Hat er oder hat er nicht? Seit der Rangelei auf der Bundeshaustreppe am Mittwoch fragt sich die Nation, ob SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (45) einen Streit mit den Bundespolizisten vom Zaun gerissen hat – oder ob der zornige Zuger umgekehrt eher ein Opfer von kampfeslustigen Uniformierten war. Anlass war der Besuch des ukrainischen Parlamentspräsidenten, für dessen Fototermin die Treppen kurz gesperrt worden waren. Wir sind gewählte Volksvertreter, sagten sich Aeschi und sein Parteikollege Michael Graber (43), und wollten sich über die Anordnung der bewaffneten Männer hinwegsetzen.
Jetzt ist der Schaden angerichtet: Die Ordnungshüter stehen als Rambos da, der Anzugträger Aeschi als Rüpel. Nun kommt es zur Aufarbeitung des Falles. Zuständig für die Sicherheitskräfte im Bundeshaus ist das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Dort heisst es auf Anfrage etwas schwammig: «Unsere Sicherheitsassistent:innen werden regelmässig geschult und ausgebildet für Einsätze wie diese. Wie üblich erfolgt nach jedem Einsatz ein Debriefing mit den involvierten Partnern.»
Austausch im Bundeshauszimmer 287
Nun stellt sich die Frage, ob es auch zu einem Debriefing mit der Anwesenheit von Thomas Aeschi geben wird. Die Blick-Anfrage beim SVP-Politiker bringt Klarheit: Demzufolge ist es gleich nach dem Eklat zu einem informellen Austausch mit der Beteiligung des Einsatzleiters im Bundeshauszimmer 287 gekommen. Für eine vertieftere Analyse treffen sich die SVP-Vertreter und die Bundespolizei am kommenden Donnerstag zu einer Aussprache, wie Aeschi gegenüber Blick bestätigt.
Dass ausgerechnet der Besuch aus der Ukraine den Anlass für den Zoff gab, ist pikant. Seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs liefert sich die SVP mit den anderen Parteien einen erbitterten Streit um die schweizerische Aussenpolitik. Kritiker werfen der Partei von Patron Christoph Blocher (83) vor, zu Putin-freundlich zu sein. Diese wiederum sieht die Neutralität in Gefahr.
Rösti und Jans gerieten sich in die Haare
Für den Spitzenpolitiker Aeschi dürfte die ganze Sache unangenehm sein – eigentlich geniesst er seine neuen Vaterschaftsfreuden und seine Fraktion hat er im Parlament im Griff. Jetzt muss er sich auf einmal öffentlich gegen das Image des krawattierten Krawallbruders wehren. Welch seltsame Blüten der Vorfall treibt, zeigt ein Fernduell im Bundesrat. SVP-Verkehrsminister Albert Rösti (56) sprang umgehend seinen Parteikollegen zu Hilfe und übte Kritik an den Gesetzeshütern. «Dass ein gewählter Parlamentarier, der allen bekannt ist, nicht seiner Arbeit nachkommen kann: Das geht nicht», sagte Rösti zu SRF. SP-Justizminister Beat Jans (59) nahm das genüsslich zum Anlass für eine Retourkutsche: «Die Parlamentarier mussten einfach eine andere Treppe nehmen, man hätte sich auch an die Anweisungen der Polizei halten können.» Verkehrte Welt in der Landesregierung: Der Konservative übt Kritik an der brutalen Staatsgewalt, der Linke dankt den Uniformierten für ihren Einsatz.
Nicht geklärt ist, ob am erwähnten Treffen nächsten Donnerstag auch Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle (63) zugegen sein wird. Entscheidend wird sein, ob die Parteien auf ihren Positionen beharren oder die Aussprache mit Aeschi gar zu einem kleinen Friedensgipfel wird.