Knöcheltiefer Schlamm, herumliegende Bierdosen und eine Rockband, die dem Publikum einheizt: Manuel Kellerhals, Leadsänger von Kabuki Joe, schreit ins Publikum: «Es ist so geil, nach einem Jahr ohne Auftritt wieder auf der Bühne zu stehen. Ihr seid das beste Publikum der Welt!»
Es sind Szenen, wie wir sie aus vergangenen Jahren von den grossen Festivals und Konzerten kennen. Und tatsächlich könnte man sich an diesem Augustabend in Egnach TG auch wegen des Dialekts am Openair St. Gallen wähnen. Doch das ist nicht das Sittertobel, sondern der beschauliche Weiler Fetzisloh, wo das Openair Beer&Bands ausgetragen wird. Ein Festival, das rund 100 Besucher angelockt hat.
Eine klassische Schnapsidee: als das könne man das Festival in Egnach TG am Bodensee bezeichnen, sagt der 39-jährige Obstbauer Pascal Stacher. Bereits im Frühling 2020 zeichnete sich ab, dass viele Kulturveranstaltungen wegen Corona nicht würden stattfinden können – darunter auch das Openair St. Gallen. So organisierte er letzten Sommer zum ersten Mal das kleine Festival auf seinem Betrieb. Drei Bands traten auf, als Bühne diente die Gartenterrasse. Weil die Rückmeldungen derart positiv waren, entschied er sich für eine zweite Folge. «Am Charakter des halb privaten, nicht kommerziellen Anlasses haben wir nichts ändern wollen – es ist das Familiäre, das unser Publikum schätzt», sagt Stacher. Wegen Corona sei es auch einfach gewesen, Bands zu buchen. «Die Bands lechzen nach Publikum.» Und dank Kollekte – jeder gibt so viel, wie ihm das Festival wert ist – würden sie dies auch nicht gratis tun. Auf die Frage, ob es das Festival auch über Corona hinaus geben werde, antwortet der Obstbauer: «Das wird sich weisen.»
Eine klassische Schnapsidee: als das könne man das Festival in Egnach TG am Bodensee bezeichnen, sagt der 39-jährige Obstbauer Pascal Stacher. Bereits im Frühling 2020 zeichnete sich ab, dass viele Kulturveranstaltungen wegen Corona nicht würden stattfinden können – darunter auch das Openair St. Gallen. So organisierte er letzten Sommer zum ersten Mal das kleine Festival auf seinem Betrieb. Drei Bands traten auf, als Bühne diente die Gartenterrasse. Weil die Rückmeldungen derart positiv waren, entschied er sich für eine zweite Folge. «Am Charakter des halb privaten, nicht kommerziellen Anlasses haben wir nichts ändern wollen – es ist das Familiäre, das unser Publikum schätzt», sagt Stacher. Wegen Corona sei es auch einfach gewesen, Bands zu buchen. «Die Bands lechzen nach Publikum.» Und dank Kollekte – jeder gibt so viel, wie ihm das Festival wert ist – würden sie dies auch nicht gratis tun. Auf die Frage, ob es das Festival auch über Corona hinaus geben werde, antwortet der Obstbauer: «Das wird sich weisen.»
Jetzt im Spätsommer ist es nicht das einzige dieser Art im Land. Nach Monaten der Einschränkungen dürsten die Menschen nach Feiern. Es ist also wenig erstaunlich, erfahren kleine, kreative, meist im Freien stattfindende Kulturanlässe einen Boom. Handelt es sich dabei nur um eine Zeiterscheinung, oder erleben wir hier gerade einen Trend weg vom Grossen und Öffentlichen, hin zum Kleinen und Privaten? Und was heisst das für grosse, kommerzielle Konzert- und Eventveranstalter?
Nachtleben-Kenner: «Wir brauchen diese kleinen Anlässe»
Einer, der sich in der Szene bestens auskennt, ist der Zürcher Alex Flach. «Ich habe gar nichts gegen private Kulturevents. Ich war gerade gestern selber an einem, weshalb meine Stimme heiser ist», sagt er mit einem Lachen. Solche Veranstaltungen seien keine Konkurrenz für die Grossen, man begrüsse und brauche diese sogar. Nicht selten fungieren diese als Sprungbrett ins Nachtleben. Oft stürze man sich nach einer privaten Feier ins «richtige» Nachtleben. Flach hat grundsätzlich auch nichts gegen illegale Partys: «Auch solche Events braucht es, da sie ein nährreiches Biotop für vielfältige und vor allem auch neue Kultur bilden.»
Auch Alexander Bücheli, Mediensprecher der Schweizer Bar und Club Kommission (SBCK), sieht eher ein Zusammenspiel: «Dass sich künftig das Party- und Ausgehvolk nur noch an privaten Anlässen tummeln wird, befürchte ich nicht. Was ich fast interessanter finde: Die Pandemie hat eindrücklich gezeigt, wie gross das Bedürfnis nach Kultur und Zusammensein ist.» Er hoffe, dass dies auch in der Politik erkannt und vermehrt eine «Politik des Ermöglichens» praktiziert werde. «Sprich mehr erlauben, längere Betriebszeiten, weniger Restriktionen», hofft Bücheli.
