Der Hype um NFTs
Ein Blick in die Welt der digitalen Kunst

Es herrscht ein Hype um Krypto-Kunst. Doch was steckt eigentlich hinter sogenannten NFT (Non-Fungible-Token)? Wir haben bei einer Expertin für digitale Kunst nachgefragt.
Publiziert: 12.01.2023 um 14:00 Uhr
Foto: shutterstock
Vanessa Büchel

Im März 2021 ging das Werk «Everdays: The First 5000 Days» von Beeple (42) für 69 Millionen US-Dollar beim Aktionshaus Christie's über den Tisch. Das Raunen war gross: Wie konnte Kunst, die rein digital besteht, für eine solche Summe verkauft werden? Damit reihte sich der US-amerikanische Grafikdesigner und Digitalkünstler, der eigentlich Mike Winkelmann heisst, neben Jeff Koons (68), David Hockney (86) und Jasper Johns (93) in die Riege der Top 4 der teuersten lebenden Künstler.

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NFTs werden heute in Millionenhöhe gehandelt. In der letzten Zeit erlebte der Nischenmarkt im Internet einen regelrechten Hype: Bilder wurden gegen Kryptowährungen gehandelt. Für viele eine futuristische und moderne Ansicht von Kunst. Und wir fragen uns: Schaut so die Zukunft des Kunstmarkts aus? «Aktuell befinden wir uns sicher noch in einem grossen Hype, der zu diesen unglaublichen Preisen geführt hat – das wird sich meiner Meinung nach bestimmt wieder ändern und relativieren», entwarnt Sabine Himmelsbach (57), Direktorin des Hauses der Elektronischen Künste (HEK) in Basel. Auch wenn der Preis für Beeples Arbeit sicher abgehoben ist, freut es Himmelsbach, dass Pioniere der digitalen Kunst jetzt eine neue Wertschätzung erfahren.

Sabine Himmelsbach ist seit 2012 Direktorin des Hauses der Elektronischen Künste (HEK). Nach einem Kunstgeschichtsstudium in München (D) arbeitete sie von 1993 bis 1996 für Galerien in München und Wien (A). 1999 übernahm sie die Ausstellungsleitung am ZKM | Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe (D). Von 2005 bis 2011 leitete sie das Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg (D). In Vorträgen und Texten arbeitet sie zu Themen der Medienkunst und digitalen Kultur.
Foto: Ivana Kresic

Was ist eigentlich ein NFT?

Für alle, die beim Begriff NFT nur Bahnhof verstehen, klärt Himmelsbach auf: «Die Abkürzung steht für Non-Fungible-Token. Es handelt sich hierbei um einen nicht austauschbaren (non-fungible) digitalen Vermögenswert, der die Einzigartigkeit und Authentizität der zugehörigen Dateien belegt.» Das muss nicht zwingend ein Kunstwerk sein, sondern kann auch ein einfaches Bild, Text oder Video sein.

Es besteht ein Unterschied zu anderen Vermögenswerten, wie beispielsweise die Kryptowährung Bitcoin, die austauschbar ist, da alle Bitcoins gleich sind. «Für NFTs wird die mit einer Blockchain verbundene Technik genutzt, um digitale Anlagen als Unikate anzubieten. Digitale Kunstwerke können dadurch in eigenständig handelbare virtuelle Güter verwandelt werden, was bis dato nicht möglich war», führt die Expertin für Medienkunst und digitale Kultur aus.

Bei der Erklärung von Krypto-Kunst fallen Begriffe, die nicht einfach zu verstehen sind. Blockchain hört man dabei immer wieder. Diese kann man sich als erweiterbare Datenkette vorstellen, so etwa wie riesige Festplatten. Himmelsbach sagt: «Es ist eine dezentrale, öffentliche Datenbank, die als Distributionsmedium, wie auch Zahlungsplattform und Authentifizierungswerkzeug funktioniert.» Am Ende kaufe man ein Echtheitszertifikat, den Besitznachweis für eine digitale Datei. Ein Original in dem Sinn gibt es im Digitalen nicht, da digitale Dateien kopierbar sind. «Der Besitz des NFTs eines Werks weisst die Käuferin oder den Käufer eindeutig als Eigentümer aus», so die HEK-Direktorin.

Der Reiz von digitaler Kunst

Weil Kunst verlockend ist und viele Menschen anzieht, bietet sie die besten Grundlagen für den Krytpo-Markt. Kunst ist und bleibt eben ein beliebtes Investitionsobjekt. Gerade Junge setzen darauf, beim Wiederverkauf von Kunst einen Gewinn zu erwirtschaften.

