Auf einen Blick
- Madeira und Marsala sind ideal für trübe Spätherbstabende
- Dank ihrer Aromenfülle begleiten sie Gebäck, Nüsse und Trockenfrüchte
- Weil die verstärkten Weine 17 bis 21 Volumenprozent haben, halten die Weine mehrere Wochen
Jedes Jahr im November bricht die Zeit für M und M an. Dann greife ich tiefer in die Tasche und gönne mir Weine für ein abendliches Ritual: Zu einem Shortbread — das ist dieses buttrig-mürbe Guetzli schottischen Ursprungs — trinke ich ein Gläschen Madeira (wie die Insel) oder Marsala (wie die Stadt auf Sizilien).
Mit gutem, gereiftem Madeira oder Marsala meine ich nicht die Schraubverschlussfläschchen, mit deren Inhalt Gerichte wie Zunge in Madeira gekocht werden. Einen mittleren zweistelligen Betrag legt man schon auf den Tisch für schöne Qualitäten. Dafür halten die Flaschen auch lange, denn beide gehören zu den aufgespriteten Weinspezialitäten, die oxidativ ausgebaut werden.
Aromenfülle und Power
Madeira und Marsala sind ein bisschen aus der Mode gekommen, weil die ganze Welt nur noch leichte Weissweine auf dem Zettel hat oder meint, sich mit entalkoholisierten Getränken etwas Gutes tun zu müssen. Die Gegenentwürfe zu diesem Trend heissen Madeira und Marsala.
Die tiefgoldenen bis bernsteinfarbenen Weinspezialitäten bringen viel Aroma ins Glas: getrocknete Feigen, Apfelringli, Datteln, jede Art von Nüssen, Nougat und salziges Caramel. Gestützt wird die geschmackliche Vielfalt mit 17 bis 21 Volumenprozent Alkohol. Darum gibt es jeden Abend auch nur ein Gläschen.
Mehr Weingeschichten
Weine für deinen Digital Detox
Die beiden Ms sind viel zu schade, um beim Trinken nebenbei auf dem Smartphone zu daddeln oder Netflix zu schauen. Madeira und Marsala sind Meditationsweine. Man kommt zur Ruhe und lässt sich in andere Welten entführen. In einen englischen Salon, zum Beispiel, wo ein Kaminfeuer knistert und die Kerzen bei jedem Luftzug flackern.
Das passt schon deshalb, weil Madeira und Marsala eine lange angelsächsische Tradition haben. Marsala-Weine verdanken wir dem englischen Unternehmer John Woodhouse, der in der sizilianischen Küstenstadt 1773 sein Business startete, und auf Madeira errichteten die Engländer Kellereien, um diesen ganz besonderen Typ Wein herzustellen.
Brandy für lange Seefahrten
Vor rund 300 Jahren wurde begonnen, Madeira mit Brandy zu versetzen. Das machte die Weine haltbarer, wenn sie in Holzfässern nach England oder in die Kolonien verschifft wurden. Weil die Weine nach Schifffahrten durch tropische Gewässer noch besser wurden, begann man, sie vor der Reife zu erhitzen.
Neulich las ich eine schaurige Geschichte: 1478 wurde der Duke of Clarence wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Die Methode durfte er selbst wählen. Der Duke liess sich in einem mit seinem Lieblingsmadeira gefüllten Bottich ertränken. Welch eine Story für einen nebligen Novemberabend.