Auf einen Blick
Ob auf dem Tisch, in der Tasche oder im Hosensack: Das Smartphone und damit auch die Ablenkung ist meist nur einen Handgriff entfernt. Passiert das während des Abendessens mit Freunden, im Teammeeting oder mit dem Kind auf dem Spielplatz nennt man das auch Phubbing. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern Phone (Handy) und Snubbing (Abwimmeln) zusammen.
Doch hinter dem kurzen Blick auf den Bildschirm steckt mehr, als zunächst erkennbar ist. Das Verhalten kann negative Auswirkungen auf deine sozialen Beziehungen oder die Entwicklung deines Kindes haben. Die Psychologin Nora Blum (33) erklärt, warum wir Phubbing ernst nehmen sollten – und wie wir es in den Griff bekommen können.
Was Phubbing bei uns auslöst
«Phubbing vermittelt eine klare Botschaft: Etwas anderes ist gerade wichtiger als du», sagt Blum, die in Berlin tätig ist. Diese unterschwellige Botschaft kann das Selbstwertgefühl des Gegenübers stark beeinträchtigen. Besonders in engen Beziehungen kann Phubbing zu einem Gefühl der Ausgeschlossenheit führen und dem Vertrauen schaden.
Studien belegen, dass Menschen, die regelmässig gephubbt werden, weniger Vertrauen in ihr Gegenüber und mehr Probleme in der Partnerschaft haben. «Menschen, die phubben, haben in der Regel keine bösen Absichten, jedoch sind unsere Gehirne süchtig nach Dopamin-Kicks, die eine neue Nachricht auf unserem Handy in uns auslöst», erklärt Blum. Dieses Konsumverhalten wird von den Algorithmen der sozialen Medien und der Angst, etwas zu verpassen (FOMO – Fear Of Missing Out) begünstigt. «Nur schon das Handy auf dem Tisch zu haben, kann die Qualität des Gesprächs beeinträchtigen», sagt die Fachfrau.
Ansprechen, ansprechen, ansprechen
Fühlst du dich durch den Smartphone-Konsum deines Gegenübers gestört, rät Blum dazu, das in einer ruhigen Minute freundlich anzusprechen, und zwar je früher, desto besser. Die Expertin verweist dabei auf die gewaltfreie Kommunikation, die in drei Schritten verläuft:
- Beschreiben: «Mir ist aufgefallen, dass du heute oft aufs Handy schaust, wenn wir reden.»
- Gefühl benennen: «Das lässt mich fühlen, als ob ich nicht wichtig bin.»
- Lösung vorschlagen: «Können wir uns darauf einigen, das Handy während unserer Gespräche wegzulegen?»
Das Beispiel beschreibt eine private Situation unter Freunden oder in der Partnerschaft. Die Schritte der gewaltfreien Kommunikation können aber auch im Büroalltag angewendet werden. Der Lösungsvorschlag könnte laut Blum in diesem Fall wie folgt lauten: «Wenn du gerade viel zu tun hast, dann ist es in Ordnung, wenn du nicht am Meeting teilnimmst.»
Zwischen Erwachsenen ist diese Form der Kommunikation gut möglich, aber ein Kind lernt erst, seine Gefühle zu benennen, und kann meist noch keine konstruktiven Vorschläge machen.
Mami, leg dein Handy weg!
Und hier liegt auch die Krux: Gemäss einer kürzlich veröffentlichten Studie von Comparis zeigen 40 Prozent der Schweizer Erwachsenen deutliche Anzeichen einer Smartphone-Sucht. Prekär: Erwachsene mit Kindern sind häufiger betroffen als kinderlose.
Die Botschaft der Eltern an die Kinder ist aber die gleiche: Etwas anderes ist gerade interessanter als du. Eine Studie der University of California zeigt, dass Eltern, die häufig auf ihr Handy schauen, negative Auswirkungen auf die emotionale Intelligenz ihrer Kinder haben. Die emotionale Intelligenz beeinflusst, wie gut eine Person emotionale und nonverbale Signale in sozialen Situationen wahrnehmen kann.
Nutzung ankündigen
Blum rät daher, das Telefon gar nicht erst hervorzunehmen, oder fixe Zeiten dafür einzurichten. Ist das nicht möglich, sollte man dem Kind – wie auch einem erwachsenen Gegenüber – stets das Ziel erklären. Wieso brauche ich mein Telefon jetzt? Muss ich vielleicht gerade den Weg nachgucken? Oder eine dringende Nachricht beantworten? «Durch die Erklärung versteht das Kind die kurze Abwesenheit besser und muss das Verhalten nicht auf sich beziehen.»
Das Ankündigen, wieso das Handy – wenn es denn nötig ist – noch auf dem Tisch ist oder man während des Meetings kurz auf dem Laptop tippt, ist eine bewährte Praxis in Blums eigenem Umfeld und Unternehmen. «Es hat auch mit Respekt zu tun, ich zeige meinem Gegenüber so, dass mir seine Zeit und Anwesenheit nicht egal ist», sagt Blum.