Auf einen Blick
- Verdejo-Weine aus Rueda werden vielseitiger
- die Produktionsbestimmungen wurden angepasst
- Ausbau in Barrique und auf der Feinhefe liefert strukturierte, cremige Weine
- auch die Buschreben kommen wieder zu Ehren, denn sie trotzen dem Klimawandel
1970 fiel in Rueda der Startschuss für die goldenen Jahre. Don Francisco Javier Hurtado de Amézaga (†), dessen Vorfahren mit Marqués de Riscal einen der grössten und renommiertesten Rioja-Betriebe gründeten, investierte in eine Weisswein-Gegend im Herzen von Kastilien, die am Weinwunder Spanien bisher nicht teilhaben konnte. Einer der Gründe war das Wiederbepflanzen der Flächen nach der Reblauskatastrophe mit der falschen Sorte.
Statt die mit der Region verwurzelte Verdejo auf den zerstörten Weinbauflächen zu pflanzen, wurde in den 1930ern mit Palomino aufgestockt. In Andalusien funktioniert Palomino als Grundwein für Sherry perfekt, aber im rauen Hochland von Kastilien verkam die Sorte rasch zum Massenträger für neutrale Weissweine mit wenig Säure, Aroma und Struktur – und darum ohne Export-Markt.
Mit Technologie aus dem Tal der Tränen
«Mein Vater Francisco war Verdejo-Fan. Er liebte die Aromatik der Sorte und er wusste, dass Verdejo nach Rueda gehört», sagt Luis Hurtado de Amézaga, technischer Direktor von Marqués de Riscal, beim Besuch in der Kellerei in Rueda. Francisco Hutardo bot mehr Geld für Verdejo-Trauben und riet den Winzern, die Reben in Spaliererziehung zu pflanzen. «Da Verdejo früher weniger aromatisch auf die Flaschen kam, wurde ab 1974 als aromatische Ergänzung Sauvignon blanc gepflanzt», erklärt Louis.
Die Spaliererziehung machte den Einsatz von Traubenvollerntern möglich. Die Traubenvollernter ermöglichten die Lese bei Nacht. Die Trauben kamen kühl in den Keller. Oxidation wurde vermieden. Etwas später kam die kontrollierte Gärung bei Temperaturen zwischen 14 und 16 Grad Celsius dazu. Das erhält die feinen Fruchtaromen der Trauben. So wurde Verdejo aus Rueda zum Synonym für saftige, fruchtbetonte Weissweine aus Spanien. Allein Marqués de Riscal produziert in Rueda drei Millionen Flaschen in Bio-Qualität.
Die Konkurrenz schläft nicht
Die technologische Revolution im Weinberg und im Keller half Rueda wieder auf die Beine. Die frischen Verdejo-Weine entpuppten sich als Goldesel. Immer mehr spanische Weinunternehmen erweiterten ihr Portfolio und bauten Kellereien in Rueda. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Viele Regionen Europas folgen dem Weisswein-Trend und beginnen den Markt mit Easy-drinking-Qualitäten zu fluten.
Alle diese Weine sind frisch, fruchtbetont und machen Lust auf einen nächsten Schluck. Doch die grosse Gefahr bei der Vermarktung dieses Weintyps ist die Uniformität. Wenn Weine austauschbar werden, hilft das beste Marketing nicht mehr.
Eier, Fässer und Hefe
Das erkannten die Produzenten aus Rueda rechtzeitig. Gemeinsam mit dem Consejo Regulador de Rueda, der offiziellen Stelle für Weinbau, Weinausbau und Vermarktung, machten sie sich daran, dem Verdejo-Wunder neuen Schwung zu verleihen. Es konnte nicht sein, dass Weinen, die in der Barrique vergoren wurden oder auf der Feinhefe ruhten, bei der sensorischen Prüfung das Siegel der DO Rueda wegen des Urteils «nicht typisch» verwehrt wurden.
Zehn Jahre wurde an der Transformation gearbeitet, um mehr Diversität ins Weinglas zu bringen. Wir verkosteten Verdejo aus dem grossen Holzfass, aus der Barrique und aus dem Betonei. Teils reiften die Weine lange auf der Hefe. Amphoren kommen wieder zu Ehren, entweder gebrauchte oder neue.
Die rote Cinderella im Weissweinparadies
Auch bei den erlaubten Rebsorten gab es Änderungen Viura und Chardonnay gehören neu zu den Hauptrebsorten und bei den weissen Nebensorten ist auch Garnacha blanca zugelassen. Wird in Rueda Rotwein produziert, ist Tempranillo die erste Wahl. Doch der neue Star ist die rote Cenicienta, die liebevoll Cinderella genannt wird. Sie passt sich besonders gut an Wetterextreme an.
Die Lockerung der Regeln beflügelt kleine Bodegas wie grosse Kellereien. Javier Rodriguez von Rodriguez y Sanzo legt einen Teil seiner Verdejo-Weine in gebrauchte Sherry-Fässer und tüftelt an einem eigenen Hefeansatz. Sein Lebensmotto steht auf seiner Visitenkarte: «Nonkonformismus als Lebensstil».
Buschreben auf Sand
Die Böden in Rueda haben meist Kalkstein als Untergrund. In Nähe des Duero wachsen die Reben unter einem Teppich aus Kieselsteinen, rundgeschliffen vom Fluss. In anderen Lagen dominiert Sand. Dort stehen die Überlebenden der Reblauskatastrophe. Knorrige Verdejo-Stöcke, die sehr wenige, aber sehr aromatische Trauben tragen. Hier wird in der Morgenkühle von Hand gelesen.
Wirtschaftlich sind die Buschreben unrentabel, aber sie liefern komplexe, strukturierte Weine, die berühren. Das weiss Louis Hurtado von Marqués de Riscal. In Segovia, im Südosten der Region pflanzt er wieder Buschreben auf die typischen Schieferböden dieser hochgelegenen Gegend. Auch weil diese Erziehungsform dem Klimawandel trotzen kann, der die Region immer häufiger in Form von Dürren plagt. Die Rebenbüsche beschatten den Boden und morgens kann der Tau von den Blättern abtropfen und in der Erde versickern, ohne sofort zu verdunsten.
Dieser Text entstand im Rahmen einer Pressereise.