Darum gehts
Geigenunterricht ist etwas für hochbegabte Kinder aus privilegierten Familien mit viel Geld? «Ganz im Gegenteil!», sagt Nina Ulli (42), professionelle Violinistin und Gründerin der Musikschule SwissMusiKids. Seit über zwanzig Jahren lehrt sie Kindern, Geige zu spielen und hat dabei festgestellt: Je jünger die Kleinen starten, desto besser lernen sie es. Nina Ulli unterrichtet nach der sogenannten Suzuki-Methode, die schon Kleinkindern ab drei Jahren auf spielerische Art das Geigenspiel beibringen soll. Wie das funktioniert? Die Profi-Violinistin erklärt.
Blick: Dreijährige, die Geige spielen – das müssen hochbegabte Kinder sein.
Nina Ulli: Im Gegenteil! Das Einzigartige an der Suzuki-Methode ist, dass jedes Kind Geige lernen kann. Und zwar so, wie sie auch sprechen, laufen oder alleine essen lernen.
Ist das Geigenspiel nicht etwas komplexer?
Nein. Nach der Suzuki-Methode lernt ein Kind die Musik so wie seine Muttersprache: Es hört sie täglich und beginnt, zu imitieren. Es übt dann jeden Tag, bis es einfach wird. Genau so lernen die Kinder auch Geige spielen: durch Zuschauen und Nachmachen, zusammen mit anderen.
Wie sieht der Unterricht konkret aus?
Die Kinder besuchen den Unterricht zusammen mit einem Elternteil und lernen in kleinen, gut verständlichen Schritten alles, was es braucht, um Geige zu spielen. Dann üben sie diese Aufgaben zu Hause. Die gelernten Stücke spielen sie im Gruppenunterricht zusammen mit den anderen Kindern mit viel Spiel und Spass.
Muss also ein Elternteil Geige spielen?
Nein, es braucht überhaupt keine musikalische Vorbildung – nur die Bereitschaft, mit dem eigenen Kind etwas Neues zu lernen. Die Eltern kommen mit in den Unterricht und sind Teil vom Lernprozess. Sie unterstützen das Kind und machen dabei die wunderschöne Erfahrung, zusammen mit dem Kind die Musik zu erleben.
Kann man denn so kleinen Kindern schon Notenlesen beibringen?
Genau wie wir bei der Muttersprache zuerst verstehen und sprechen lernen, lange bevor wir anfangen, zu lesen und zu schreiben, machen wir es auch mit der Musik. Die Kinder hören Musik, lernen sie auf dem Instrument zu spielen. Wenn sie älter sind und schon gut spielen können – etwa im gleichen Alter, wie sie in der Schule Lesen und Schreiben lernen – beginnt das Notenlesen.
Was sind die Vorteile, so früh zu starten?
Im Kleinkindalter hat das menschliche Gehirn die grösste Formbarkeit. Was wir als Kleinkind lernen, bleibt tief im Körper und wird kaum mehr verlernt. Das musikalische Verständnis und die Freude an der Musik, welche die Kinder durch das Geigenspiel erlangen, behalten sie ihr Leben lang.
Werden aus den jungen Geigenspielerinnen und -spieler später eigentlich öfter Musikstars?
Kinder lernen bei uns, Musik zu machen und ihre Gefühle mit Musik auszudrücken. Ihr Charakter wird dabei positiv geprägt und sie bilden Freundschaften fürs Leben. Falls sie später merken, dass sie die Musik zum Beruf machen möchten, ist die Suzuki-Methode sicher eine ideale Vorbereitung. Alles, was zum Geigenspielen gehört, wird sehr fundiert und umfassend unterrichtet.
Was sind weitere Vorteile dieser Methode?
Das Kind lernt nicht nur, ein Instrument zu spielen, es lernt, wie man lernt. Am Anfang mit den Eltern zusammen, später immer selbständiger. Kinder lernen spielerisch und ganz natürlich Tools, die sie ständig in der Schule und im Leben brauchen: Wie übt man etwas Neues? Wie lernt man effizient? Wie trainiert man das Gedächtnis – und das mit Spass? Auch Fähigkeiten, wie sich vor Menschen zu präsentieren, eine Ansprache oder einen Vortrag zu halten, Durchhaltewillen und Zuhören werden intensiv geübt. Die Sicherheit, dass man mit viel Übung etwas erreichen kann, prägt enorm. Diese positiven Erfahrungen machen sie im Geigenunterricht schon lange, bevor sie überhaupt in die Schule kommen.