Die roten Teppiche waren 2020 verwaist und auch 2021 wackelt. Die Oscarverleihung wurde vorsorglich schon auf den 25. April verschoben. Bühnen, Stadien und Kinos sind geschlossen, die klassische Unterhaltungsindustrie liegt darnieder. Wer sich dieses Jahr das Ziel setzte, endlich den grossen Durchbruch zu schaffen, wurde bitter enttäuscht. Dafür sind statt Schauspielern und Musikern Dinge und Gegenstände zu Stars geworden, die man früher kaum eines Blickes würdigte. Die Pandemie hat neue Lieblinge der Massen erkoren, begehrt und populär wie Leinwandhelden und Hitparadenstürmer.
WC-Rolle
Diese Bilder prägten die ersten Tage des Lockdowns in den Medien: Hamsterkäufe bei den Grossverteilern und in jedem Einkaufswagen lag garantiert eine XXL-Packung WC-Papier. Was nur allzu gut verständlich ist: Die Vorstellung, auf der Toilettenschüssel zu sitzen und beim Griff nach dem Papier ins Leere zu fassen, ist offenbar eine der grössten Urängste der Menschheit und kann schlaflose Nächte verursachen.
Desinfektionsmittel
Ebenfalls heiss begehrt in den Läden: Desinfektionsmittel in handlichen Grössen, um es jederzeit mit sich führen und die Hände abreiben zu können. Der gesteigerte Bedarf führte zu innovativen und branchenübergreifenden Geschäftsmodellen: Brauereien, die ihr Bier wegen der geschlossenen Lokale nicht mehr absetzen konnten, erzeugten aus dem Gerstensaft reinen Alkohol und belieferten damit die Apotheken.
Balkonpflanze
Langeweile treibt seltsame Blüten, ganz buchstäblich ausgedrückt. Während des ersten Lockdowns entdeckten viele Schweizerinnen und Schweiz ihren grünen Daumen und verwandelten später Balkone und Terrassen in prächtige botanische Gärten. Ganz Schlaue konzentrierten sich bei der Konzeption ihrer neuen Reiche auf Kräuterpflanzen, um auch in der Küche für neuen Schwung und mehr Pep in den Rezepturen zu sorgen.
Küchenmixer
A propos Küche: Den Mixer verwenden die meisten jeweils höchstens Mitte Dezember einmal, um den Teig für die Weihnachtsguetsli geschmeidig zu rühren. Nun wurde aber plötzlich zum Trend, was unsere Grossmütter früher täglich und mit der grössten Selbstverständlichkeit machten: Brot selber zu backen, um nicht beim Bäcker Schlange stehen zu müssen. Schade, hatte man letztes Jahr das altersbedingt gebrochene Stromkabel nicht ersetzt.
Buch
Lesen kann anstrengend sein und braucht viel Zeit, die in unserem hektischen Alltag leider oftmals fehlt. Entschleunigung und Lockdown sorgten nun dafür, dass manch einer wieder einmal ins Regal griff und in den Büchern nebst spannenden Geschichten und geistreichen Ausführungen vielerlei früher dort Abgelegtes und längst Vergessenes wie Liebesbriefe, Notizzettel oder auch ein Hunderternötli fand.
Fernbedienung
Seien wir ehrlich: So viel mehr gelesen als früher haben wir 2020 auch wieder nicht. Die Kinos waren geschlossen. Und weil wir nicht rausgehen und die alten Freunde treffen durften, holten wir uns neue auf den Bildschirm und lernten dank dem Serienhit «Damengambit» sogar das Schachspiel. Streamingdienste wie Netflix verzeichnete eine Rekordzunahme an neuen Abonnenten. Und die Fernbedienung rauchte.
Ohrenstöpsel
Manche Leute brauchen sie für einen ungestörten Schlaf. Andere, um sich bei einer anspruchsvollen Denkaufgabe besser konzentrieren zu können. Während des Lockdowns war aber plötzlich nicht nur Papa einmal zu Hause, sondern gleichzeitig auch die wilde Kinderschar. Und die kann ohne Vorwarnung einen Höllenlärm veranstalten, wenn das Homeschooling erst einmal vorüber und der Fernseher kaputt ist.
Pizzaschachtel
Zuerst stapelten sie sich in der Küche, bald auch im Keller und Estrich, weil man wieder einmal das Abfuhrdatum vergessen hatte, um die vielen heimgelieferten Abendessen-Verpackungen zu entsorgen. Wenn je einer auf eine gute Idee kommt, was sich aus leeren Pizzaschachteln und anderen Take-away-Verpackungen machen liesse, könnte er sich in diesen Tagen eine goldene Nase verdienen.
Jogginghose
Tatsächlich gab es im Frühling einen Jogging-Boom. Davon geblieben ist nebst sich wieder zeigenden Knieverletzungen und schlimmen Rückenschäden die Beliebtheit der Sportbekleidung auch in den eigenen vier Wänden. Weiter als bis auf Brusthöhe sieht der Chef den Angestellten beim Zoom-Meeting ja nicht. Aber denken Sie an Karl Lagerfeld: «Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.»
Espressomaschine
Im Büro mussten wir uns früher punkto Kaffeequalität einiges gefallen lassen. Nun sassen wir auf einmal zu Hause und hatten sogar Zeit fürs Frühstück. Die einen entstaubten ihre alte Bialetti-Espressokanne aus Studententagen und erfreuten sich am Logo-Männchen mit dem Schnauz, andere erfüllten sich mit dem Erwerb einer sündhaft teuren Kolbenmaschine einen frisch erwachten Herzenswunsch.
Faxgerät
Totgeglaubte leben länger. Dass es tatsächlich noch Menschen gibt, die ein Faxgerät besitzen und dieses auch benutzen, kam im März dieses Jahrs eher unfreiwillig ans Tageslicht. Als publik wurde, dass Ärzte und Labors ihre Covid-19-Meldungen per Fax ans Bundesamt für Gesundheit übermitteln mussten, was zu Verspätungen und einem Zahlenchaos in den Erkrankungsbilanzen führte, gingen die Wogen hoch.
Feuerschale
Wieso hätte man früher eine Feuerschale gebraucht? Im Winter sitzt man in der warmen Stube und im Sommer sind diese schweren Ungetüme obsolet und lassen höchstens die Terrasse kleiner wirken. Nun aber kam eine Weihnacht, wie wir sie noch nie erlebt hatten. Und Feuerschalen waren auf einmal in der Tat heiss begehrt. Feiern auf Distanz im Freien wird so zum Gaudi. Vor allem, wenn man noch ein Exemplar mit Grillring erwischt hat.