Auf einen Blick
- Online-Kritiken entstehen oft aus Angst vor Konfrontation
- Schlechteste Bewertungen sagen mehr über die Kritiker als das Restaurant
- Viele Gäste haben unrealistische Erwartungen
Die Frage, wie ich zu Online-Kritiken stehe, wird mir tatsächlich oft gestellt. Die Gegenfrage lautet jeweils: «Warum online, warum nicht direkt vor Ort sagen, wenn etwas nicht stimmt?» Ich weiss natürlich, dass das eine rhetorische Frage ist. Denn viele Menschen scheuen die direkte Konfrontation und trauen sich schlicht und einfach nicht, das Personal anzusprechen, wenn sie unzufrieden sind.
Eine Reklamation ruhig und sachlich, aber unmissverständlich anzubringen, erfordert ein wenig Mut und eine gute Portion Selbstvertrauen. Man will ja kein Theater machen und die Blicke auf sich ziehen oder sich in endlose Diskussionen verstricken. Auf die Standardfrage «War’s recht?» antworten daher viele mit Ja, obwohl es vielleicht ganz und gar nicht recht war. Sie machen dann gekränkt die Faust im Sack und denken sich, na warte, euch haue ich mit einer gepfefferten Kritik in die Pfanne!
Aber ist das wirklich klug? Können Sie sich denn sachlich und konstruktiv ausdrücken? Beherrschen Sie die Rechtschreibung? Und falls ja, warum wollen Sie Ihre Beschwerde öffentlich teilen? Wäre es diplomatisch nicht besser, Ihre Zeilen diskret in einer E-Mail an das Restaurant zu richten?
Wer wütend und vor allem böswillig in die Tasten haut, um seinem Ärger Luft zu machen, riskiert vor allem eins: sich selbst hoffnungslos zu blamieren. Die schlechtesten Online-Bewertungen sagen nämlich meistens wenig über die Fehlleistung des Restaurants oder den tatsächlichen Sachverhalt aus, aber sehr, sehr viel über die Person, die über das Lokal herzieht.
Da gibt es zum einen köstliche Stilblüten und Schreibfehler, die gleichzeitig zum Totlachen und Fremdschämen sind. Ich gebe zu, ich lese sie zu meinem Vergnügen, auch wenn es mich schaudert. Manchmal gibt es regelrechte Krimis zu lesen, mit dramatischen Beschreibungen über den Tatort und renitente Täter, inklusive holpriger Wiedergabe des Disputs – fast so charmant wie aus der Feder eines Primarschülers.
Zum anderen offenbaren sich in hitzig hingewurstelten Abwatsch-Kommentaren Dinge, für die das Restaurant selbst gar nichts kann, sondern die von einer komplett vermessenen Erwartungshaltung der Gäste zeugen. Das geht von falschem Wetter über falsche Lage, falsches Angebot («Das Steakhouse hatte nicht mal eine vegetarische Karte!»), falsche Portionengrösse bis zu falscher Küche («Kein Wurstsalat??? Mir egal, ob das ein Thai-Restaurant ist, wir sind hier schliesslich in der Schweiz!»).
Mein Tipp: Klären Sie die Sache bilateral oder lassen Sie es ganz bleiben und meiden fortan das Restaurant. Sie werden schon Ihre Gründe haben. Aber machen Sie sich nicht freiwillig zum Internettroll.