Wer in der Schweiz mit kulinarisch interessierten Eltern oder vielleicht sogar Grosseltern aufgewachsen ist, ist an ihr nicht vorbeigekommen: Elisabeth Fülscher (1895–1970), die dieses Jahr gleich zweifach wieder in den Buchhandlungen liegt: zum einen wie immer ihr dieses Jahr hundertjährige Standardwerk mit – je nach Ausgabe – rund 1700 Rezepten, die in nur vier Zentimeter Buchdicke Platz finden. Zum anderen hat die Köchin und Kochschulinhaberin Susanne Vögeli eine Hommage veröffentlicht, die heute, am 10. Oktober erscheint.
Vom einfachen Brot bis zur kompliziertesten französischen Sauce
Ausgaben von Fülschers Standardwerk stehen seit Generationen in unzähligen Schweizer Küchen – die Rezepte wurden zwar seit hundert Jahren weiterentwickelt, aus der Zeit gefallen, sind die meisten trotzdem nicht. Man findet die komplexesten französischen Saucen genauso wie die einfachsten Grundlagen dafür, wie man Konfitüre kocht oder Brot backt.
Fülscher hat bereits früh ein höchst ausgeklügeltes Gesamtkunstwerk entwickelt, das mittels durchnummerierter, teilweise variabler Rezepte, eine ungemeine Fülle auf wenig Platz bietet. Mit Fülscher kann man alles. Und man spart Geld: Bei ihr geht kein einziger Krümel verloren, Foodwaste gibt es bei Fülscher nicht. Alles wird in bester zwinglianischer Tradition gesammelt und wiederverwertet. Und wenn es praktischer ist, kommt auch mal eine Konserve zum Einsatz. Auch das stammt aus schweizerischer Geschichte: Im Dienste der Geistigen Landesverteidigung während und nach dem Zweiten Weltkrieg hielten Schweizer Behörden in extra angefertigten Broschüren zur Sparsamkeit, was Lebensmittel betrifft, an. Der Historiker Daniel Di Falco schreibt hierzu in seinem Essay «Das Karge» in der Hommage von Vögeli: «Sparsamkeit und Vorsorge blieben Tugenden bei Fülscher, auch nach dem Krieg.»
Praktisch, sparsam – und trotzdem höchste Qualität
Sie liegt damit auch gut fünfzig Jahre nach ihrem Tod gleich zweifach voll im Trend: Angesichts der drohenden Energiekrise und Lieferengpässen ist erstens eine Rückbesinnung auf effizientes Kochen rein wirtschaftlich für viele Haushalte nötig. Und mit als neu verkauften Foodtrends wie «Nose to tail», also dass man bei einem Tier auch Innereien isst und nicht nur Plätzli und die Filetstücke, hätte man ihr nicht kommen müssen. Extrembeispiel: bei Fülscher gibt es neben diversen Rezepten für Ragouts und fast vergessene, leckere Innereien wie Milken in der letzten Ausgabe auch sechs verschiedene Rezepte wie man Hirn zubereitet.
Davon hat es nur eins in die Hommage «Fülscher heute» geschafft – wohl auch, weil Hirn nach der BSE-Krise nur noch bei einzelnen, kleinen Metzgern auf Bestellung erhältlich ist. Auch die sogenannten «Laubfrösche» haben, anders als im Originalkochbuch, nichts mit echten Froschschenkeln zu tun, sondern sind kleine, vegetarisch gefüllte Röllchen. Alle Rezepte sehen, anders als die inszenierten Bildtafeln der Originalausgaben, unkompliziert aus und laden zum Nachkochen ein. Wer unter vielem anderem aber auch wissen will, wie man früher die echten Schenkel zubereitet hat, wer also die ganze Fülle der Fülscher will – und dabei wohl niemals mehr ein neues Kochbuch braucht – der bestellt sich die Originalfaksimile-Ausgabe gleich mit.
«Fülscher heute», Susanne Vögeli, Verlag Hier & Jetzt, ca. Fr. 50.–
«Elisabeth-Fülscher-Kochbuch», Elisabeth Fülscher, Verlag Hier & Jetzt, ab ca. Fr. 60.–
In «Fülscher heute» finden sich knapp 70 auf heutige Kochgewohnheiten leicht angepasste Fülscher-Rezepte mit wunderschönen Food-Bildern. Ergänzt wird dies durch diverse Essays von Kulturwissenschaftlern, die sich mithilfe Fülschers Werk mit hundert Jahren Schweizer Kulinarik auseinandergesetzt haben. Denn anhand von Fülscher lässt sich unter anderem eine ganze Geschichte der europäischen Food-Fotografie genauso ablesen wie der Wandel zu einer Überflussgesellschaft oder die gesellschaftlichen Veränderungen der Geschlechterrollen.
«Elisabeth Fülscher – Kochbuch» heisst das Standardwerk, das auch heute noch zu kaufen ist. Rund 1700 Rezepte, die teilweise aufeinander aufbauen, bieten eine umfassende Sammlung nahezu aller Koch-, Back- und Konservierungstechniken des mitteleuropäischen Raums.
In «Fülscher heute» finden sich knapp 70 auf heutige Kochgewohnheiten leicht angepasste Fülscher-Rezepte mit wunderschönen Food-Bildern. Ergänzt wird dies durch diverse Essays von Kulturwissenschaftlern, die sich mithilfe Fülschers Werk mit hundert Jahren Schweizer Kulinarik auseinandergesetzt haben. Denn anhand von Fülscher lässt sich unter anderem eine ganze Geschichte der europäischen Food-Fotografie genauso ablesen wie der Wandel zu einer Überflussgesellschaft oder die gesellschaftlichen Veränderungen der Geschlechterrollen.
«Elisabeth Fülscher – Kochbuch» heisst das Standardwerk, das auch heute noch zu kaufen ist. Rund 1700 Rezepte, die teilweise aufeinander aufbauen, bieten eine umfassende Sammlung nahezu aller Koch-, Back- und Konservierungstechniken des mitteleuropäischen Raums.