Zum ersten Mal fand am ersten August-Wochenende auf einem grossen Erdbeerfeld im aargauischen Wettingen die Rave- und Elektroparty Fragaria mit über zwölf DJs statt. Knapp 1000 Tanzlustige – alle mit Covid-Zertifikat – feierten während zwölf Stunden zu Technoklängen. «Im letzten Corona-Sommer sind wir auf die Idee gekommen, dieses Festival auf die Beine zu stellen», sagt Lukas Jost vom Verein Tanzmat. Dass trotz strömenden Regens und Sommerferien so viel Partyvolk erschienen ist, führt Jost auf die Pandemie zurück. «Nach den letzten beiden Lockdowns sehnen sich viele Menschen nach Party, Feiern und Zusammensein.» Jost kann sich wegen Corona gut vorstellen, in Zukunft vermehrt auf Outdoor-Anlässe zu setzen. «In der Pandemie haben die Menschen gezeigt, dass sie allen Einschränkungen zum Trotz Wege finden, um zu feiern.»
Zum ersten Mal fand am ersten August-Wochenende auf einem grossen Erdbeerfeld im aargauischen Wettingen die Rave- und Elektroparty Fragaria mit über zwölf DJs statt. Knapp 1000 Tanzlustige – alle mit Covid-Zertifikat – feierten während zwölf Stunden zu Technoklängen. «Im letzten Corona-Sommer sind wir auf die Idee gekommen, dieses Festival auf die Beine zu stellen», sagt Lukas Jost vom Verein Tanzmat. Dass trotz strömenden Regens und Sommerferien so viel Partyvolk erschienen ist, führt Jost auf die Pandemie zurück. «Nach den letzten beiden Lockdowns sehnen sich viele Menschen nach Party, Feiern und Zusammensein.» Jost kann sich wegen Corona gut vorstellen, in Zukunft vermehrt auf Outdoor-Anlässe zu setzen. «In der Pandemie haben die Menschen gezeigt, dass sie allen Einschränkungen zum Trotz Wege finden, um zu feiern.»
Soziologe: «In der Pandemie wurde das Private zur Tugend»
«Dass private und kleinere Kulturevents derzeit boomen, erstaunt mich nicht», sagt Guy Schwegler, Soziologe an der Universität Luzern. «Jetzt in der Krise passt man sich an die Rahmenbedingungen an.» In der Fachsprache nenne man das «social coping», also das Anpassen an eine schwierige Lebenssituation. Insofern ist Schwegler vorsichtig, von einem Trend oder einer Rückkehr der Privatheit wegen der Pandemie zu sprechen. «Überhaupt ist die Unterscheidung von öffentlich und privat mit vielen Schwierigkeiten verbunden.» Dies umso mehr, als die Definition von «privat» gerade während der Pandemie neue Formen erhalten habe. «Das Private wurde quasi zur Tugend. Solidarisch war, wer sich in seine vier Wände zurückzog», sagt Schwegler.
Trendforscherin: «Vielen Menschen fehlen die grossen Veranstaltungen»
Eine, die sich mit Trends auseinandersetzt, ist Marta Kwiatkowski vom Gottlieb Duttweiler Institut. «Dass derzeit vieles kleiner und privater stattfindet, ist erstens ein Stück weit so verordnet.» Und zweitens würde aus ihrer Sicht gegen einen Trend sprechen, «dass die meisten Menschen an diesen kleinen Events ein fast familiäres Verhältnis pflegen oder zumindest sich im gleichen Milieu bewegen». In der Netzwerktheorie spreche man hier von «strong ties», also von engen Beziehungen. Was den Leuten heute aber fehle, sei das Gegenstück – die «weak ties». Also der Zugang zu loseren Verbindungen, die eher auf grösseren Veranstaltungen und Festivals möglich sind. «Dort, wo man auf neue Menschen trifft, flüchtige Bekanntschaften pflegt und wo es viel mehr Platz für Zufälle, neue Ideen und Inspiration hat.»
Die Poetry-Slam-Veranstaltungen in der Seebadi Enge in Zürich gibt es zwar schon seit einigen Jahren, doch wegen Corona wurde von einem Anlass auf deren drei aufgestockt. Denn für den Organisator Lukas Hofstetter vom Verein Silbenschmied ist klar: Kleinere – zu den Slams sind gerade einmal 150 Gäste zugelassen – und vor allem im Freien stattfindende Veranstaltungen seien in der Pandemie gefragt. «Es ist offensichtlich, dass sich viele Menschen an einer solchen Veranstaltung zurzeit sicherer fühlen als zum Beispiel in einer rappelvollen Konzerthalle.» Spannend sei zu sehen, ob hier ein Trend über Corona hinaus entstanden sei.
Die Poetry-Slam-Veranstaltungen in der Seebadi Enge in Zürich gibt es zwar schon seit einigen Jahren, doch wegen Corona wurde von einem Anlass auf deren drei aufgestockt. Denn für den Organisator Lukas Hofstetter vom Verein Silbenschmied ist klar: Kleinere – zu den Slams sind gerade einmal 150 Gäste zugelassen – und vor allem im Freien stattfindende Veranstaltungen seien in der Pandemie gefragt. «Es ist offensichtlich, dass sich viele Menschen an einer solchen Veranstaltung zurzeit sicherer fühlen als zum Beispiel in einer rappelvollen Konzerthalle.» Spannend sei zu sehen, ob hier ein Trend über Corona hinaus entstanden sei.
Viele zufällige Begegnungen gibt es am kleinen Festival im Thurgau tatsächlich nicht – die meisten hier kennen sich. Und wie eine Blitzumfrage zeigt: Sollte das Openair St. Gallen nächstes Jahr wieder über die Bühne gehen, werden viele im Sittertobel anzutreffen sein –aber auch wieder auf dem Festivalgelände von Obstbauer Pascal Stacher. Ein Zusammenspiel eben.