder auf eine unzugängliche Stelle werfen. Ziviler Ungehorsam im öffentlichen Raum.
Wie die Ausstellung «Garden Futures» zeigt, geht das Guerilla-Gärtnern auf die späten 1960er-Jahre in New York zurück, als ärmeren Bevölkerungsschichten kaum Grünflächen zur Verfügung standen und sich gleichzeitig Teile der Stadt im Zustand des Zerfalls befanden.
Die Gruppe «Green Guerillas» verteilte Anleitungen zum Bauen und Werfen von Samenbomben. Diese begrünten nach und nach verlassene Grundstücke.
Heute treffen Guerilla-Gärtnerinnen und -Gärtner vielerorts auf Wohlwollen – so verteilte beispielsweise die Stadt Zürich vor ein paar Jahren aktiv Blumenmischungen an die Bevölkerung. Das dürfte der Freude keinen Abbruch tun, wenn heimlich Gesätes wächst und als Mini-Blumenwiese inmitten der Verbauungen blüht – zum Wohl aller.
Gemeinschaftsgarten
Gärtnern verändert die Gesellschaft.
Hacken, jäten, giessen, ernten – und verzehren: Was persönliche Befriedigung verschafft, kann gleichzeitig die Gesellschaft verändern. Davon sind jene überzeugt, die sich gemeinschaftlichen Garten- oder Landwirtschaftsprojekten anschliessen.
Diese Menschen treibt der Gedanke an: «Wir machen etwas gemeinsam und verändern damit die Denkweise in der Gemeinschaft», wie es Eva Puchtinger vom Magazin «Kraut & Rüben» sagt.
Ein Beispiel ist die solidarische Landwirtschaft, wo Bäuerinnen und Bauern direkt mit der Kundschaft zusammenarbeiten und wo Mitglieder nicht nur einen Ernteanteil kaufen, sondern auch unentgeltlich einige Halbtage pro Jahr auf dem Hof und auf dem Feld mitarbeiten.
Ein anderes Beispiel sind die Gemeinschaftsgärten in Städten: Im öffentlichen Raum und auf urbanen Brachflächen stehen Pflanzsäcke, Kisten und Hochbeete, und die Bevölkerung ist dazu aufgerufen, sich an der Pflege der Gemüse- und Kräuterbeete zu beteiligen.
Journalistin Puchtinger sagt: «Es geht diesen Menschen darum, gemeinschaftlich und aktiv einen Wandel zu unterstützen, sei dies in der Landwirtschaft, sei dies in der Städteplanung.»
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Wie kann man auch als Gartenneuling ein kleines Stück Erde nutzvoll begrünen? Gartenexpertin Scarlet Allenspach gibt Tipps und Tricks rund ums Thema Garten.
Mehr findest du in unserem Dossier «Im Beet mit Blick»
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