Fast die Hälfte der Erwachsenen ist zu dick! Fettleibigkeit ist ein immer grösser werdendes Problem in unserer Gesellschaft. In der Schweiz sind laut dem Bundesamt für Gesundheit rund 42 Prozent der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig, davon sind 11 Prozent adipös – also deutlich übergewichtig. Rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind übergewichtig oder adipös.
Starkes Übergewicht zählt zu Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und einigen Krebsarten. In unserer schnelllebigen Welt geben viele Menschen als Grund für ihr Übergewicht fehlende Zeit für gesunde Ernährung an: Und genau hier soll der Nutri-Score Abhilfe schaffen.
Tiefkühl-Pizza mit grünem «A» – wie geht das?
Beim Nutri-Score handelt es sich um eine Farbskala, die einem den Einkauf erleichtern soll. Die Idee: Man soll auf den ersten Blick erkennen, welches Produkt für eine ausgewogene Ernährung das Richtige ist. Die Buchstaben «A» bis «E», die mittlerweile auf der Vorderseite vieler Lebensmittel zu finden sind, zeigen auf, wie ausgewogen sich ein Produkt zusammensetzt. Doch wie kann es sein, dass Schoko-Müesli plötzlich mit einem grünen «A» bewertet wird und ein Fruchtjoghurt mit einem dicken, fetten, roten «E»?
Der Grund dafür ist einfach: Mit dem Nutri-Score sollen nicht Apfel und Birnen verglichen werden, sondern lediglich Produkte einer Kategorie oder Produktart untereinander. Sprich: Wer eine Fertigpizza kaufen möchte, kann mittels Farbcode rasch herausfinden, welche der Fertigpizzen die mit der ausgewogensten Nährstoffzusammensetzung ist – daher kann also auch bei einer kalorienreichen Fertigpizza ein grüner «A» auf der Verpackung stehen.
Proteine und Gemüse gelten als «grüne» Lebensmittel
Der Nutri-Score wird laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) mittels wissenschaftlich validierter Formel ermittelt. Man gehe dabei immer von 100 Gramm beziehungsweise 100 Millilitern eines Produktes aus. Empfohlene Nährstoffe würden dabei grün gewichtet, mässig zu verzehrende wiederum rot. Diese werden der Skala zugeordnet: von «A» für ausgewogene bis «E» für einseitige und somit unausgewogene Zusammensetzung.
Als grün werden Lebensmittel wie Nüsse, Ballaststoffe, Eiweisse, Hülsenfrüchte, Gemüse und gewisse Öle eingestuft. Rot gekennzeichnet sind Nährstoffe mit einem hohen Energiegehalt, also mit vielen Kalorien. Auch Zucker, Salz und gesättigte Fettsäuren fallen in die rote Kategorie.
Coca-Cola schlägt Orangensaft
Die Formel hat auch schon zu verblüffenden Ergebnissen geführt: So werden beispielsweise Orangensaft und Apfelsaft schlechter eingestuft als Coca-Cola, da letztere weniger Zucker enthält. Auch bei Emmi-Caffè-Latte ist wohl der eine oder andere stutzig geworden: Die gezuckerten To-Go-Kaffees trugen eine Zeit lang ein grünes Label, doch dies wurde nach einem medialen Aufschrei angepasst. So haben die Nutri-Score-Gremien schliesslich entschieden, dass Milchgetränke nicht mehr als Lebensmittel, sondern als Getränke gewertet werden müssen – da deren Nutri-Score anders berechnet wird, rutschten damals einige Caffè-Latte-Produkte in die Kategorie «C» oder gar in die roten Bereiche «D» und «E» ab.
«Der Nutri-Score bewertet nur verarbeitete Lebensmittel. Produkte, die keine Nährwerttabelle haben, können nicht mit dem Nutri-Score gekennzeichnet werden, z.B. frisches Obst und Gemüse», führt das BLV auf seiner Website aus. Die Behörde betont: Auch Lebensmittel mit einem grünen Nutri-Score, könnten nicht uneingeschränkt konsumiert werden – genauso wenig, wie ein roter Farbcode auch nicht als Verbot zu werten sei: «Das Label hilft lediglich dabei, unter identischen Produkten das gesündere auszuwählen.»
Nutri-Score ist freiwillig
Die Kennzeichnung der Lebensmittel wird durch die Lebensmittelhersteller vorgenommen, aktuell ist sie noch freiwillig. Eine Motion von einem SP-Politiker im Jahr 2019, die farbliche Kennzeichnung in der Schweiz für obligatorisch zu erklären, beantragte der Bundesrat zur Ablehnung – 2021 wurde sie schlussendlich zurückgezogen.
Zwar erachtet die Landesregierung die Vermeidung von nichtübertragbaren Krankheiten als wichtiges Ziel der Gesundheitspolitik und setzt sich für eine gesunde sowie ausgewogene Ernährung ein, jedoch wolle man die Kennzeichnung mittels Nutri-Score – wie im restlichen Europa auch – auf freiwilliger Basis behalten. Der Grund dafür seien laufende Gespräche über ein einheitliches und wirksames System für die Einordnung von Lebensmitteln, ausserdem gibt der Bundesrat in seiner Antwort auf die Motion 2019 zu bedenken: «Ein obligatorisches Kennzeichnungssystem könnte im Übrigen zu technischen Handelshemmnissen führen.»