Sie sind der Stoff, aus dem die Träume vieler Weinliebhaber sind: die sogenannten Supertoskaner. Inoffiziell werden hervorragende toskanische Rotweine so genannt, die mit internationalen Rebsorten wie Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot und Syrah hergestellt wurden. Seltener wird der Begriff auch für reinsortige Sangiovese und Weissweine besonders hoher Qualität verwendet, die aus der Toskana stammen.
Über 50 Jahre nach ihrer Schöpfung haben sie kein bisschen an Glanz und Faszination eingebüsst. Wie kam es zu dieser Erfolgsgeschichte?
Die Stunde null
Marchese Mario Incisa della Rochetta hatte eine Schwäche für Bordeaux-Weine. Der piemontesisch Adlige träumte davon, in der Toskana einen italienischen Wein in diesem Stil für seine Familie zu erzeugen. Als Mann der Tat experimentierte er Anfang der 1940er auf der Tenuta San Guido bei Bolgheri und pflanzte Reben von Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Nicht ahnend, dass er die italienische Weinszene auf den Kopf stellen und einen der berühmtesten Weine Italiens schaffen würde.
Im Weinkeller wandte er sich von den althergebrachten Gepflogenheiten in der Toskana ab. Neben dem Anbau ortsfremder Traubensorten reduzierte er die Erträge im Rebberg drastisch. Ausserdem verwendete er eine moderne Presse, die das Traubengut schonend behandelte. Und statt grosse Holzfässer für den Ausbau einzusetzen, liess er den Wein in neuen, kleinen Eichenfässern (Barriques) reifen. Was heute Standard im Qualitätsweinbau ist, war für die damalige Zeit eine bahnbrechende Herangehensweise.
Die ersten Jahrgänge waren bloss als Hauswein gedacht. Doch der Cousin von Marchese Incisa della Rochetta, Marchese Nicolò Antinori, seines Zeichens Kopf des Weinimperiums Antinori, überzeugte ihn, den Tropfen durch seinen Kellermeister Giacomo Tachis zu verfeinern. Später einer der berühmtesten Önologen seiner Zeit, schliff Tachis aus dem Rohling einen Weindiamanten, den Sassicaia.
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Ein Kult entsteht
1972 gelangte der erste Jahrgang des Sassicaia in den Verkauf. Doch der Stein kam erst zwei Jahre später richtig ins Rollen, als der bekannte italienische Weinkritiker Veronelli den Tropfen in den höchsten Tönen lobte. Der Erfolg schwappte über die Landesgrenzen hinaus. Auf internationalen Degustationen überboten die Flaschen, die bis heute eine goldene Windrose ziert, französische Cabernets um Längen. Italienischer Wein beanspruchte erstmals seinen Platz auf der Weltbühne.
Fast zeitgleich erfand Marchese Nicolò Antinori den Chianti Classico neu, indem er seinen Sangiovese in der Barrique veredelte und mit Cabernet Sauvignon sowie Cabernet franc assemblierte, statt wie vorgeschrieben mit weissem Traubengut. Internationale Rebsorten waren nicht vorgesehen. Aus dem schwachbrüstigen, dünnen Chianti wurde ein kräftiger roter Riese. Sein Erstling, der Tignanello, durfte sich aufgrund der Regelwidrigkeiten bei der Produktion nicht Chianti nennen, sondern bloss Vino da Tavola (Tafelwein).
Dessen ungeachtet wirbelte die gewagte Neuinterpretation kräftig Staub auf. Kritische Stimmen sahen darin einen Verrat an der Tradition des Chianti-Gebiets und eine Nachahmung von Weinen der neuen Welt. Doch das vermochte den durchschlagenden Erfolg nicht aufhalten. Sowohl Sangiovese mit internationalem Einschlag als auch Bordeaux-Blends wie der Sassicaia waren rund um den Globus der letzte Schrei. Sie trafen den Geschmack ihrer Zeit und riefen viele Nachahmer auf den Plan. Es sollte aber noch eine Weile dauern, bis die Supertoskaner vor dem italienischen Weinrecht Anerkennung fanden. Erst 1994 wurde ihnen die Qualitätsstufe Indicazione Geografica Tipica (Regionalweine) zuteil.
Frischekur für die Weinregion Toskana
Im Windschatten der Supertoskaner begannen die Weinbauern in den 1980er-Jahren in der Toskana, ihren einheimischen Rebsorten mehr Aufmerksamkeit zu schenken – insbesondere dem Sangiovese. Das war auch dringend nötig, da das Gebiet, abgesehen von den international geprägten Gewächsen, wegen des billigen Massenweins ein grosses Imageproblem hatte. Speziell Chianti hatte zu kämpfen. Die Fiasco-Flaschen mit der Bastdekoration und der fuselige Inhalt wurden wortwörtlich zum Fiasko. Der strenge Fokus auf die Qualität der Trauben, die verbesserten Kellertechniken und strengere Vorschriften führten schliesslich zu einer neuen Blütezeit des toskanischen Weinbaus.