In den frühen 1950er Jahren legte mit der neuen Linth das erste Weinschiff am Steg beim Zürcher Bürkliplatz an – die Expovina-Weinmesse war geboren. Rund 70 Jahre später zieht diese 15-tägige Weinmesse auf mittlerweile elf Weinschiffen alljährlich rund 70.000 Besucher an. Im Gespräch mit Blick gibt Expovina-Geschäftsleiter Pascal Schlittler (59) einen Einblick hinter die Kulissen des Grossanlasses.
Herr Schlittler, in wenigen Tagen beginnt mit der Expovina Weinschiff eine der grössten Weinmessen der Schweiz. Sind Sie bereit?
Pascal Schlittler: Auf jeden Fall! Wir sind vorbereitet und freuen uns riesig.
Nach pandemie-bedingter Abwesenheit fand letztes Jahr die erste Expovina Weinschiff Veranstaltung unter Ihrer Leitung statt. Was zogen Sie für eine Bilanz?
Wir haben in kurzer Zeit extrem viel zustande gebracht. Die letztjährige Ausgabe war gut besucht und wir haben auch mehrere neue Ideen umgesetzt. So zum Beispiel den elektronischen Kalender (elektronische Messe App oder Katalog) oder die Food-Stores auf dem Pier vor den Schiffen.
Waren Sie mit allem zufrieden?
Nicht ganz, die Beschriftungen haben noch Potenzial. Unser letztjähriges Gastland Armenien war zwar sehr spannend. Doch anhand der immer besser werdenden Schweizer Weine fragte ich mich je länger je mehr, ob man den Fokus noch mehr auf unser Land richten sollte.
Ist deshalb der Kanton Waadt dieses Mal die grosse Gastregion?
Das ist ein Grund. Die Expovina und das Waadtland verbindet eine jahrzehntelange Freundschaft. Wann immer die Expovina in der Vergangenheit vielleicht die ein oder andere Schwierigkeit hatte – die Waadtländer waren immer da für uns. Als dann vom Office des Vins Vaudois der Vorschlag kam, Waadtland als Gastregion zu wählen, haben wir sofort zugesagt. Wussten Sie, dass es alleine im Kanton Waadt acht verschiedene AOCs gibt? Rund 18 Waadtländer Winzerinnen und Winzer werden auf der MS Rosenstadt ihre neuesten Kreationen präsentieren. Es gibt also viel zu entdecken. Das sind übrigens alles kleine Betriebe und das Angebot wechselt täglich.
Machen Schweizer Weine auch insgesamt einen grossen Anteil aus?
Von den etwa 4000 Weinen kommt sicher die Hälfte aus der Schweiz. Ein besonderes Augenmerk gilt auch den prämierten Tropfen der Expovina Wine Trophy 2023. Viele Schweizer Weine haben dieses Jahr abgeräumt.
Wie steht die Expovina zu Naturweinen, PIWIs oder alkoholfreien Weinen?
Die Nachfrage nach Weinen dieser Kategorien ist nach wie vor relativ bescheiden. Mit den Gastländern Armenien und Georgien hatten wir in der Vergangenheit bereits einige Naturweine auf unseren Schiffen. Mit dem neu eingeführten Expovina Pop-up Konzept Neptun hätten wir eigentlich eine gute Plattform, solchen Weinen vermehrt eine Bühne zu geben.
Pop-up Konzept Neptun?
Nicht jede Weinhandlung kann es sich leisten, zwei Wochen lang einen Stand auf einem unserer Weinschiffe zu mieten. Deshalb gibt es neu auch Pop-Ups, wo einzelne Stände im Wochenrhytmus vermietet werden. So sollten auch kleinere Weinhandlungen die Möglichkeit haben, ihre Weine zu präsentieren. Nächstes Jahr möchte ich gerne ein ganzes Pop-Up Schiff! Dieses Jahr sind sämtliche Pop-Up-Stände bereits vergeben, das Angebot stiess also auf Anklang.
Früher haben Weinhandlungen an den zwei Wochen Expovina Weinschiff ihren halben Jahresumsatz gemacht. Ist das heute immer noch so?
Definitiv nicht. Wo Besucherinnen und Besucher früher kistenweise Wein bestellt haben, sind es heute Einzelflaschen. Allgemein spüren wir, dass der Kostendruck in der Weinbranche zugenommen hat. Die Händler müssen härter um jeden Franken Umsatz kämpfen, als noch vor zehn Jahren.
Dieses Jahr bieten Sie auch Masterclasses an, was können Sie dazu erzählen?
Darauf bin ich besonders stolz. Fast täglich nehmen Expertinnen und Experten aus der Weinwelt Stellung zu spannenden Weinthemen. Am Samstag 4. November gibt Master of Wine Ivan Barbic eine Masterclass zum Thema Best-of Expovina Wine Trophy 2023. Auch ein Basis-Knigge-Kurs wird angeboten, oder ein Sprudel-Special zu Schaumweinen.
Was sind Ihre Empfehlungen hinsichtlich der ruhigsten Besuchszeiten und -Tage?
Montag, Dienstag und Mittwoch zwischen 13 und 15 Uhr ist es am ruhigsten. Am meisten los ist es ab halb fünf bis etwa um sieben Uhr abends. Donnerstag, Freitag und Samstag werden wohl auch dieses Jahr die am besten besuchten Tage.
Haben Sie zum Abschluss noch den ein oder anderen Geheimtipp für unsere Leserinnen und Leser?
Mit ein paar Minuten Vorbereitung kann man sich zu Hause bequem diejenigen Stände aussuchen, die man unbedingt besuchen möchte. Auf dem Weg zwischen den einzelnen Ständen bleiben die Menschen erfahrungsgemäss immer spontan an anderen Ständen hängen, aber mit dieser Methode stellen sie sicher, dass sie ihre Lieblingsweine probieren. Mein persönliches Highlight dieses Jahr ist unser Fondueschiff. Der geschmolzene Käse passt nämlich hervorragend zu Waadtländer Weissweinen, um bei der diesjährigen Gastregion zu bleiben.