Meine Portugalreise beginnt mit einer Überraschung. Am Flughafen Zürich treffe ich auf die bekannte Schweizer Weinexpertin Chandra Kurt (56), die am Gate ebenfalls auf den Flug nach Porto wartet. Sie besuche unter anderem einen Korkhersteller und informiere sich vor Ort über das Entfernen der Baumrinden.
Mein Reiseziel sind indes nicht Portugals Korkeichen, sondern zwei namhafte Weinproduzenten im berühmten Douro-Tal. Ab der Hafenstadt Porto gelangst du entweder per Schiff auf dem sich schlängelnden Fluss ins Landesinnere bis nach Pinhão, mit der historischen Eisenbahn oder bequem per Bus oder Auto.
Mehr als nur Portwein
Neben ihrem Ruf als bekannteste Weinregion Portugals ist die Douro-Region auch die grösste des Landes. Auf über 41'000 Hektar werden hier ursprungsgeschützte Weine produziert – das entspricht fast dreimal so viel Fläche wie alle Weinberge der Schweiz zusammen.
Nach wie vor ist die Douro-Region vor allem für ihre süssen, mit Alkohol versetzten Portweine bekannt. Nur wenigen Weinliebhabern ist bewusst, dass Portugal auch erstklassige Weine im herkömmlichen Sinn in die Flasche zaubert. Wie sich solche Weine im Glas behaupten, habe ich deshalb bei zwei Vorzeigebetrieben abgeklärt.
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Niepoort
Seit 2021 führt Daniel Niepoort in sechster Generation das traditionsreiche Familienweingut, das seine Vorfahren bereits 1842 gründeten. Während im vergangenen Jahrhundert die Produktion klassischer Portweine im Mittelpunkt stand, erkannten die Niepoorts früh, dass die schwächelnde Nachfrage nach Portweinen eine Neuausrichtung erforderlich machte. So wurde verstärkt auf die Herstellung herkömmlicher Weine gesetzt.
Heute machen Portweine bei den Niepoorts nur noch etwa ein Viertel der Gesamtproduktion aus. Obwohl Portwein-Klassiker wie Ruby, Tawny, Vintage oder Colheita Port nach wie vor mit grösster Sorgfalt hergestellt werden, zeigt sich auch bei Niepoort der klare Trend, der bei fast allen Weingütern der Region zu beobachten ist: weniger Portwein, dafür mehr herkömmlicher, ohne zusätzlichen Alkohol versetzter Wein.
Im Glas präsentieren sich nun also zunehmend Weiss- und Rotweine mit erfrischender, fast jugendlicher Eleganz und überraschend niedrigem Alkoholgehalt, oft um die elf oder zwölf Volumenprozent. Die Überraschung ist umso grösser, da das Douro-Tal im Sommer extrem hohe Temperaturen erreicht, was in vielen Weinregionen mit ähnlichem Klima oft zu sehr reifen und wuchtigen Weinen führt. Ein entscheidender Faktor, um die Frische im Wein zu bewahren, ist eine immer früher stattfindende Traubenernte.
Der Fabelhaft Branco, gekeltert aus den Rebsorten Rabigato, Codega und Gouveio, besticht durch lebendige Zitrus- und Steinfruchtnoten, unterstützt von einer spritzigen Säure, die den Branco zu einem glasklaren und erfrischenden Weisswein macht. Tatsächlich gefällt mir der Branco fast noch besser als sein rotes Pendant. Doch der Höhepunkt der Serie ist der 2018er Turris, der aus den Trauben eines winzigen, 0,8 Hektar umfassenden Weinbergs stammt, von dem insgesamt 30 lokale Rebsorten gemeinsam vergoren werden.
Quinta de la Rosa
Die Weingutsbesitzerin Sophia Bergqvist führt mich zunächst in die von Steinmauern gestützten Weinberge, die eine atemberaubende Aussicht auf den Douro-Fluss bieten. Diese historischen Terrassen, besser bekannt als Socalcos, sind von der Unesco als Weltkulturerbe eingestuft und dürfen nicht abgerissen werden. Wer den besten Blick auf diese beeindruckenden Bauwerke geniessen möchte, bucht am besten eine Schifffahrt von Porto nach Pinhão.
Im Weinkeller stehe ich zum ersten Mal in den sogenannten Lagares, den traditionellen Granit- oder Zementbecken, in denen die Trauben nach der Ernte mit Füssen gestampft werden. Um die vorzeitige Gärung zu unterdrücken, wird der Traubenmost mit Kühlelementen, die an den Seiten der Lagares angebracht sind, auf niedriger Temperatur gehalten. Selbstverständlich fehlen auch die alten Holzfässer in verschiedenen Grössen nicht, in denen unter anderem die klassischen Portweine reifen.
Bevor wir uns den Weinen widmen, fällt mir auf, dass auf der Quinta de la Rosa reger Betrieb herrscht: Gäste übernachten in den hauseigenen Zimmern, entspannen am Pool oder geniessen im modernen Restaurant mit herrlicher Aussicht lokale Leckereien. Wie mir Bergqvist bestätigt, haben die touristischen Aktivitäten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und tragen heute wesentlich zum finanziellen Überleben von Weingütern wie der Quinta de la Rosa bei.
Ähnlich wie bei Niepoort beeindrucken die herkömmlichen Weiss-, Rot- und sogar Rosé-Weine, die ohne zusätzlichen Alkohol auskommen, durch ihre belebende Frische und elegante Erscheinung. Wer nach konzentrierten, üppigen Fruchtbomben sucht, wird auch hier nicht fündig. Besonders hervorzuheben sind die Rotweine des Jahrgangs 2021, die mit ihrer perfekten Balance und präzisen Fruchtaromatik überzeugen. Doch auch die Portweine verdienen Aufmerksamkeit, insbesondere der sinnliche und äusserst komplexe 30-jährige Tawny Port.