Flammen lodern auf hinter dem Gartenzaun des benachbarten Einfamilienhauses und auf der Terrasse der angrenzenden Mietwohnung. Keine Angst – mit grosser Wahrscheinlichkeit ist es nicht ein vergessener Christbaum, der da Funken sprüht, sondern eine Feuerschale. Die auf kleinen Füssen stehenden Schüsseln aus Stahl oder Eisen, die schon länger die Schweizer Vorgärten zieren, erleben einen Corona-Boom.
Coronakonforme Trendaccessoires
Feuerschalen sind an sich nichts Neues. Der aus den USA eingeschleppte Trend breitet sich schon seit einigen Jahren in unseren Gärten aus. Bereits 2012 berichteten erste Medien von der schmiedeeisernen Neuheit, und 2014 schrieb das «St. Galler Tagblatt», dass Dekofeuer immer mehr in Mode kämen. Doch bis es so richtig ausbrach, brauchte es noch eine Weile.
Benno Leu von der Firma Lionfire in Hohenrain LU begann 2017 mit der Produktion von Feuerschalen. Letztes Jahr vermerkte der ehemalige Landmaschinenmechaniker ein zunehmend grösseres Interesse an seinen Produkten: «Normalerweise ist die Hauptsaison von Anfang März, wenn die ersten Sonnenstrahlen auftauchen, bis Ende Sommer. 2020 war aber das ganze Jahr sehr viel los. Wir konnten unsere Produktion mehr als verdreifachen.» Gerade die untypisch hohe Nachfrage in den Wintermonaten erklärt sich Leu mit Corona: «Viele wollten eine Feuerschale für ein Weihnachtsfest im Freien. Die Menschen widmen sich aber auch wieder vermehrt der Haus- und Gartengestaltung, statt etwa zu reisen.» Das Lagerfeuer an einem hawaiischen Strand ersetzt man zurzeit also mit dem im eigenen Garten.
Eine Zunahme an Verkäufen, vor allem vor und nach Weihnachten, registrierte auch Laura Wendschuh vom Feuerschalenhersteller Fiug in Tamins GR. Und die Migros bestätigt gegenüber der «Berner Zeitung», dass im November 2020 doppelt so viele Feuerschalen über den Tresen gingen als im Vorjahr.
Wie es schon die Nomaden taten
Feuerschalen sind fast so alt wie die Domestizierung des Feuers. Nomadenvölker nutzten die Schüsseln aus Ton oder Keramik, weil man sie – im Gegensatz zu einer festen Feuerstelle – leicht transportieren und mit ihrer Hilfe auf jedem Untergrund ein Feuer entfachen konnte. Die Griechen stellten sie in Tempel und Paläste, um dort ein Feuer zu haben, ohne den Boden zu schwärzen. Die gleichen drei Vorteile haben die metallenen Gehäuse noch heute: Selbst wenn der Boden nass und kalt ist, wie so oft im Winter, lässt sich eine Flamme entzünden. Gleichzeitig versengt der Rasen nicht, und wenn der Rauch zu fest zu den Nachbarn rüberweht, lässt sich die Schale verschieben.
Geschätzt wird diese Art des offenen Feuers aber auch noch aus anderen Gründen, wie Benno Leu erklärt: «Es geht um ein Gefühl der Erdverbundenheit. Das Element Feuer hat etwas Faszinierendes. Man erinnert sich daran, wie man als Kind kleine Feuer gemacht hat, und möchte das seinen eigenen Kindern weitergeben.» Feuer mit Holz und grosser Flamme statt mit Gasflasche und unter dem Grill versteckt – das hat etwas Archaisches. Der Trend untermalt also auch die vermehrte Rückbesinnung auf die Natur und ihre Elemente.
Ausserdem sind Feuerschalen gemäss Laura Wendschuh ein echter «Eyecatcher»: «Leute kommen vorbei und bemerken sie.» Auch Benno Leu bestätigt: «Viele unserer Kunden haben eine Feuerschale in einem anderen Garten gesehen und wollen danach auch eine.» So verbreitet sich der Trend wie ein Lauffeuer.
Von offener Feuerstelle bis Pizzaofen
Modelle gibt es genauso viele wie Preiskategorien. Je nachdem, aus welchem Material die Schale besteht, zahlt man für das Gartenschmuckstück unter 100 bis zu mehreren Tausend Franken. Die einfachsten Modelle sind halbrunde Schalen, wie jene, die man in der Industrie als Deckel für Druckbehälter verwendet. Teurere Varianten kombinieren das offene Feuer mit einem Grill oder gar mit einem Ofen, in dem man Brot oder Pizza backen kann. Und Selbstbacken ist ja seit dem ersten Lockdown auch wieder besonders angesagt.
Während wir also weiterhin auf Abstand und zu Hause bleiben und tonnenweise Bananenbrot produzieren, sorgt das Feuerchen im Garten wenigstens für etwas Abenteuergefühl.