Warm eingepackt und mit einem gewinnenden Lächeln empfängt mich Céline Zuber auf dem Weingut ihres Lehrmeisters Serge Roh im Winzerdorf Vétroz VS. Hier auf der nördlichen Seite des Rhônetals hat es Reben, so weit das Auge reicht. So überrascht es nicht, dass Zuber schon früh mit der Weinwelt in Berührung kam.
Die Weintradition wurde ihr bereits in die Wiege gelegt. Ihre Familie stammt aus dem Val d'Anniviers, wo seit hunderten von Jahren Wein in Lärchenfässern ausgebaut wird, der sogenannte Gletscherwein. Dieses Brauchtum pflegt auch die Familie Zuber. Ihren Eltern ist die schweisstreibende Plackerei in den Reben noch aus Kindheitstagen bekannt und sie warnten ihre Tochter vor den Strapazen, als sie ihre Winzerlehre begann.
Bangen um Zukunft in der Weinbranche
Nach der Mittelschule war Zuber zunächst etwas orientierungslos. Sie merkte aber bald, dass ihr ein Beruf an der frischen Luft zusagen würde. Bei einem befreundeten Weinbauer ergab sich dann die Möglichkeit, die Lehre zu beginnen. Der Anfang war hart, vor allem die extremen Temperaturschwankungen machten ihr zu schaffen. Doch Zuber hat Biss und die Freude an der Arbeit überwog stets. Umso schwieriger war es, als sie merkte, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr hauptberuflich im Rebberg tätig sein konnte. Eine Alternative musste dringend her. Deshalb entschied sie sich für den Lehrgang zur Kellermeisterin. Sie hätte die ganze Welt umarmen können, als klar wurde, dass sie eine Zukunft im Weinbau hat. «Es ist meine Berufung», sagt Zuber, ohne eine Millisekunde zu zögern.
Ideenreicher Unternehmensgeist
Im April stehen die letzten Prüfungen an der Landwirtschaftsschule Châteauneuf an. Der Abschluss befähigt Zuber zur Eröffnung ihres eigenen Weinbaubetriebs. Sie ist durch und durch eine «femme d'affaires» und hat bereits ein Unternehmen gegründet. Es trägt den Namen «Le monde à l'enverre» und ist ein Wortspiel. «Le monde à l'envers» bedeutet, die Welt steht auf dem Kopf. Genauso wie ihr originelles Logo, das eine Traube zeigt, umgedreht aber ein Weinglas abbildet. «Man muss sich optisch von der Masse abheben», meint die Unterwalliserin. Es erfüllt sie, schöpferisch tätig zu sein. Umso schöner ist es für Zuber, dass sie ihre kreative Ader beruflich und in der Freizeit ausleben kann. Sie fotografiert leidenschaftlich gerne die Reben im Laufe der Jahreszeiten und experimentiert mit Drohnenaufnahmen.
«Ich bin nicht bio»
Obwohl Zuber eng mit der Natur verbunden ist, möchte sie sich nicht dem biologischen Weinbau verschreiben. Grund dafür ist, dass teilweise häufiger gespritzt werden muss als bei der konventionellen Methode. Deshalb nimmt der Boden mehr Substanzen wie Schwefel und Kupfer auf. Ihr ist ein naturnaher Anbau mit Augenmass deshalb wichtiger. «Ein respektvoller Umgang mit den Pflanzen und dem Boden heisst für mich, dass ich auf chemische Mittel gegen Unkraut und Pilze verzichte sowie auf Handarbeit setze. Ich möchte ehrliche, möglichst unverfälschte Weine aus gesunden Trauben herstellen», so Zuber.
Klarsicht bei Stilfragen
«Zugänglich, frisch und ohne Holzeinsatz», so beschreibt Zuber die Handschrift, die ihre Weine tragen. Sie hat bereits dreimal vinifiziert, zuletzt einen Muscat Ottonel. Dabei ist sie ihrem eigenen Geschmack gefolgt. Sie trinkt am liebsten fruchtbetonte, trockene Exemplare, mit einer schönen Geschmeidigkeit. Besonders zugetan ist sie Humagne rouge, einer im Wallis beheimateten Sorte mit einer starken Persönlichkeit. Diese Rotweine schmecken aromatisch sowie nach wilden Beeren und weisen zudem oft eine florale Note und Anklänge von trockenem Laub auf.
«Wallis. Ins Herz gemeisselt»
Das Motto des Walliser Tourismusverbands könnte kaum besser auf Zuber zutreffen. Obwohl sie sich auf die nächste Studienreise in der Champagne freut und Kaliforniens Weingebiete erkunden möchte, sieht sie ihre Zukunft im Wallis. «Mein Wunsch wäre ein Weinkeller mitten in der Natur – eine kleine Festung, umgeben von Reben, wo ich ungestört arbeiten kann. Am liebsten in der Region von Sierre.» Wenn Sie Ihrer Lebenseinstellung folgt, wird es bestimmt nicht bei einem Traum bleiben. Die lautet nämlich «Zu dem, der warten kann, kommt alles mit der Zeit» ...