Im digitalen Rahmen wird für Werke von Künstlerinnen und Künstlern mit der Kryptowährung Ethereum bezahlt. Wer Kunst im Internet erstehen will, der muss sich zuerst Kryptowährung zulegen. Die Preise von NFT-Kunst werden darum auch durch die Preisschwankungen von Kryptowährungen beeinflusst.

Der Reiz vom Besitz von Krypto-Kunst glaubt Himmelsbach aber in anderen Gründen zu sehen: «Einerseits wird sicher der Stolz angesprochen, Besitzerin oder Besitzer eines digitalen Werks zu sein, mit dem man beispielsweise im Freundeskreis prahlen kann. Andererseits denke ich, liegt der Ansporn in der Wertschätzung der digitalen Kultur und der damit verbundenen Entwicklungsgeschichte, die vor allem viele Sammlerinnen und Sammler aus der Krypto-Szene mit diesen Werken verbindet – also Erinnerungen und wichtige Werke einer Kultur, mit der man selbst gross geworden ist und die einen letztlich auch geprägt hat.»

Kunstschaffende können Verkäufe selbst steuern

Wie in der realen Welt gibt es im Universum der Krypto-Kunst deutlich mehr grosse männliche Namen. Doch Himmelsbach versichert: «In der digitalen Kunst gibt es durchaus viele Frauen – sicher auch wegen der heute doch recht einfachen Zugänglichkeit von Technologie und der Offenheit des Mediums.» Als Beispiel nennt sie Addie Wagenknecht (41), die vor dem Start ihrer künstlerischen Karriere ein IT-Studium absolvierte. «Ihre Kunst beschäftigt sich mit dem Einfluss von Technologien auf die Gesellschaft und so war es für sie ein logischer Schritt, ihre Kunst im Digitalen zu verorten.»

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Der Einstieg als Künstlerin oder Künstler in die digitale Welt ist nicht immer leicht, darum rät Himmelsbach: «Man sollte stets authentisch bleiben und sich mit den Ideen und Themen beschäftigen, die einen persönlich wirklich bewegen.»

Für Künstlerinnen und Künstler bietet die digitale Welt Vorteile. Mit NFTs wird ihnen der Zugang zum Kunstmarkt ermöglicht, da sie diese direkt über Online-Plattformen selbst verkaufen können. Die Expertin für Medienkunst und digitale Kultur sagt: «Das heisst, sie sind unabhängig von Galerien und können ihre Verkäufe selbst steuern. Es gibt also keinen klassischen ‹Gatekeeper› mehr.»

Vor allem eins bringt die neu erschlossene Nische den Kunstschaffenden: mehr Freiheit! Denn in Zukunft müssen sie kein Geld mehr abtreten, und sie sich nicht mehr verbiegen, um den Vorgaben zu entsprechen und den Galeristinnen oder Galeristen zu gefallen. Authentizität erlangt wieder die Überhand.

Ein kleiner Nachteil bringt das Ganze mit sich: Kunstschaffende müssen selbst für ihre Werke sehr aktiv werden und werben, denn letztlich entscheidet laut Himmelsbach am Ende der Bekanntheitsgrad oder das Netzwerk über die Verkaufserlöse.

Sind NFTs ein Ding für die Zukunft?

Man merkt schnell, wenn man einen Blick in die Welt der Krypto-Kunst wirft, dass NFTs ein sehr komplexes Thema sind. Ihre Auswirkungen werden sich noch zeigen. «Wie gesagt, ich denke, dass sich das Preisniveau relativieren wird, aber mit der Blockchain ist eine neue Schlüsseltechnologie entstanden, die mehr Dezentralisierung, Selbstbestimmung und Transparenz verspricht», sagt Himmelsbach mit Blick auf die Zukunft. Die Blockchain basierte Token-Ökonomie sei etwas, was sicher bleiben und neue Anwendungen erfahren werde.

Doch die Krypto-Kunst hat noch Luft nach oben, denn es gibt einiges zu verbessern. «Ich habe das Gefühl, dass bei NFTs aktuell weniger auf die Qualität eines Werks geschaut wird, sondern mehr auf die Rekordsummen, die gerade erreicht werden», ist die HEK-Direktorin überzeugt. Das verstelle leider oftmals den Blick auf die Notwendigkeit über Fragen von Komposition, Inhalt und Ästhetik zu sprechen.

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