Wo sind die Fische? Das wird sich mancher Passant fragen, der in der Altstadt von Klingnau AG das Aquarium im Schaufenster des Ladens mit dem Namen «Glaswasser» betrachtet. Zu sehen sind zwei hintereinander angeordnete Steine, die wie zwei rabenschwarze Felssplitter aus einer saftgrünen Hügellandschaft ragen. Nur wer ganz genau hinschaut, sieht knallrote Garnelen auf diesem Gebirge umherkrabbeln.
Tiere seien in seinen Aquarien nicht das Wichtigste, sagt André Eggenberger (39), Inhaber von «Glaswasser». «Ich würde sagen, sie sind das Tüpfelchen auf dem i.» Der gelernte Autolackierer ist Aquascaping-Pionier und führt seit kurzem den ersten und einzigen Deutschschweizer Shop für diese Kunstform der Aquaristik. Geprägt und revolutioniert hat sie der Japaner Takashi Amano (1954–2015). Die Szene verehrt ihn wie einen Guru.
Bei Aquascaping geht es darum, Unterwasserlandschaften zu kreieren und sie möglichst realistisch wirken zu lassen. Neben Steinformationen, sogenannte Iwagumis, steht in Eggenbergers Shop unter anderem ein Mini-, sprich Nano-Aquarium, in das er eine Waldlandschaft hineingebaut hat. Sie erinnert an die Kulisse aus einem Film der Fantasy-Trilogie «Der Hobbit». Mit dem Unterschied, dass rote Feuersalmler über ihr schwimmen.
Optische Täuschungen sorgen für Tiefe
In einem anderen Tank ist eine Berglandschaft zu sehen. Von vorne verläuft ein kleiner Pfad eine Steigung hinauf – die Kante, an der sich der Pfad verliert, wirkt wie ein Horizont. Mit aufgeschüttetem Sand und Pflanzen, die umso feinblättriger werden, je weiter hinten im Aquarium sie sich befinden, versuchen Aquascaper eine optische Täuschung und damit möglichst viel Tiefe zu erzeugen.
Bevor er ein Layout, wie er es nennt, verwirklicht, tüftelt Eggenberger im hinteren Teil des Shops in einem trockenen Übungsbecken, genannt Dojo. Ganz wichtig: die richtige Beleuchtung. Für sie sorgen LED-Lampen. Sie hängen über dem Aquarium und kosten je nach Modell schon mal 600 Franken. Ähnlich wie bei einem Filter, den man über ein digitales Foto legt, lässt sich mit der Farbe der Lämpchen die visuelle Stimmung im Tank steuern.
Aquarien boomen nicht zuletzt aufgrund der Pandemie. Gemäss einer Umfrage des Schweizer Tierschutzes (STS) leben in unserem Land rund drei Millionen Zierfische in privaten Tanks. Um Hobby-Aquaristiker für artgerechte Zierfischhaltung zu sensibilisieren, lancierte der STS gemeinsam mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) im August die Kampagne «Aquarienfische sind keine Deko-Objekte» mit konkreten Tipps für potenzielle Fischhalter.
Fische, die Sonneneinstrahlung gewohnt sind
Aquarien, in denen nur wenige Fische leben, sind da die perfekte Lösung – könnte man meinen. So einfach sei es aber nicht, sagt Eggenberger. Die Aquascaping-Tanks seien oft sehr hell beleuchtet. Bei Fischen, die in der Natur am Grund eines Flusses leben, erzeuge das Stress. Deshalb sei es wichtig, Tiere auszuwählen, die Sonneneinstrahlung gewohnt sind.
Er habe als Kind Aquarien gehabt und wollte sich schon lange wieder eines anschaffen, sagt Eggenberger. Doch seine Frau sei dagegen gewesen. «Sie hielt es für zu aufwendig, die Fische zu versorgen. Und herkömmliche Aquarien fand sie optisch bünzlig.» Als der Ehemann ihr Fotos von Aquascaping-Landschaften zeigte, die er in den sozialen Medien fand, liess sie sich umstimmen. Eggenberger: «Während des ersten Lockdowns habe ich mich dann richtig reingekniet in dieses Hobby und war schnell einmal auf einem hohen Niveau.»
In seinen Laden kommen Jung und Alt. Was sie verbindet, ist ihr Hang zur Ästhetik. Aquascaper können stundenlang darüber fachsimpeln, welcher Anbieter die klarsten Schläuche verkauft, und kennen die Fachbezeichnungen für Pflanzen wie die Bucephalandra aus dem Effeff. Eggenberger stellt auf Anfrage gleich ganze Welten für Kunden zusammen. Im Angebot stehen auch sogenannte Paludarien. Diese Mischung aus Aquarium und Terrarium kommt bei ihm ganz ohne tierische Bewohner aus.